Gründen: nicht ohne bürokratische Hürden


Gründe fürs Gründen gibt es viele – doch wie leicht wird es Jungunternehmern und Start-ups in Österreich gemacht, einen eigenen Betrieb auf die Beine zu stellen?

Constantin Simon war als Model auf internationalen Laufstegen zu sehen – und entdeckte in Australien Low-Carb-Bier. Schon war die Idee geboren, auch in Österreich innovative Biere auf den Markt zu bringen. 2013 wurde die Nixe Brau GmbH gegründet, die inzwischen neben dem Nixe-Bier mit 75 % weniger Kohlenhydraten bei vollem Alkoholgehalt bereits das zweite Produkt auf den Markt gebracht hat: den Nixe-Radler. Leicht wird es innovativen Start-ups hierzulande aber nicht gemacht. Bürokratische Hürden lauern überall. Denn anders als etwa in Australien oder der Schweiz gibt es für Low-Carb-Bier noch keine eigene Kategorie nach dem Lebensmittelkodex. „Es ist ein Graubereich, wie bei vielen Innovationen. Der Versuch, offizielle Informationen zu unseren Produkten zu bekommen, war nicht ganz leicht“, sagt Simon. Auch die Gewerbeordnung macht dem Start-up einen Strich durch eine Rechnung. Für Veranstaltungen und Outdoor-Events wird ein Gastronomie-Gewerbeschein benötigt: „Wohlgemerkt, ein freies Gewerbe. Wir haben drei Absolventen von einer FH, dürfen aber keinen Gewerbeschein für Gastronomie lösen!“ Den bekommt aber jeder Uni-Absolvent. Das sei eine Diskriminierung und ein Überbleibsel einer veralteten Gewerbeordnung, so der Gründer. Nun helfen nur noch ein Kurs und das Ablegen einer Prüfung – was Zeit und Geld kostet. „Nur um eine nicht zeitgemäße Regelung einzuhalten. Es gibt sogar Unterschiede hinsichtlich des Gewerbescheins, ob eine Flasche geöffnet oder ungeöffnet verkauft wird.“

Vorschrift ist Vorschrift. Die Hürden und Vorschriften von öffentlicher Seite seien in den vergangenen Jahren auf einen Level angewachsen, der nur schwer bewältigbar sei. Beispiel Lebensmittelkennzeichnungspflicht: „Auch wir als kleiner Anbieter müssen für die Allergenkennzeichnung sorgen, zum Beispiel Gerstenmalz bei Bier.“ So mussten alle Etiketten neu gemacht werden, ebenso waren eine Schulung und eine neue Datenbank notwendig. „Es gibt Kennzeichnungspflichten, die jährlich adaptiert werden, und selbst von Interessenvertretungen bekommt man dazu teilweise keine konkreten Aussagen. Wenn sich laufend etwas ändert, aber niemand weiß genau, was, dann ist das sehr mühsam“, so Simon. Auch die Registrierkassenpflicht erleichtert das Unternehmerdasein nicht gerade. „Wir brauchen für jede verkaufte Flasche einen Registrierkassenbon. Was für ein Aufwand, wenn man ein Produkt um EUR 2–3 verkauft! Das alles sind Investitionen von ein paar tausend Euro, die man laufend zusätzlich finanzieren muss. Dieses Geld wäre oft woanders besser eingesetzt.“

Teuer, aber vorteilhaft: die GmbH. Während im Vorjahr 80,5 % der Neugründungen laut WKO als Einzelunternehmen erfolgten, ist die zweitbeliebteste Rechtsform mit 12,9 % die GmbH. Die ist zwar mit EUR 35.000 Stammkapital in Österreich kapitalintensiv. Zudem braucht man für den Gesellschaftsvertrag einen Notar, was häufig kritisiert wird. „Die WKO könnte auf die Notariatsaktspflicht verzichten. Dennoch rate ich jedem, den Gesellschaftsvertrag mit Rechtsexperten genau anzusehen“, so Mag. Elisabeth Zehetner-Piewald, WKO-Bundesgeschäftsführerin des Gründerservice. Doch in vielen Fällen kommen Start-ups nicht um die GmbH herum, gerade wegen Haftungsbeschränkungen. „Die Rechtsform als GmbH war schnell klar, da wir mit Partnern zusammenarbeiten, die größer sind, z. B. Supermarktketten. Als unbekanntes Produkt wollten wir Sicherheit und Transparenz bieten. Aber auch für die Einholung von Kapital war die GmbH von Vorteil. Und: Ich will nicht für alles gleich eine persönliche Haftung. Wegen dieser Risikoaufteilung auf mehrere Gesellschafter sind wir auch kein Einzelunternehmen“, so der Nixe-Gründer.

Fairer Steuersatz. Auch das Start-up ReGreen entschied sich zur GmbH-Gründung. Die drei 18- bis 19-jährigen Gründer haben eine Online-Plattform entwickelt, auf der Private und Unternehmen ihren CO2-Verbrauch fürs Auto oder Motorrad berechnen und durch internationale und nationale Projekte wie Waldaufforstungen oder Naturschutzprojekte kompensieren können. 300.000 Kilometer wurden seit der Gründung im Vorjahr bereits kompensiert, und mit dem Bio-Fairtrade-Getränkehersteller „All I need“ ist auch schon der erste Unternehmenskunde an Bord, der dank des Start-ups CO2-neutral wird. „Unser Ziel ist Non-Profit. Dennoch wollten wir nachhaltige steuerliche und rechtliche Strukturen, wo wir etwaige Überschüsse drinnenlassen können. Die GmbH hat zudem einen sehr fairen Steuersatz“, sagt Christoph Rebernig, einer der ReGreen-Gründer. Die CO2-Kompensation gilt dabei rechtlich nicht als Spende, sondern als verkauftes Produkt, weshalb die Rechtsform eines Vereins, der Mitgliedsbeiträge einhebt, nicht infrage kommt.

Ohne Crowd geht’s kaum. Die erforderlichen Finanzmittel stammen bei ReGreen von einem Business Angel, der zugleich Mentor ist, und weiteren Investoren aus dem Familien- und Freundeskreis. Auch Nixe holte sich eine Finanzspritze über die Crowd. Dank der Crowdinvesting-Plattform Conda und der Plus4-Show „2 Minuten, 2 Millionen“ wurden EUR 250.000 eingesammelt – das damalige Maximum. Das neue Alternativfinanzierungsgesetz wird daher positiv aufgenommen, denn Start-ups können seither bis zu EUR 1,5 Mio. per Schwarmfinanzierung sammeln: „Als wir vor dreieinhalb Jahren gegründet haben, konnten wir beim Crowdfunding nur kleine Beträge aufnehmen, das ist jetzt einfacher. Der nächste Schritt wäre ein Investitionsfreibetrag für Business Angels“, sagt Simon. In dieselbe Kerbe schlägt auch die Gründerservice-Bundesgeschäftsführerin: „Wir fordern seit Jahren den Beteiligungsfreibetrag, bei dem Private sich über fünf Jahre mit EUR 10.000 pro Jahr an Unternehmen beteiligen können – anstatt das Geld auf Null- oder Minus-Zins-Sparbücher zu legen.“ Man müsse einen Anreiz bieten, warum Private ihr Geld in Unternehmen investieren sollen.
 
Schwieriges Thema Kredit. Ohne alternative Finanzierungsmodelle scheint es nicht mehr zu gehen. Unternehmerkredit gibt es für Nixe jedenfalls nicht: „Zu unserer Bank haben wir ein sehr gutes Verhältnis, wir werden z. B. bei Getränken für Events berücksichtigt. Leider ist es aber nicht so, dass wir einen klassischen Bankkredit bekommen würden“, so Simon. Er wünscht sich, dass auch Start-ups einen einfacheren Zugang zu Fremdkapital bekommen. „Denn sie haben das größte Risiko, bekommen aber keine Unterstützung. Einen teuren, kleinen Konsumkredit mit voller persönlicher Haftung bekommt man schnell. Doch einen Kredit zu 100 % zu besichern, darin sehe ich keinen Vorteil.“ Leider seien den Banken die Hände gebunden. „Die Sicherheiten, die von Banken verlangt werden (müssen), machen es schwierig. Dadurch wird aber auch das System der Risikofinanzierung ad absurdum geführt“, sagt Zehetner-Piewald. Eine Förderung der Wiener Wirtschaftsagentur gab es für Nixe übrigens auch nicht – „rückwirkend wegen eines Formalfehlers, wir hatten zu wenig Geld ausgegeben“, so Simon. Wochenlang habe man an der Einreichung gearbeitet, viel Aufwand für nichts.
 
Überregulierung. Es sei weniger die Gründung selbst, die schwierig sei, sagt auch die Gründerservice-Bundesgeschäftsführerin. „Regulatorien überfluten Unternehmer regelrecht.“ Wie kürzlich der Fall eines Betriebs, der keinen zusätzlichen Mitarbeiter aufnehmen konnte – nur weil der Raum fünf Zentimeter zu klein war. Simon: „Wir wollen nur ein wirklich gutes Bier verkaufen. Ich würde mir wünschen, viel mehr Zeit mit dem Produkt, dem Kundennutzen verbringen zu können und weniger mit Dokumentation, bürokratischen Themen oder wie viele Belege wie verbucht werden müssen.“
 
Autor: Sonja Tautermann

Infos für Gründer
Beratung der WKO: www.gruenderservice.at
Rechtsform-Ratgeber: http://rechtsform.wkoratgeber.at 

Die Schritte zur Gründung
  1. Idee: Egal, ob es sich dabei um ein innovatives neues Produkt handelt oder um eine Betriebsübernahme, zu Beginn jeder Gründung steht eine Idee. Überlegen Sie sich: Haben Sie das nötige Fachwissen, kennen Sie Ihren Mitbewerb, Ihre Zielgruppe, und haben Sie eine Unternehmerpersönlichkeit?
     
  2. Beratung & Businessplan: Holen Sie Expertenwissen ein, um die Marktchancen Ihrer Idee abzuklären. Welcher Standort ist geeignet und welche Rechtsform? Zu welchem Preis wollen Sie Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung verkaufen, und wie wollen Sie Werbung dafür machen? Erstellen Sie einen Businessplan. Weiters zu bedenken: Brauchen Sie eine Betriebsstätte und dafür eine Genehmigung, ist eine Gewerbeberechtigung erforderlich? Was ist hinsichtlich Steuern, Buchhaltung und Sozialversicherung zu beachten? Das Gründerservice der WKO ist hier ein guter Ansprechpartner.
     
  3. Finanzierung. Die Kapitalbedarfsplanung ist essenziell. Welche betrieblichen Kosten fallen an? Werden Maschinen oder Material benötigt? Fallen Mietkosten an? Je nach Rechtsform benötigen Sie zudem mehr oder weniger Kapital. Für eine GmbH sind beispielsweise EUR 35.000 Stammkapital erforderlich (davon mindestens EUR 10.000 zu Beginn), dazu kommen weitere Kosten für den Notar, den Eintrag ins Firmenbuch usw. Wie viel eigenes Geld steht zur Verfügung, und wer könnte sich an Ihrem Unternehmen beteiligen? Ist eine Finanzierung durch die Bank möglich? Auch mögliche Förderungen sollten bereits vor der Gründung abgeklärt werden.
     
  4. Absicherung: Welche möglichen Risiken gilt es zu beachten – von möglichen Betriebsausfällen bis hin zu Haftungsfragen? Vieles lässt sich absichern. Denken Sie auch an Ihre eigene Absicherung (Arbeitslosigkeit, Altersvorsorge usw.).
     
  5. Gründung. Je nach Rechtsform stehen nun unterschiedliche Amtswege an. Brauchen Sie eine Gewerbeberechtigung, und können Sie eventuell die Neugründungsförderung (NEUFÖG) in Anspruch nehmen? Während etwa ein Einzelunternehmen recht rasch gegründet werden kann und die Eintragung ins Firmenbuch fakultativ ist, ist der Notariatsakt samt Firmenbucheintrag bei einer GmbH-Gründung obligatorisch. Binnen einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit sind auch die Sozialversicherung und das Finanzamt zu informieren. Und schon sind Sie offiziell Unternehmer.


Diesen und weitere Artikel finden Sie im forum.ksv 2/2016.