2022: Österreich auf der „Comeback Stage“?

Die Krise ist noch nicht überwunden, aber die Zeichen für dieses Jahr stehen gut. Die großen Megatrends sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wer darauf setzt, hat gute Chancen für die Zukunft.

Text: Stephan Scoppetta

Am 22. November 2021 war es wieder so weit: Aufgrund der hohen Infektionszahlen ging das ganze Land einmal mehr in einen Lockdown. Innerhalb von 20 Monaten wurde das Land zum vierten Mal „komplett“ geschlossen. Ein harter Schlag für die österreichische Wirtschaft. Schon bisher hat die Pandemie laut Finanzministerium beachtliche 41,3 Milliarden Euro an Corona-Hilfen gekostet, und nun kommen weitere Kosten hinzu: Laut Berechnungen des Wifo und des Instituts für Höhere Studien (IHS) verbrennen harte Lockdowns im Schnitt rund eine Milliarde Euro pro Woche.

Ohne Lockdown wäre der Schaden noch größer.

Auch wenn es in den vergangenen Wochen oft gefordert wurde, kein Lockdown wäre auch aus wirtschaftlicher Sicht keine Lösung. Monika Köppl-Turyna, Ökonomin und Direktorin von Eco Austria, meinte dazu in der „Wiener Zeitung“: „Die langfristigen wirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Schäden einer unkontrollierten Durchseuchung können wir noch gar nicht einschätzen, aber sie wären massiv. Wenn man nämlich gar nichts macht, muss man neben den gesundheitlichen und psychischen Folgen mit Krankenständen, steigenden Gesundheitskosten, den Folgen von Long-Covid und damit einhergehender langfristiger Arbeitsunfähigkeit rechnen. Zudem wären auch weiterhin Reisewarnungen die Folge.“

Flexibilität ist Trumpf.

Die Corona-Krise war eine echte Zäsur und hat uns alle vor neue Herausforderungen gestellt. Schnell wurden auch bestehende Geschäftsmodelle und Strategien auf den Prüfstand gestellt. Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich: „Erfolgreich durch die Krise gekommen sind besonders jene Unternehmen, die rasch eine Antwort auf diese neuen Herausforderungen gefunden haben – für sich selbst und für ihre Kunden. Diese Unternehmen zeichnet vor allem aus, dass sie agil sind, einen hohen Digitalisierungsgrad aufweisen und eine neue, gesteigerte Nachfrage in verschiedenen Bereichen gut bedienen.“ Es traten besonders Unternehmen aus den Bereichen Healthcare, E-Commerce oder Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund.

In den Startlöchern.

Trotz Pandemie gibt es einen Silberstreif am Horizont. Haas: „Viele Start-ups und KMU haben die Krise als ‚Startrampe‘ genutzt und geholfen, die großen Herausforderungen rund um Gesundheit und Digitalisierung zu meistern. Sowohl bei vielen KMU als auch bei Start-ups ist der Optimismus nach einem Tiefpunkt Ende 2020 im Jahr 2021 wieder gestiegen.“ Viele Unternehmen haben sich transformiert und ihre Geschäftsmodelle insbesondere in Richtung Nachhaltigkeit und Digitalisierung weiterentwickelt oder neu aufgesetzt.

Junge Unternehmen als Vorreiter.

„Sie sind schneller und flexibler als andere Unternehmen, damit profitieren sie überdurchschnittlich von dynamischen, schwierigen und unsicheren Zeiten, wie wir sie auch weiterhin erleben werden“, erklärt Bernhard Lehner, Vorstand und Co-Founder der startup300 AG, und meint damit vor allem Start-ups. In der traditionellen Wirtschaft wird sich aber das Problem einer digitalen Zweiklassengesellschaft weiter verschärfen. Erich Lehner, Managing Partner Markets und Leiter Mittelstand bei EY Österreich: „Während größere Unternehmen digitale Technologien schon sehr stark in ihr Geschäftsmodell integriert haben und darin auch eine große Chance sehen, sind es bei kleineren Unternehmen deutlich weniger. Kleinere Unternehmen dürfen aber nicht auf der Strecke bleiben und müssen den digitalen Sprung wagen, bevor die großen Konkurrenten so weit davonziehen, dass ein Mithalten nur schwer möglich wird.“

Herausforderungen 2022.

Die größte Priorität muss 2022 die Eindämmung der Corona-Krise haben und damit die Vermeidung weiterer Einschnitte oder Einschränkungen wie Lockdowns oder Unterbrechungen von Lieferketten. Haas: „Bei vielen Unternehmen werden der (Wieder-)Aufbau eines Kapitalpolsters und die Sicherung von Liquidität zumindest kurzfristig weiterhin im Mittelpunkt stehen. Mittelfristig gesehen steht bei den meisten Unternehmen die Frage im Fokus, wie sie sich mit gezielten strategischen Weichenstellungen bestmöglich für den wirtschaftlichen Aufschwung positionieren.“ Bernhard Lehner dazu: „Ich rechne damit, dass sich im Jahr 2022 Aufwärtstrends weiter fortsetzen werden. Die Bewertungen von Start-ups und das Investmentvolumen werden weiter steigen, weil international sehr viel Kapital im Markt ist. Ob es einen ‚Start-up-Boom‘ auf breiter Ebene geben wird, das hängt von Maßnahmen der Politik ab, die bereits seit zehn Jahren angekündigt, aber nie umgesetzt wurden.“

Business-Turbos der Zukunft.

Ein wesentlicher Faktor dafür, wie stark der Aufschwung 2022 ausfällt, ist neben dem Konsum natürlich auch die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Gerade im Aufschwung ist der Bedarf nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hoch. Dass die Verantwortlichen von heimischen KMU bei der Befragung im Rahmen des EY-Mittelstandsbarometers sogar mitten im Lockdown Ende 2020 den Fachkräftemangel (57 %) – neben Pandemie (76 %) und Wirtschaftsabschwung (71 %) – als größte Gefahr für das eigene Unternehmen genannt haben, unterstreicht das. Aber die größten Treiber für die Zukunft sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit. EY-Experte Lehner: „Für den Wirtschaftsstandort und dessen Wettbewerbsfähigkeit ist es essenziell, diese Megatrends bestmöglich zu nutzen und im Schulterschluss zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gezielt voranzutreiben.“

 

Sechs Businesstrends als Überlebensstrategie

Trend 1: Nachhaltige Betriebe überleben. Jedes Unternehmen sollte die Umweltkosten seiner Geschäftstätigkeit reduzieren, denn Nachhaltigkeit wird zu einer Überlebensfrage. Ein Unternehmen, das das Thema Nachhaltigkeit ignoriert, hat im Zeitalter des bewussten Konsums keine Zukunftsaussichten.

Trend 2: Ohne Digitalisierung geht’s nicht mehr. Schon vor der Pandemie war der Digitalisierungstrend nicht mehr zu übersehen, aber heute ist Digitalisierung ein Must-have. Wer jetzt nicht mitzieht, zählt morgen zu den Verlierern.

Trend 3: Der „War for Talents“ wird härter. Die Babyboomer-Generation geht in Pension, und guter Nachwuchs im Bereich der Facharbeiter, aber auch der akademischen Berufe – insbesondere der Absolventen der MINT-Fächer – ist rar. Der Kampf um die Talente wird härter, und Unternehmen müssen sich anstrengen, junge und motivierte Mitarbeiter zu finden. Was zählt, ist nicht nur eine gute Bezahlung, sondern auch Image und Themen wie Nachhaltigkeit sind wichtig.

Trend 4: Flachere, agilere Organisationen gewinnen. Die Zeiten der hierarchisch und starr strukturierten Unternehmen sind vorbei. Heute braucht es flache und agile Strukturen, um mit schnell zusammengestellten Teams auf Veränderungen reagieren zu können.

Trend 5: Was zählt, ist Authentizität. Verbraucher wollen heute, dass Unternehmen, Führungskräfte und Marken menschliche Qualitäten wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Empathie, Mitgefühl und sogar Bescheidenheit zeigen. Das darf aber nicht nur ein hohles Marketing-Versprechen sein, sondern muss gelebt werden, sonst ist der Ruf ruiniert.

Trend 6: Kooperativ statt kompetitiv. Stand in den vergangenen Jahrzehnten das Gegeneinander in der Wirtschaft im Vordergrund, so sind es heute die Kooperationen. In Zukunft wird es immer schwieriger werden, ohne wirklich enge Partnerschaften mit anderen Organisationen erfolgreich zu sein.