Bilderbuch-Pleiten: Die Konsum Insolvenz

Autor: Christoph Vavrik, KSV1870 Insolvenzexperte

Bilderbuch-Pleiten: Spektakuläre Insolvenzfälle

Ein verspäteter Aprilscherz? Nein, eine Insolvenz! Anfang April 1995 hatte eine Insolvenzexpertin des KSV1870 ganze Kartons voller Namen und Adressen zu verstauen. Berge von Ordnern, die Daten von Tausenden Lieferanten und Gläubigern von einem von Österreichs größten Arbeitgebern, dem Handelskonzern Konsum enthielten. Es war der Beginn einer Insolvenz der Superlative – die erste in Österreich, die auch in Euro ausgedrückt die Milliardengrenze überschritt und mit konsolidierten Verbindlichkeiten von rund 21 Milliarden Schilling oder 1,5 Milliarden Euro bis zur Causa Alpine die größte Insolvenz der Zweiten Republik. 
 

Der „rote Riese“ wackelt

Ihre Wurzeln hatte der „rote Riese“ Konsum in der Arbeiterbewegung: Im 19. Jahrhundert wollten Arbeiter durch die Gründung des ersten Konsumvereins in Niederösterreich die negativen Auswirkungen aus Preissteigerungen und Inflation bei Grundnahrungsmitteln abfedern. Als ein Kind der Sozialdemokratie, gerieten die Konsumgenossenschaften im Ständestaat der 1930er Jahre im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss – nach dem Krieg begann der Aufstieg unter den Fittichen der Gewerkschaften zum weit verzweigten Handelskonzern, der dann weit mehr als nur Lebensmittel im Angebot hatte.

Ausgleich der Superlative

Bei der Pleite hatte Konsum über 17.000 Mitarbeiter, mehr als 1.000 Standorte – und vor allem rund 700.000 Genossenschafter, viele von ihnen Pensionisten, die im Falle eines Konkurses Geld hätten nachschießen müssen. Deswegen wurde das Unternehmen in ein Ausgleichsverfahren geschickt. De facto wurde Konsum durch Verkauf der Filialen und Töchter wohl liquidiert; de jure allerdings nicht, denn das Unternehmen behielt drei Verkaufsgeschäfte auf Wiener Bahnhöfen und lebt so bis heute fort – etwa in Form des Okay-Marktes am Wiener Westbahnhof.

KSV1870 Insolvenzexperte Christoph Vavrik

"Mit einer Quotenzahlung von 51 % endete die `Pleiten aller Pleiten` auch für die Lieferanten mit einem blauen Auge." Christoph Vavrik

Einmalig hohe Quote

Nicht nur Hunderttausende von kleinen Genossenschaftern konnten so aufatmen; mit einer durchgerechneten Quotenzahlung von 51 Prozent endete diese „Pleite aller Pleiten“ auch für die Lieferanten mit einem blauen Auge. Der Ausgleich hat es auch ermöglicht, dass für Konsum Österreich werthaltige Verträge aufrecht geblieben sind und an neue Eigentümer übertragen werden konnten. Forderungsausfälle waren aber angesichts des Schuldenbergs dennoch unvermeidlich: Die Verbindlichkeiten gegenüber Drittgläubigern betrugen rund 21,1 Milliarden Schilling – dazu kamen weitere rund fünf Milliarden Schilling an internen Verbindlichkeiten der einzelnen Gruppenmitglieder.

Feuerprobe für den KSV1870

Der KSV1870 meldete im Fall Konsum mehr als 22.000 Gläubigerforderungen an. Zum Vergleich: das entsprach damals etwa einer gesamten Jahresplanleistung. Dass dieses unglaubliche zusätzliche Arbeitspensum bewerkstelligt und der Fall letztlich erfolgreich zu den Akten gelegt werden konnte, war eine wahre Meisterleistung. Im Durchschnitt erhielten die Gläubiger 51 Prozent ihrer offenen Forderungen abgedeckt; eine einmalig hohe Quote für eine Großinsolvenz, nicht nur in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte – und mitunter sicher auch das Verdienst der Arbeit der KSV1870-Experten.

Gerichte zeigen sich gnädig

ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch und Anton Benya, AK-Präsident Herbert Tumpel, Eugen Hunziker, Chef des Schweizer Handelsriesen und Konsum-Opfers Migros: Im Konsum-Prozess wurden prominente Zeugen befragt. Allerdings nur für Ex-General Hermann Gerharter endete der Fall nicht so glimpflich: Denn er hatte vor Beantragung des Ausgleiches sein Haus auf Frau und Tochter überschrieben und sich eine größere Summe von Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner in einem Plastiksackerl übergeben lassen – ob in einem Sackerl mit oder ohne Konsum-Logo, ist nicht überliefert.

Eine Ära ging zu Ende

Zweifellos war die Konsum-Pleite auch durch den Beitritt Österreichs zum Europäischen Wirtschaftsraum und den damit ausgerufenen Wettbewerb vor allem im Bereich von Lebensmitteln noch befeuert worden. Die eigentliche Ursache jedoch waren politisch gefärbte Funktionäre und ein nach politischen Überzeugungen geführtes Großunternehmen. In gewisser Weise war Konsum damit nichts als eine weitere Privatisierung – eine äußerst schmerzhafte wohlgemerkt, wie letztlich auch jene der Bawag selbst, die ja dereinst zu 30 Prozent Konsum gehört hatte. 

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