Viel besprochen, wenig gelöst

Genervt von langweiligen, unproduktiven Meetings? Drei Experten verraten, wie Meetings wieder effizienter werden, warum es Spielregeln für alle geben muss und welche Verantwortung der Moderator der Sitzung hat.
 
Unnötig. Unproduktiv. Zeitraubend: So werden Meetings meist beschrieben. Rund 15 % der Arbeitszeit der gesamten Belegschaft entfallen auf Meetings. Ein Wert, der seit 2008 stetig steigt, wie eine Studie von Bain & Company zeigt. Untersucht wurde das Zeitmanagement von 17 Konzernen. Die Sitzungen des Top-Managements summieren sich demnach zum Teil auf 7.000 Stunden pro Jahr. Werden vorbereitende Besprechungen und Folgemeetings hinzuaddiert, fallen insgesamt 300.000 Stunden an. Besonders strapaziert wird das Zeitbudget von Führungskräften. Sie halten sich durchschnittlich rund zwei Tage pro Woche in Sitzungen mit mehr als drei Teilnehmern auf. Bis zu einem Drittel der Zeit von Meetings wird als unproduktiv erlebt. Weniger als ein Drittel der Teilnehmer bereitet sich konsequent auf Meetings vor, in 70 % der Fälle wird nicht überprüft, ob die Ergebnisse umgesetzt werden.
 
Einen Rahmen schaffen. Die Gründe für die ineffiziente Meetingkultur liegen auf der Hand: keine Agenda und inhaltliche Leitung, ausufernde Wortbeiträge, Selbstdarsteller. „In den meisten Unternehmen fehlt der Rahmen, das Ziel, und es gibt keinen Moderator. Das erzeugt viel Frust bei den Teilnehmern, weil sie merken, dass keine Linie drin ist“, bestätigt Managementexpertin Gabriele Cerwinka. Sie rät, vorab zu klären, ob es um ein Ergebnis, einen Informationsaustausch, um ein Brainstorming oder um eine Verhandlung geht. „Alle sollten wissen, wie viel Zeit anberaumt ist und welches Ergebnis am Ende stehen soll.“
 
Spielregeln für alle. Als Grundregel gilt: Kein Meeting ohne Moderator. „Und zwar ein Moderator, der in dieser Funktion auch anerkannt ist“, betont Cerwinka. Schließlich muss er auch Vielredner oder Selbstdarsteller zeitlich in die Schranken weisen. „Die Spielregeln müssen für alle gelten“, sagt Cerwinka und warnt vor taktischen Spielchen. „Alle bekommen die gleiche Redezeit – und zwar unabhängig von der Hierarchie.“ Ebenfalls entscheidend ist eine gute Vorbereitung. Alle Teilnehmer müssen über das Thema Bescheid wissen. Jene Kollegen, die etwas präsentieren, bereiten diese Informationen auch schriftlich auf. Diese Zusammenfassung wird allen Teilnehmern ausgehändigt. „Überall dort, wo es eine schriftliche Aufbereitung gibt, laufen Meetings effizienter ab“, weiß Cerwinka. Über die Effizienz entscheidet aber auch die Gruppengröße. „Mit bis zu neun Teilnehmern kann man optimal arbeiten“, sagt Cerwinka. „Jeder kann sich einbringen, ohne dass die Wortbeiträge zeitlich ausufern.“ Größere Runden sollten in Arbeitsgruppen aufgeteilt werden. Viel Fingerspitzengefühl ist gefragt, wenn ein Teil des Meetings nur noch für eine bestimmte Gruppe weitergeht. „Es ist oft heikel und bedarf einer offenen Kommunikation, wenn nur noch ein Teil der Gruppe im Sinne der Effizienz an weiterführenden Meetings teilnimmt“, sagt Cerwinka. „Die anderen dürfen nicht das Gefühl haben, dass dann geheime Dinge besprochen werden.“
 
Zeitpläne definieren. Kommunikationsstrategin Ricki Weiss betreut heimische Traditionsunternehmen genauso wie international agierende Konzerne – und sitzt folglich des Öfteren in Meetings. Für sie sind Pünktlichkeit, Vorbereitung und eine klare Prioritätensetzung der Schlüssel zu einer disziplinierten Meetingkultur. „Eine sinnvoll gestaltete Teilnehmerliste ist ein Gebot der Höflichkeit, niemand sitzt gerne in Meetings, die ihn inhaltlich nicht betreffen“, sagt Weiss. „Wichtig ist auch, stets konkret zu verbleiben. Das bedeutet Aufgaben zusammenfassen und Zuständigkeiten sowie Zeitpläne klar definieren. Nur so werden ein produktives Ergebnis und Nachhaltigkeit sichergestellt.“ Das bestätigt Gabriele Cerwinka: „Ergebnisse müssen immer in einem Protokoll festgehalten werden, das zeitnah zu publizieren ist, damit die Ergebnisse rasch umgesetzt werden.“
 
Das liebe Handy. Doch die beste Vorbereitung nützt nichts, wenn die Teilnehmer nur mit einem Ohr am Konferenztisch sitzen. In einem der von Bain & Company untersuchten Unternehmen haben 20 % der Konferenzteilnehmer während der Sitzung im Schnitt alle 30 Minuten drei oder mehr E-Mails verschickt. „Auch hier müssen Spielregeln her“, sagt Cerwinka. „Bleibt das Handy an, weil ein Rückruf erwartet wird, ist das okay. Was aber nicht geht: dass ununterbrochen draufgeschaut wird oder Mails gecheckt werden. Ich kenne auch Unternehmen, wo es ein Handyverbot in Meetings gibt. Das ist immer von der Unternehmenskultur abhängig.“
 
Später kommen – früher gehen? Bleibt noch die Frage, wie man mit notorischen Zuspätkommern umgeht. „Eventuelles Zuspätkommen oder vorzeitiges Gehen sollte bereits vor dem Meeting bekannt gegeben werden“, sagt Ricki Weiss. „Idealerweise wird vom Gesprächsleiter zu Beginn darauf hingewiesen – es herrscht für alle Teilnehmer Klarheit, und spätere Störungen werden eher toleriert.“ Gabriele Cerwinka appelliert an die Vorbildfunktion des Moderators. Er muss pünktlich sein. „Wer zu spät kommt, muss sich in Eigenverantwortung die fehlenden Informationen holen.“
 
Meetings sind Theaterbühne. Wer hat das Machtwort? Doch lassen sich Meetings wirklich mit Hilfe von Regeln effizienter gestalten? Lars Vollmer, Autor des Buches „Zurück an die Arbeit! – Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden“, hat seine Zweifel. „Natürlich gibt es Möglichkeiten, Meetings erträglicher zu gestalten – aber nur in homöopathischer Dosis.“ Meetingregeln hält er für Kasperltheater: „Meetings sind eine Theaterbühne. Es geht weniger darum, tatsächlich Zusammenarbeit zu organisieren, sondern vielmehr darum, Hierarchien deutlich zu machen: Wer begrüßt wen? Wer hat das Machtwort? Wer ist für was zuständig? Und: Wenn die Organisationsstruktur mit der Dynamik des Marktes nicht zurechtkommt, gibt es immer mehr Meetings.“
 
Probleme auch lösen. Meetings einfach abzuschaffen ist freilich auch keine Lösung. Laut Vollmer muss eher an der Organisationsstruktur gefeilt werden. Das heißt: Wie muss ich beispielsweise eine Gruppe organisieren, damit sie ein Problem, das von außen kommt, lösen kann? „Erst wenn Sie alle Beschränkungen der natürlichen Vernetzung innerhalb der Organisation beseitigt haben, wird sie so gesund sein, dass niemand mehr ein Bedürfnis nach Meetings verspürt.“

Text: Theresa Berger



Diesen und andere spannende Artikel finden Sie in der Ausgabe forum.ksv 4/2016.