Greif doch zum Hörer!

Telefonverkauf ist wie Schiffe versenken: Dass jeder Versuch ein Treffer wird, ist weit weg von der Realität. Mit ein paar Kniffen und ein wenig Übung lässt sich die Trefferquote aber steigern.

Wir nutzen so viele digitale Möglichkeiten, dass oft wenig Zeit für persönliche Beziehungen bleibt – gerade im Geschäftsleben. Alles soll schnell und effizient gehen, wenig Aufwand zu vielen Aufträgen führen. Das ist bequem: Verteiler ersetzen mühsame Telefonate. Doch: „Die Digitalisierung hat uns von unseren Kunden entfernt“, sagt die Businesstrainerin Petra Rischko, die unter anderem Telefontrainings durchführt. Telefonate können wieder Nähe erzeugen, und durch Zuhören erfährt man im Idealfall, was der Kunde wünscht. Aber wie verkauft man übers Telefon? Man erreicht nicht jeden, will nicht stören. Und vielleicht hat die Person am Ende der Leitung einen schlechten Tag – dann wäre ein Anruf vergebliche Liebesmüh.
                                     
Angst vor Zurückweisung. „Manchmal habe ich das Gefühl, die Leute glauben, das Telefon beißt“, sagt Rischko. Sie war viele Jahre im Verkauf tätig und macht noch heute selbst Telefonakquise – und das gerne. Viele ihrer Teilnehmer ticken ganz anders. Rischko versteht das und glaubt, dass die Saat für eine Telefon-Aversion oft schon in der Kindheit gepflanzt wird. Schließlich kann man am Telefon leicht zurückgewiesen und abgewimmelt werden – eine Erfahrung, die man sich sparen möchte. Doch es ist möglich, die Aufgabe sportlich zu nehmen. Der Wissenschaftsberaterin Natascha Miljković, die sich vor vier Jahren selbstständig gemacht hat, gelang das, wenngleich sie Telefonieren im Grunde hasst: „Ich bin ein visueller Mensch, kein akustischer. Für mich ist Telefonieren rein von den Sinnesorganen her anstrengend.“ Dennoch greift sie zweimal im Jahr systematisch zum Hörer und telefoniert bestehende und potenzielle Kunden durch, meist Mitarbeiter von Universitäten und Fachhochschulen, denen sie Kurse anbietet.
 
Beziehungen pflegen. Es lohnt sich für Miljković, über ihren Schatten zu springen: Jeden Kunden zu treffen wäre zu zeitaufwändig. Persönlich darf es aber auch beim Telefonieren werden, es geht ihr um langfristigen Beziehungsaufbau. Schon oft ist es ihr passiert, dass sie wegen knapper Budgets nichts verkauft hatte, aber ein, zwei Jahre später das Geld da war oder sie weiterempfohlen wurde. Verkaufen ist nicht ganz richtig, denn nur mit bestehenden Kunden bespricht Miljković Details wie Preise am Telefon. Dazu rät auch Trainerin Rischko: „Ein Telefonat ist kurz und nur dazu da, einen Termin zu bekommen.“ Das Allerwichtigste für ein erfolgreiches Telefonat ist aus ihrer Sicht die Vorbereitung. Dazu gehören der Name und die Position der angerufenen Person und Wissen über das Unternehmen. Zudem sollte man imstande sein zu formulieren, was man kann, seine Zielgruppe und sein Alleinstellungsmerkmal kennen. Wer auf die Frage „Es gibt so viele Anbieter auf dem Markt. Warum soll ich ausgerechnet Ihnen einen Auftrag geben?“ nicht spontan eine Antwort weiß, hat meist schon verloren.
 
Eisbrecher finden. Rischko rät, mit der Stimme umgehen zu lernen, deutlich und in gemäßigtem Tempo zu sprechen, die Sprechgeschwindigkeit an den Gesprächspartner anzupassen und Stimmung zu erzeugen. Ein Schlüsselfaktor ist Humor: Schafft man es, das Gegenüber zum Lachen zu bringen, spricht es sich viel leichter. Ein anderer „Icebreaker“ seien Komplimente. Oft reicht es zu sagen: „Ich freue mich sehr, dass ich Sie heute so schnell erreicht habe.“ Vielen hilft ein Telefonleitfaden. Doch die deutsche Expertin Claudia Fischer warnt in ihrem neuen Buch „99 Tipps für erfolgreiche Telefonate“: „Telefonleitfaden ist nicht Telefonleitfaden. Wir alle kennen die auswendig gelernten Floskeln, die in formelhaft aufgebauten Leitfäden gang und gäbe sind.“ Der Gesprächspartner merke schnell, „ob Sie sich auf ihn einstellen – oder aber nur etwas ablesen, dessen Verfasser eine dritte Person ist“. Einen selbst verfassten Leitfaden mit eigenen Formulierungen empfiehlt sie aber, das gebe Sicherheit. Wichtig sei, dass der Leitfaden an das kontaktierte Unternehmen angepasst werde, keine Fremdwörter verwendet würden, die der Gesprächspartner womöglich nicht kenne, und „Telefondeutsch“ statt „Schriftdeutsch“ zu formulieren.
 
Wenn, dann. Hilfreich ist, ein „Wenn, dann“ vorzubereiten. So überlegt Natascha Miljković, welche Fragen und Einwände eine Person haben könnte und wie sie darauf reagieren wird. Schlechte Erfahrungen hat sie mit Telefonakquise nie gemacht. Klingt der andere in der Leitung gehetzt, fragt sie: „Ist es gerade unpassend?“ Sie habe sogar oft „die nettesten Gespräche“ mit Leuten gehabt, die angespannt waren: „Es kann ja passieren, dass man stört.“ Zu den No-Gos bei der Telefonakquise gehört etwa zu versuchen, seine Botschaft auf Biegen und Brechen rüberzubringen. Petra Rischko: „Viele reden zu viel. Ich muss den Gesprächspartner zu Wort kommen lassen.“ Gerne würden zu früh Inhalte vorgebracht. Sie sind zwar in Maßen nötig, aber Rischko versteht nicht, warum niemand klipp und klar sagt: „Grund meines Anrufes: Ich möchte einen Termin bei Ihnen.“ Nebenbei E-Mails zu schreiben oder Papiere zu sortieren ist auch ein Kardinalfehler. Dagegen sind Notizen anzuraten, auf die man sich später berufen kann, doch besser mit Papier und Stift, denn Tippgeräusche im Hintergrund könnten beim Gesprächspartner das schale Gefühl hinterlassen, man sei nicht bei der Sache.
 
Die kleinen Tricks. Wer Begeisterung wecken will – und darum sollte es in Verkaufsgesprächen gehen –, sollte selbst begeistert sein. Und Begeisterung kann man hören. Petra Rischko: „Man kann mit den Ohren sehen.“ Hilfreich sind Tricks wie jener von Natascha Miljković, die sich Aufkleber mit Sprüchen wie „Du schaffst das!“ in die Akquisemappe geklebt hat. Sie beginnt zudem ihre Telefon-Sessions, in denen sie nacheinander bis zu 30 Personen anruft, immer mit jenen, bei denen sie sich ohne Verkaufsziel einfach wieder mal melden will. Schwierige Telefonate und solche mit unbekannten Menschen haben Nachrang. Petra Rischko rät zu einem aufgeräumten Arbeitsplatz, runden statt eckigen Gegenständen in Lieblingsfarben. Vor dem Telefonat etwas Lustiges zu lesen oder einen motivierenden Song zu hören könne Wunder wirken. Allerdings: „Wenn ich mich überhaupt nicht motivieren kann, telefoniere ich nicht.“

Viele Anläufe nötig. Telefonverkauf ist wie Schiffe versenken: Dass jeder Versuch ein Treffer wird, ist eine Illusion. Bei Natascha Miljković mündet zirka eines von zehn Telefonaten in einem Auftrag. Petra Rischko: „Wenn Sie bei 15 Telefonaten zehn Menschen erreichen und am Ende fünf Termine haben, sind Sie sehr gut.“ Also machen Sie es wie ein Kleinkind: nach jedem Sturz aufstehen und wieder versuchen.


Text: Alexandra Rotter

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