Rechtstipp: Unternehmereigenschaft bei Online-Verkäufen

Sachverhalt: Ein Verbraucher kaufte im Fernabsatz eine Armbanduhr. Nach Erhalt der Uhr wollte der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der bulgarische Verkäufer verweigerte dies, da er die Auffassung vertrat, er sei selbst Konsument, weswegen dem Käufer das Recht auf Widerruf der Vertragserklärung ihm gegenüber nicht zustehe; weiters träfen ihn aus demselben Grund verschiedenste Informationspflichten nicht, da diese nur für Gewebetreibende im Fernabsatz gelten. Die zuständige Behörde stellte daraufhin Erhebungen an und stellte fest, dass der Verkäufer insgesamt acht Anzeigen über den Verkauf unterschiedlicher Sachen geschalten hatte. Die Behörde wertete den Verkäufer daher als Gewerbetreibenden und nicht als Konsumenten. Sie verhängte daraufhin mehrere Strafen gegen ihn, weil er ihrer Ansicht nach unterschiedliche Informationspflichten gegenüber dem Käufer nicht erfüllt hat. Das vom Verkäufer angerufene Kreisgericht hob die Strafen auf, die Behörde bekämpfte wiederum diese Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht, welches die Sache dem EuGH zum Vorabentscheid vorlegte. Dabei begehrte es vom EuGH die Beantwortung der Frage, ob in einer Situation wie dieser, in der eine natürliche Person im Internet eine Reihe von Anzeigen über den Verkauf verschiedener Waren mit erheblichem Wert schaltet, diese Person die Eigenschaft eines Unternehmers im Sinne der Richtlinie 2005/29 zukommt.

Onlineshop

 

Entscheidung: Der EuGH befasste sich in diesem Zusammenhang erstmals mit der Abgrenzung von Konsumenten und Unternehmern. Konsumentenschutzrechte wie das Widerrufsrecht oder umfassende Informationsrechte stehen einem Konsumenten grundsätzlich nur dann zu, wenn sein Vertragspartner ein Unternehmer ist (zB § 1 KSchG, § 1 FAGG). Dies wird durch das Kräfteungleichgewicht begründet, welches zwischen Konsumenten und Unternehmern regelmäßig gegeben ist. Ist der Verkäufer selbst ein Verbraucher, sind diese Bestimmungen nicht anwendbar. Vor allem aber für den Verkäufer ist die Abgrenzung gravierend: So drohen bei Vernachlässigung der umfassenden Informationspflichten Verwaltungsstrafen, und der Vertragspartner kann bis zu ein Jahr lang vom Vertrag zurücktreten (§ 12 FAGG). Weiters setzt sich der Verkäufer ggf Unterlassungsansprüchen von Konsumentenschutzverbänden oder Mitbewerbern aus.

Grundsätzlich ist der Begriff „Unternehmer“ laut EuGH weit auszulegen. Dabei betont er, dass es sich bei der Abgrenzung immer um eine Entscheidung im Einzelfall handelt, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Verkäufer planmäßig handelt, ob mit dem Verkauf Erwerbszwecken nachgegangen wird, ob der Verkäufer über Informationen oder technische Fähigkeiten hinsichtlich der von ihm zum Verkauf angebotenen Waren verfügt, sodass er sich gegenüber diesem Verbraucher in einer vorteilhafteren Position befindet, ob der Verkäufer eine Rechtsform hat, die ihm die Vornahme von Handelsgeschäften erlaubt, und in welchem Ausmaß der Online-Verkauf mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Verkäufers zusammenhängt, ob der Verkäufer mehrwertsteuerpflichtig ist, ob der Verkäufer im eigenen Namen auftritt, ob der Verkäufer neue oder gebrauchte Waren zum Zweck des Wiederverkaufs erwirbt und dieser Tätigkeit auf diese Weise eine gewisse Regelmäßigkeit, Häufigkeit und/oder Gleichzeitigkeit im Verhältnis zu seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit verleiht und ob die zum Verkauf gestellten Waren alle gleichartig sind.

Diese Kriterien sind laut EuGH weder abschließend noch ausschließlich. Die Tatsache, dass einige der Kriterien erfüllt sind, hat nicht automatisch zur Folge, dass die Unternehmereigenschaft gegeben ist. Im Gegenteil muss sich dies aus der Gesamtbetrachtung ergeben. Der EuGH hat daher klar erkennen lassen, dass alleine die Tatsache, dass der Verkäufer mehrere Verkaufsanzeigen geschalten hat, nicht ausreicht, um eine Unternehmereigenschaft zu begründen.

EuGH 4.10.2018, C-105/17