"Stop-and-Go"-Modus ist Gift für Unternehmen

Die Krisenherde der vergangenen Monate erteilen dem Wirtschaftsaufschwung einen Dämpfer und sorgen in den Betrieben für Unsicherheit.

KSV1870 Infografik Austrian Business Check 2022 Wirtschaftslage
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Wien, 27.04.2022 – Nach einem massiven Anstieg der heimischen Geschäftslage im Vorjahr ist der Aufschwung zuletzt ins Stocken geraten. Während im August 2021 noch 65 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage mit Sehr gut oder Gut bewertet haben, so waren es zuletzt 55 Prozent. Als Hauptgründe werden generelle Preiserhöhungen, steigende Rohstoffpreise und die Inflation genannt. Aber auch politische/militärische Konflikte sorgen zunehmend für Unruhe. Trotzdem erwarten die Betriebe, dass die positive Umsatzentwicklung des Vorjahres auch heuer ihre Fortsetzung finden wird. Besorgniserregend: Zwei Drittel der heimischen Unternehmen ignorieren die steigende Gefahr von Cyber-Attacken und setzen dabei auf den Glücksfaktor. Zu diesen Ergebnissen gelangt der aktuelle Austrian Business Check des KSV1870, an dem rund 1.300 österreichische Unternehmen teilgenommen haben.     

Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden, da rollt mit dem Krieg in der Ukraine und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Auswirkungen schon die nächste Herausforderung auf die heimischen Unternehmen zu: „Die weltweiten Krisen beschäftigen Österreichs Wirtschaft mehr als ihr lieb ist. Bereits vor dem Krieg hatten die Betriebe mit Preisanstiegen, Lieferkettenproblemen und Fachkräftemangel zu kämpfen, jetzt wird ihre wirtschaftliche Stabilität aufgrund der kriegerischen Handlungen ein weiteres Mal auf eine harte Probe gestellt“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG. „Bis jetzt haben die Unternehmen das ständige Auf und Ab der vergangenen zwei Jahre größtenteils gut gemeistert. Auf Sicht kann der anhaltende ‚Stop-and-Go‘-Modus aber zum echten Spielverderber für die Betriebe werden“, so Vybiral weiter. Wie der Austrian Business Check 2022 belegt, hat sich die Geschäftslage der Unternehmen seit August 2021 um zehn Prozentpunkte verschlechtert – aktuell bewerten 55 Prozent der Betriebe die eigene Situation positiv. Die größte Zuversicht versprühen die holzverarbeitende Industrie (75 %), die Bauwirtschaft (72 %) und die elektronische Datenverarbeitung (69 %) – allesamt Branchen, die gut durch die Corona-Krise gekommen sind. Auf Bundesländer-Ebene liegt Vorarlberg auf Platz eins (66 %), das Schlusslicht bildet Wien mit 45 Prozent. 

Statement von Ricardo-José Vybiral

2022: Wenig Entspannung trotz Umsatzplus?

Ausgehend von einem eher niedrigen Umsatzniveau im Jahr 2020 hat knapp die Hälfe der Unternehmen (48 %) im Vorjahr ein Umsatzplus verzeichnet – ein Viertel musste weitere Verluste akzeptieren. Insgesamt scheint sich der jüngste Trend in den kommenden Monaten fortzusetzen: Während in diesem Jahr 43 Prozent steigende Umsätze erwarten, kalkulieren weitere 43 Prozent mit einem maximal gleichbleibenden Ergebnis. 14 Prozent rechnen mit einem Minus. Trotz dieser insgesamt erfreulichen Umsatzentwicklung geht lediglich ein Drittel der Unternehmen (35 %) davon aus, dass sich die generelle Geschäftslage in naher Zukunft nachhaltig verbessern wird. 49 Prozent erwarten keine besondere Veränderung, weitere 
16 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung bis Jahresende. Und das, obwohl 6 von 10 Unternehmen mit der aktuellen Nachfrage zu ihren Produkten und Services zufrieden sind. 

Digitalisierung nicht aufgrund der Corona-Krise

Österreichs Wirtschaft hat in den vergangenen zwei Jahren verstärkt digitalisiert, die Pandemie als Hauptmotiv dafür nennen aber nur 37 Prozent der Betriebe. „Der Grad der Digitalisierung ist in Österreich zuletzt gestiegen. Viele haben das offenbar aus einer intrinsischen Motivation heraus getan, weniger aufgrund einer pandemischen Notwendigkeit. Wenn dem tatsächlich so ist, dann ist das erfreulich und ein gutes Zeichen für den Wirtschaftsstandort“, erklärt Vybiral. Vor allem in Kärnten und Vorarlberg wurden zahlreiche Akzente gesetzt, gleichzeitig haben Jungunternehmer häufiger digitalisiert als etablierte Betriebe. Weiters bestätigen 43 Prozent, dass die Digitalisierung (mit)entscheidend war, um die Corona-Krise aus finanziellen Blickwinkeln zu meistern. 55 Prozent sehen darin nicht den Hauptgrund, für zwei Prozent spielt die Digitalisierung keine Rolle. Für das Jahr 2022 stehen vor allem die Themen „digitale Tools für das daily business“, die Implementierung eines elektronischen Rechnungswesens und die Digitalisierung von Produktions- und Arbeitsprozessen auf der Agenda der Unternehmen ganz oben. 

„Glück auf“: Zwei Drittel ignorieren reale Cyber-Gefahr

Ein besonders alarmierendes Zeichen ist laut Austrian Business Check auch, dass fast zwei Drittel der befragten Unternehmen bestätigen, sich wenig bis gar nicht mit der IT-Sicherheit ihres Betriebes zu befassen. „In einer Zeit, die auch von einer massiv steigenden Zahl an Cyber-Attacken geprägt ist, ist diese Ignoranz nicht nachvollziehbar“, so Vybiral. Demzufolge befassen sich aktuell nur 38 Prozent der österreichischen Unternehmen damit, wie sie ihren Betrieb IT-Security-fit machen können. 36 Prozent tun dies laut eigener Aussage „ein wenig“, 26 Prozent sehen hier keine Notwendigkeit bzw. keinen Handlungsbedarf. Am intensivsten beschäftigen sich Betriebe in Tirol (49 %) und der Branche Chemie/Pharmazie (51 %) damit – wenn man vom Bereich der elektronischen Datenverarbeitung (85 %) einmal absieht. 

Bildungsdefizite und Personalmangel beheben

Die Themen Bildung und Personalmangel sind laut aktueller KSV1870 Umfrage in den Betrieben angekommen. 27 Prozent der Unternehmen planen, die Mitarbeiterzahl im Jahr 2022 zu erhöhen, weitere 67 Prozent wollen diese zumindest halten. Bei der Frage, was sich die Unternehmer seitens der Politik wünschen, um Österreichs Wirtschaft auf dem Weg zur internationalen Spitze zu unterstützen, stand ganz klar das Thema Bildung im Fokus. Die zentralen Punkte sind die Modernisierung des Bildungssystems und die Gestaltung einer Ausbildungsoffensive – mehr Ausbildungslätze in den Betrieben, finanzielle Unterstützung von Ausbildungsbetrieben und die Entstigmatisierung des Lehrberufes sind dabei zentrale Forderungen. „Es gibt einen inhaltlichen Turnaround seitens der Unternehmen, wenn es darum geht, den eigenen Betrieb fit für die Zukunft zu machen. Dabei stehen nicht mehr Steuererleichterungen und der Bürokratieabbau an erster Stelle, sondern die Menschen und ihre Bildung“, erklärt Vybiral. 

Zur Umfrage: Im Rahmen des Austrian Business Check befragt der KSV1870 zweimal pro Jahr Österreichs Unternehmen, wie es um ihre wirtschaftliche Situation bestellt ist. An der aktuellen Umfrage im März 2022, die gemeinsam mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent durchgeführt wurde, haben sich mehr als 1.300 heimische Unternehmen beteiligt. 

=> Pressemeldung zu den Ergebnissen der Austrian Business Check Umfrage des KSV1870 zu Finanzierung und Investitionen.

Die Pressekonferenz in voller Länge.