„Made in Austria“ trotzt der Billigmode

Während Textilriesen in Niedriglohnländern produzieren, etablieren sich heimische Bekleidungshersteller mit Nischenprodukten. Ein breitflächiges Comeback der Textilproduktion in Österreich ist jedoch nicht in Sicht.
 
 
„Billige Kleidung und die sogenannte Billigmode gibt es nicht.“ Diese Aussage von Gert Rücker, Inhaber des steirischen Bekleidungsherstellers JMB Fashion Team, verwundert in Zeiten, wo sogar Lebensmitteldiskonter Shirts, Hosen oder auch Trachten zu absoluten Tiefstpreisen verschleudern. „Was der Konsument zahlt, spiegelt nicht die tatsächlichen Kosten der Produktion wider. Irgendwer zahlt dabei immer drauf – die ausgebeutete Fabrikarbeiterin oder die Umwelt, wenn man die langen Transportwege mitrechnet“, erklärt der Unternehmer.
 
„Sind nicht kopierbar.“
Rücker selbst ist einen völlig anderen Weg gegangen – abseits von Billigstproduktion in Asien und Massenware. Mitten in Rohr bei Feldbach sitzen seine Näherinnen, die Bekleidung für Trachten- und Modelabels wie „Susanne Spatt“ und „Frauenschuh“ oder Corporate Fashion für die Österreichischen Bundesforste fertigen. 22.000 Arbeitsplätze sind in der heimischen Textilproduktion in den vergangenen drei Jahrzehnten laut Rücker verloren gegangen. „Für mich kam es nie infrage, abzuwandern oder den Betrieb zu schließen“, so der Firmenchef. Um zu überleben, suchte er sich Auftraggeber, die auf höchste Qualität und Flexibilität setzen. „Mit unserer Gesamtkompetenz sind wir nicht so einfach kopierbar. Wir bieten alles – von der Schnitterstellung über die Fertigung von Prototypen bis zur Abwicklung der Produktion. Das ist wohl im gesamten deutschsprachigen Raum einzigartig“, erklärt der 66-Jährige.
 
Die Konkurrenz aus Übersee. Dass man bei der Suche nach Bekleidung „made in Austria“ nur mehr in Nischen fündig wird, liegt an der übermächtigen Billigkonkurrenz aus Asien. Dass das Geschäftsmodell dabei nur auf Ausbeutung basieren kann, zeigt folgendes Rechenmodell: Eine Hose, die in Asien für zehn Euro gefertigt wird, wird für rund 25 Cent auf ein Schiff verladen oder um einen Euro per Flugzeug ins Zielland transportiert. Der Großhändler kauft sie vom Hersteller um 26 Euro, dem Endkunden wird sie um 70 Euro angeboten – also zum siebenfachen Preis der Produktionskosten. Nach Abzug aller Kosten peilt der Hersteller eine Umsatzrendite von 5 bis 10 % an – was für ihn als gutes Geschäft gilt.
 
Hausverstand hilft. „Die Lohnkosten in Europa sind zu teuer, und der Konsument schaut sehr auf den Preis“, erklärt Ernst Mayr, Geschäftsführer der Fussl Modestraße, seine Sichtweise. Das österreichische Unternehmen aus Ort im Innkreis lässt beispielsweise in Litauen, Portugal oder Asien produzieren. „Ausgenommen sind Billigstländer wie Vietnam oder Afrika. Dort sind die Diskonter, die auf Masse und nicht auf Qualität setzen“, so Mayr. Dass Fussl mit 1.200 Mitarbeitern und einem Umsatz von 143 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017 trotz internationaler Konkurrenz überlebt, hat laut Mayr einen einzigen Grund: Und der heißt Hausverstand. „Wir arbeiten aus der Sicht des Kunden, setzen auf die Mittelschicht und machen keine Experimente, sondern gehen unseren Weg weiter“, erklärt der Geschäftsführer seine Philosophie. Dass diese wirkt, zeigt auch die Expansion, die Fussl vor zwei Jahren in Bayern gestartet hat.
 
Erfolg durch Spezialisierung. Mehr als eine Grenze hat der Vorarlberger Textilhersteller Getzner überschritten – das Unternehmen hat den Sprung nach Afrika geschafft. Die Anfänge dieser Erfolgsgeschichte gehen aufs Jahr 1976 zurück, als Getzner erstmals als Hersteller von afrikanischen Bekleidungsdamasten Fuß fassen konnte. Seither verkauft die Firma rund 30 Millionen Meter Stoff pro Jahr. „Die maßgebliche Wertschöpfung dafür findet in Bludenz statt“, erklärt CEO Roland Comploj. Insgesamt produziert Getzner an neun Standorten – von der Schweiz über Thüringen bis Bayern. Vier Produktionsstätten befinden sich in Österreich. „Die Produktion in Europa hat für mich Zukunft“, ist Comploj überzeugt.
 
Mehr als ein Marketinggag.
Das Schlagwort, das dafür spricht, ist laut dem Vorstandsvorsitzenden die Nachhaltigkeit: „Nicht nur als Marketinggag, sondern mit Inhalt gefüllt. Mit den richtigen Produkten in der richtigen Nische sehe ich wachsendes Potenzial.“ Getzner nutzt dieses Potenzial derzeit im Bereich Corporate Fashion. Hier werden die Einhaltung sozialer Standards und die nachhaltige Produktion zum entscheidenden Vergabekriterium. „Diese Einrichtungen wollen kein Hemd aus Bangladesch. Die Werterhaltung des Unternehmens und die Corporate Social Responsibility müssen sich auch in der Bekleidung widerspiegeln“, bestätigt Comploj. Schnelligkeit, ein hoher Servicegrad und der Einsatz neuer Technologien sind für ihn Faktoren, die für den Standort Europa sprechen.
 
Nachfrage steigern durch Limited Editions. „Auch die Qualität muss stimmen“, ergänzt Anna Tostmann-Grosser von Tostmann Trachten, die unter anderem mit Designergrößen wie Vivienne Westwood zusammengearbeitet hat. Das Unternehmen produziert ausschließlich in Österreich und hat in den 1980ern einen längerfristigen Wandel eingeleitet. „Die Branche ist zu dieser Zeit massiv ins Ausland abgewandert. Meine Mutter hat sehr vorausschauend agiert und die Anzahl der Mitarbeiter innerhalb von zehn Jahren von 400 auf 120 gesenkt – und das fast ohne Kündigungen“, erzählt die Unternehmerin. Heute punktet Tostmann mit einer Maßwerkstatt und bestens ausgebildeten Schneiderinnen. Die laufenden Kollektionen werden nur als limitierte Auflage hergestellt, auch bei besonders erfolgreichen Modellen. „Das ist unsere Stärke: Wir haben eine große Auswahl, aber es gibt fast nichts doppelt“, so Tostmann-Grosser.
 
Handwerk blüht auf. Auffällig ist, dass die Textilwirtschaft in Österreich besonders stark auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitern ist. Während Fussl sofort bis zu 40 neue Angestellte aufnehmen könnte, sind sowohl Tostmann wie auch JMB auf der Jagd nach Personen, die handwerklich begabt sind. Rücker dazu: „Physische Arbeit ist wertvoll. Unsere Pionierleistung ist, dass wir in Zeiten von Digitalisierung und Industrie 4.0 Menschen beschäftigen und handwerkliche Arbeitsplätze erhalten.“

Text: Markus Mittermüller