Gläubigerschutz: Kein Vertragsauflösungsschutz bei bloßem nicht bindendem Verkaufsanbot

Die Vereinbarung der Vertragsauflösung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist unwirksam. Das setzt aber voraus, dass ein Vertrag im Sinne eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts vorhanden ist. Liegt bei Eröffnung bloß ein Verkaufsanbot an die Schuldnergesellschaft vor, an das der Antragsteller im Insolvenzfall nicht gebunden sein will, bleibt es nicht aufrecht, womit mangels Zustandekommens eines Vertrags die für diesen vorgesehene Auflösungsvereinbarung unbeachtlich ist.
 

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Der Kläger ist Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft (Schuldnerin), die am 14. April 2011, beginnend mit 1. Mai 2011, zum Betrieb ihres Unternehmens für die Dauer von fünf Jahren eine Liegenschaft der Beklagten gemietet hatte. Der Mietvertrag sollte am 30. April 2016 durch Zeitablauf enden. Vereinbart wurde ein (vorzeitiges) Auflösungsrecht für den Fall der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Darüber hinaus räumte die Beklagte der Schuldnerin im Mietvertrag eine schriftlich anzunehmende unwiderrufliche Kaufoption ein. Darin wurde nicht nur der Kaufpreis samt Wertsicherung, sondern darüber hinaus auch festgelegt, dass im Falle der Annahme des Vertragsanbots durch die Schuldnerin 50 % der von ihr als Mieterin bis zum Zeitpunkt der Annahme des Anbots bezahlten Nettomiete auf den Kaufpreis angerechnet werde. Die Kaufoption war bis 31. Jänner 2016 befristet.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Stilllegung des von der Schuldnerin auf der gemieteten Liegenschaft betriebenen Unternehmens teilte der Kläger der Beklagten vorerst mündlich mit, dass er das im Mietvertrag enthaltene Kaufanbot annehmen wolle, um die Liegenschaft mit Gewinn für die Konkursgläubiger weiterverkaufen zu können. Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom 6. November 2015, den Mietvertrag im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzulösen, und begehrte die Rückstellung der Bestandräumlichkeiten. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 10. November 2015 die Annahme des im Mietvertrag erklärten Kaufanbots und behauptete die Unwirksamkeit der von der Beklagten zuvor abgegebenen Auflösungserklärung.

Der Kläger begehrte die Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung seines Eigentumsrechts an der Liegenschaft. Die Auflösung des Mietvertrags sei nach § 25b IO unwirksam und das von ihm angenommene Kaufanbot weiter gültig.

Die Beklagte wandte ein, § 25b IO stehe der von ihr erklärten Auflösung des Mietvertrags nicht entgegen, ihr Verkaufsanbot sei vor dessen Annahme weggefallen.

Das ErstG gab der Klage statt. Der Mietvertrag und das Kaufanbot seien getrennt zu beurteilen. Nach § 26 Abs 2 IO sei davon auszugehen, dass die Beklagte auch nach Insolvenz des Vertragspartners weiterhin an ihr Verkaufsanbot gebunden bleibe.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Der Mietvertrag und das Verkaufsanbot seien als Einheit zu betrachten, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Beklagte die Liegenschaft auch nach Beendigung des Mietvertrags habe verkaufen wollen. Falle der Mietvertrag weg, sei auch das Verkaufsanbot unwirksam. Dem stehe § 25b IO nicht entgegen. Diese Bestimmung sei teleologisch zu reduzieren, sie stehe der Lösungsklausel nach Stilllegung des Unternehmens nicht entgegen. Zwar bleibe der Antrag der Beklagten gemäß § 26 Abs 2 IO auch in der Insolvenz der Antragsempfängerin (Schuldnerin) aufrecht, eine Ausnahme bestehe aber dann, wenn sich – wie hier – aus den Umständen ergebe, dass eine Bindung der Antragstellerin im Konkursfall nicht gewollt sei.

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
 
Aus der Begründung des OGH
Die Vorinstanzen gingen zu Recht davon aus, dass das Kaufanbot, auf das sich der Kläger stützt, nach § 26 Abs 2 IO zu beurteilen ist. Nach dieser Bestimmung bleiben Anträge, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner noch nicht angenommen worden sind, aufrecht, sofern nicht ein anderer Wille des Antragstellers aus den Umständen hervorgeht.
Ob dies der Fall ist, kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb insoweit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu beantworten ist (vgl RIS-Justiz RS0044298, RS0042776, RS0044358).
Im Hinblick auf die gebotene Beurteilung des Kaufanbots nach § 26 Abs 2 IO (Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 26 KO Rz 73 f; Gamerith in Bartsch/Pollak 4 § 26 Rz 19) kann § 25b Abs 2 IO von vornherein nicht angewendet werden; dieser regelt nämlich nur die Auflösung oder den Rücktritt von Verträgen (Widhalm-Budak in Konecny, IRÄG 2010, 26; Taufner, Gesellschaftsvertragliche Ausschluss- und Aufgriffsrechte nach dem IRÄG 2010, GesRZ 2011, 157 [158]; Umlauft, Gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte in der Insolvenz des Gesellschafters, NZ 2012, 289 [290]), also von zweiseitigen Rechtsgeschäften. Andernfalls hätte § 26 Abs 2 IO keinerlei Anwendungsbereich. Die Berechtigung des hier klageweise geltend gemachten Anspruchs hängt daher nicht davon ab, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene teleologische Reduktion von § 25b IO zu billigen ist oder nicht. Es kommt darüber hinaus auch nicht darauf an, ob die Beklagte den Mietvertrag wirksam vorzeitig auflösen konnte oder dieser in den Anwendungsbereich des MRG fällt.
Die vom Berufungsgericht aus den Umständen dieses Falls (Kaufanbot im Zusammenhang mit dem Mietvertragsabschluss und dessen Befristung bis drei Monate vor Ablauf des befristeten Mietverhältnisses) gezogene Schlussfolgerung, dass der hypothetische Parteiwille nicht auf eine vom Bestand des Mietvertrags unabhängige Ausübung der Kaufoption bzw darauf gerichtet war, im Insolvenzfall nicht nur das Mietverhältnis allenfalls vorzeitig zu beenden (was möglicherweise nicht rechtswirksam ist), sondern im Insolvenzfall vom Wegfall der Kaufoption auszugehen, bildet jedenfalls keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung.

ZIK 2017/190
IO: § 25b Abs 2, § 26 Abs 2
OGH 27.7.2017, 4 Ob 100/17k
 

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