„Grüne Transformation und Digitalisierung sind Zukunftsthemen“

Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, über die Folgen der Pandemie, Arbeitskräftemangel und die ökosoziale Steuerreform.

Interview: Stephan Scoppetta

IV Interview

Welche Folge hatte die Pandemie für die heimische Wirtschaft?

Christoph Neumayer: Die österreichische Industrie ist gut durch die Krise gekommen und trägt den Aufschwung im Land maßgeblich mit. Der in Österreich entstandene wirtschaftliche Schaden lag jedoch bereits zu Jahresbeginn bei 32,5 Milliarden Euro – daher ist es wichtiger denn je, die heimischen Unternehmen mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu unterstützen. Das gilt naturgemäß angesichts des vierten Lockdowns nochmal besonders.

 

2021 ist die Wirtschaft enorm angesprungen. Hatten wir bis vor dem letzten Lockdown die Corona-Krise bereits hinter uns gelassen?

Ökonomisch gesehen hat die Industrie bereits gegen Ende des ersten Quartals 2021 das Vor-Corona-Krisen-Niveau erreicht. Wie die Ergebnisse der jüngsten IV-Konjunkturumfrage zeigen, wird sich die konjunkturelle Erholung auch – trotz der Covid-Unsicherheiten – im kommenden Jahr fortsetzen. Aber die Unternehmen sehen sich mit enormen Preissteigerungen für Industrierohstoffe und Energie, zum Teil auch mit Verfügbarkeitsengpässen bei Intermediärgütern, insbesondere Halbleitern, konfrontiert. Gerade die massiv gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten erweisen sich zunehmend als Aufschwungsbremse. Die Exportwirtschaft leidet unter den nach wie vor bestehenden Reisebeschränkungen. Und auch der Fachkräftemangel bleibt ein großes Thema.

 

Welche Unternehmen sind gut durch die Krise gekommen?

Unternehmen, die zu den Innovationsführern bei der Digitalisierung zählen, sind besser durch die Krise gekommen.

Digitalisierungsinvestitionen weisen eine Umsatzrentabilität von 45 % auf. Die Studie „Die digitale Dividende“ von Industriellenvereinigung und Accenture belegt zudem, dass stärker digitalisierte Unternehmen zwischen 2016 und 2019 um bis zu 7,2 Prozentpunkte mehr Arbeitsplätze aufbauen konnten als andere Unternehmen. Es zahlt sich daher aus, bei Digitalisierung zu den Besten zu zählen.

 

Was erwarten Sie sich für das Jahr 2022?

Vor allem ambitionierte nationale und europäische Zielsetzungen in der Klimapolitik stellen Industrie und Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Ich bin zuversichtlich, dass der österreichischen Industrie die ökologische Transformation durch Innovation und Technologie gelingen wird. Entscheidend dafür sind jedoch eine kluge Standortpolitik und die richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen.

 

Auf welche großen Herausforderungen sollen sich Unternehmen nun einstellen?

Acht von zehn Industriebetrieben finden kaum qualifizierte Bewerber im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Das mindert Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Auch sind 60 % der österreichischen Betriebe von Cyberattacken unmittelbar betroffen oder laufen Gefahr, in naher Zukunft Opfer einer solchen Digitalattacke zu werden. Infrastruktur und Energie bleiben wichtige Themen. E-Mobilität und Dekarbonisierung bedingen einen höheren Strombedarf. Blackout-Szenarien werden realistischer. Neben Kraftwerksreserven ist daher der Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze wichtig.

 

Die Krise hat auch zahlreiche neue Chancen eröffnet. Wo sehen Sie spannende Lücken, in die heimische Unternehmen nun stoßen können?

Grüne Transformation und Digitalisierung sind Zukunftsthemen, die uns noch lange begleiten werden. Im Rahmen der Technologieoffensive für angewandte Forschung „Tech for Green“ führt die Digitalisierung zu Effizienzsteigerungen und Einsparungen bei Ressourcen, Material und Energie und somit zur Beschleunigung der grünen Transformation.

 

Welche Folgen wird die ökosoziale Steuerreform für den Standort Österreich haben?

Wer eine dekarbonisierte Wirtschaft ohne Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste will, muss auf Innovation und Technologie setzen. Grundsätzlich positiv zu bewerten sind die Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 23 % sowie die Einführung eines Investitionsfreibetrages mit Ökologisierungskomponente. Das stärkt die Investitionstätigkeit der Unternehmen, was innovationsfördernd wirkt und zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien beiträgt.