Insolvenzentwicklung zum 1. Halbjahr 2021

Firmenpleiten in den ersten sechs Monaten weiter im Sinkflug

Hochrechnung: Neben der Zahl der Unternehmensinsolvenzen sind im ersten Halbjahr 2021 auch die Passiva massiv rückläufig. 

KSV1870 Insolvenzstatistik 1. Halbjahr 2021 HR Infografik
Infografik zum Download: PDF ABF I PDF SSP I Web                                                                         


Wien, 15.06.2021 – Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2021 um rund 48 % auf 1.000 Pleiten im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Das bedeutet zugleich den niedrigsten Wert an Firmenpleiten seit über 40 Jahren. Gegenüber dem Jahr 2019, dem bis dato letzten „Normaljahr“, beträgt das Minus sogar 61 %. Gleichzeitig sind die geschätzten Verbindlichkeiten überproportional stark um rund 79 % auf 365 Millionen Euro zurückgegangen. Ebenfalls rückläufig entwickelt hat sich die Zahl der betroffenen Dienstnehmer, die auf 3.400 (- 66,7 %) gesunken ist. Zudem müssen sich 6.400 Gläubiger mit einer Insolvenz eines Geschäftspartners auseinandersetzen – das sind um knapp drei Viertel weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. 

„Seit Beginn des 1. Lockdowns vor über 15 Monaten gibt es pro Woche rund um die Hälfte weniger Unternehmensinsolvenzen als vor der Krise – und das in Zeiten der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Dabei verzeichnet die Bauwirtschaft mit 29 % weniger Pleiten den geringsten Rückgang seit Ausbruch der Pandemie, obwohl es dieser Branche trotz allem gut geht. Weiters: Während die Situation im Handel (- 53 %) den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht, verzeichnet die Gastronomie einen Rückgang von 59 %. Das entspricht nicht den tatsächlichen Umständen, zumal diese Branche mit am stärksten von der Krise betroffen ist – ebenso die körpernahen Dienstleister mit minus 55 %.

KSV1870 Unternehmensinsolvenzen 1. Halbjahr 2021 HR Tabelle


„Safety-Car-Phase“ verzögert Gesundung der Wirtschaft

Verantwortlich für die anhaltend niedrigen Insolvenzzahlen sind die künstlichen Eingriffe der Bundesregierung, dank dieser sich zahlreiche Unternehmen in einer trügerischen Sicherheit wähnen. Zwar geht vorübergehend die Zahl der Insolvenzen zurück, gleichzeitig vergrößert sich jedoch der Schuldenberg der Betriebe fortlaufend. Und an dieser Konstellation wird sich aufgrund der angekündigten „Safety-Car-Phase“ für Steuerschulden, die ab kommenden Juli für drei Monate geplant ist, vorläufig wenig ändern. Denn dadurch verlängert sich für Unternehmen nur die Möglichkeit, die Rückzahlung ihrer Schulden hinauszuzögern. „Um den Schaden für Österreichs Wirtschaft nicht weiter in die Höhe zu treiben, sollte die Regierung die Gießkanne beiseite stellen und die finanzielle Unterstützung von Firmen beenden, die nach Ende der Hilfsmaßnahmen ohnehin in die Insolvenz schlittern werden. Viel besser wäre es, jene Betriebe gezielt mit Liquidität zu stärken, die eine reelle Überlebenschance haben – etwa im Rahmen einer Sanierung“, erklärt Götze.

=> Pressemeldung Insolvenzstatistik Unternehmen 1. Halbjahr 2021 HR


 

Privatkonkurse sind leicht gesunken 

Die anhaltend niedrigen Zahlen lassen auch darauf hindeuten, dass Schuldner die Umsetzung der kommenden Insolvenznovelle abwarten, um sich leichter zu entschulden.  

Wien, 15.06.2021 – Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung ist die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren im ersten Halbjahr 2021 um rund 4 % auf 3.250 Fälle gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Im Vergleich zum bis dato letzten „normalen“ Jahr 2019 fällt die Entwicklung mit einem Minus von knapp über 41 % weitaus deutlicher aus. Gleichzeitig haben sich in den ersten sechs Monaten 2021 auch die Passiva um circa 15 % auf 385 Mio. Euro reduziert. Aufgrund der Entwicklung der vergangenen Monate scheint es so, als ob Schuldner auf die bevorstehende Umsetzung der Insolvenznovelle warten, um sich dann innerhalb von drei Jahren (bisher 5 Jahre) ihrer Schulden zu entledigen.

Seit Beginn des 1. Lockdowns in Österreich ist die Zahl der Privatkonkurse um rund 30 % gesunken. „Eines zeigen die aktuellen Insolvenzzahlen bei den Privaten deutlich. Die Corona-Krise ist auch über ein Jahr nach ihrem Ausbruch kein Insolvenzbeschleuniger für Private“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Nachdem sich private Schulden erfahrungsgemäß eher über Jahre hinweg aufbauen und häufig insbesondere auf „Persönliches Verschulden“, wie übermäßigen Konsum, zurückzuführen sind, ist auch weiterhin aufgrund der Pandemie nicht mit dramatisch mehr Privatkonkursen zu rechnen. Ändern könnte dies jedoch die Exekutionsnovelle, die ab 1. Juli 2021 in Kraft treten wird. Und zwar dann, wenn der Privatschuldner von Amts wegen für zahlungsunfähig erklärt wird. In diesem Fall können dann sowohl Gläubiger wie auch Schuldner dessen Privatinsolvenz beantragen, um diverse Fristen nicht untätig verstreichen zu lassen.

KSV1870 Privatinsolvenzen 1. Halbjahr 2021 HR Tabelle

Unterschiede in den Bundesländern

Während die Zahl der Privatkonkurse in Österreich im 1. Halbjahr 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig ist, gibt es in den einzelnen Bundesländern teils gravierende Unterschiede. Salzburg verzeichnet mit einem Minus von über 40 % den größten Rückgang, während Vorarlberg ein Plus von knapp 20 % verzeichnet. Eine ähnliche Situation bei den geschätzten Passiva: Einem Rückgang von etwas über 42 % in Salzburg steht ein Zuwachs von über 62 % in Vorarlberg gegenüber. Zudem verzeichnet mit dem Burgenland (+ 50 %) ein weiteres Bundesland deutlich höhere Passiva.

=> Insolvenzstatistik Private 1. Halbjahr 2021 HR

=> Stream zur Pressekonferenz 1. Halbjahr 2021 vom 15. Juni 2021