Bonität: Wir ziehen nicht sofort die rote Karte

Wie der KSV1870 pandemiebedingt Unternehmen bewerten und warum jetzt die von Hand recherchierte Bonitätsauskunft eine Renaissance erlebt.

Autor: Gerhard Wagner, Geschäftsführer KSV1870 Information GmbH

Wie der KSV1870 Betriebe bewertet

Momentan fühlt es sich ein wenig so an, als befände sich die Akutphase der Wirtschaftskrise auf den letzten Metern. Der Aufschwung scheint in Sicht. Gleichzeitig wird es jetzt - nach fast einem Jahr Corona - für viele so richtig zäh. Denn jenen Unternehmen, die besonders von COVID-19 betroffen sind, läuft die Liquidität durch die Finger. Viele fragen sich, wie das auf ihre KSV1870 Bewertung durchschlägt. Und auch wir haben vor einem Jahr intensiv darüber nachgedacht, wie wir eine Wirtschaft im Ausnahmezustand seriös abbilden können.

Wir schauen ganz genau hin

Die Herausforderung war und ist, das Ausfallrisiko von Unternehmen, die vor Corona solide wirtschafteten, nun aber stillstehen, realistisch einzuschätzen. Gleichzeitig dürfen wir die Betriebe nicht besser machen als sie sind. Denn unsere Kunden vertrauen darauf, dass KSV1870 Empfehlungen halten. Was wir nicht tun, ist Unternehmen in den Keller zu „raten“, weil momentan in gewissen Bereichen kaum Umsätze zu machen sind. Aber wir schauen uns die Betriebe ganz genau an.

Wie der KSV1870 jetzt Betriebe bewertet

Wird ein Unternehmen von unseren Experten bewertet, das seit Wochen keine Umsätze hat, dann ziehen wir nicht sofort die rote Karte. Wir schauen uns an, wie dieses Unternehmen vor Corona aufgestellt war und gehen auf den Betrieb zu.

  • Ist das Unternehmen von der Krise überhaupt betroffen? Wenn ja, wie hoch sind die Umsatzeinbußen?
  • Wurde das Geschäftsmodell angepasst/erweitert?
  • Welche Hilfsmaßnahmen wurden in Anspruch genommen?
  • Wurde gestundet - Finanz, Sozialversicherung oder auch durch Lieferanten?
  • Wurde der Tätigkeitsbereich eingeschränkt?
  • Wurden Mitarbeiter gekündigt oder in Kurzarbeit geschickt?
  • Konnte an den Fixkosten gedreht werden?

All diese Fragen werden von den Unternehmen sehr ehrlich beantwortet. Viele geben sogar einen Ausblick, wie lange sie unter welchen Bedingungen noch durchhalten. Das alles fließt neben harten Fakten, wie etwa Bilanzen, in die Auskunft ein. Wobei die Aussagekraft von Bilanzen – die aktuellste stammt meistens aus dem Jahr 2019 – in der jetzigen Situation natürlich eine andere ist als früher.

Individualprüfung als Lösung

Was wir nicht verändert haben, ist unser Bewertungsmodell. Wir haben festgestellt, dass es keinen Sinn macht, eine Branche in Bausch und Bogen „downzugraden“, denn auch innerhalb dieser gibt es teils massive Unterschiede, was die wirtschaftliche Betroffenheit von Covid-19 betrifft. Wir halten an unserem Modell fest, setzen aber auf eine starke Individualprüfung. Und das wird auch von unseren Kunden geschätzt. Natürlich wurden wir gefragt, wie wir überhaupt seriös bewerten können, wenn alles drunter und drüber geht. Schließlich gab es schlagartig in vielen Märkten keine Verlässlichkeit mehr. Und da haben wir gewusst, dass die durch Mitarbeiter recherchierte Auskunft eine Renaissance erleben wird. Dazu muss man wissen, dass diese Art der Auskunft kostenintensiver, dafür aber tagesaktuell ist. Etwas das sich Kunden in den vergangenen Jahren nicht immer leisten wollten.

Es bewerten Menschen, nicht nur Computer

Viele Auskunfteien sind in den vergangenen Jahren daher auf synthetische Auskünfte umgestiegen. Ein weltweiter Trend. Das bedeutet, dass Daten automatisiert in die Systeme eingespielt wurden und ein mathematisches Modell das Risiko errechnet. Fertig. Der KSV1870 hat sich nie nur darauf verlassen und stets ein Team von Experten beschäftigt, das diese Zahlen hinterfragt und zusätzlich recherchiert hat. Wir haben die Automatisierung zwar genutzt, aber den Kontakt zu den Unternehmen nie aufgegeben.

Jetzt zählt Brandaktuelles

Noch Recherche-Teams zu haben, galt nicht immer als modern, erweist sich jetzt aber als Vorteil. Denn aktuell zählt in der Wirtschaft nur mehr die recherchierte, brandaktuelle Auskunft. Mit Auskünften, die einige Wochen alt sind, können unsere Kunden momentan nicht viel anfangen. Vor Corona hatten sie ihre Berechtigung, weil die Wirtschaft weniger dynamisch war und die jährlich veröffentlichten Bilanzen auch eine längerfristige Aussagekraft hinsichtlich der Liquidität hatten. Doch jetzt ist es anders.

Wenn die Wirtschaft wieder läuft …

Ich denke, dass sich die Zukunft vieler Betriebe entscheiden wird, wenn sich der Staat wieder aus dem Wirtschaftsgeschehen herausnimmt. Wenn alles wieder seinen Lauf nimmt. Denn dann wird wieder Ware im größeren Stil eingekauft und dafür verlangen die Lieferanten möglicherweise Sicherheiten. Spätestens dann stellt sich die Frage nach einem Überbrückungskredit. Und den wird es nicht für alle geben können. Bei erschöpfter Liquidität und ohne Garantien wird es schwierig.

Insolvenzen werden steigen

Viele schauen jetzt auf die Banken. Doch sie können nicht einfach Kredite verteilen, weil sie den Recovery-Prozess der Wirtschaft aus ideellen Gründen unterstützen möchten. Man hat sie in den vergangenen Jahren massiv an die Leine gelegt und das Ergebnis ist ein breites Spektrum an Regulatorien, die einzuhalten sind. Ohne also schwarzmalen zu wollen, muss man sagen, dass es viele Unternehmen nicht schaffen werden. Aus diesen Gründen rechnen meine Kollegen für das laufende Jahr mit einem Plus von rund 20 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen gemessen an 2019.

Rettung durch die privaten Haushalte?

Wer es schaffen wird, hängt aber nicht nur von der Finanzierung ab, sondern von der Nachfrage, die im Privatbereich massiv eingebrochen ist. Gleichzeitig ist der Konsum der privaten Haushalte für die Wirtschaft Österreichs von enormer Bedeutung. Sie hat schon in der Vergangenheit den ein oder anderen Wirtschaftsabschwung abgedämpft. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Nachfrage entwickeln wird, wenn die Krise vorbei ist. Sprich Covid-19 nur mehr eine bewältigbare Krankheit ist und keine Pandemie.

Zwei Thesen zum Konsumverhalten

Ich persönlich denke, dass das haptische Einkaufserlebnis einen so hohen Stellenwert hat, dass in der Zeit nach der Krise, der Konsum einmalig durch zurückgehaltene Urlaubs- bzw. Weihnachtsgelder oder andere Sparguthaben nach oben ausschlagen, in der Folge aber auf das Vor-Corona-Niveau zurückkehren wird. Eine andere KSV1870 These besagt, dass mittlerweile so viel Umsatz in den Fernabsatz geflossen ist, dass wir nie wieder das Vor-Krisen-Niveau erreichen werden. Ich hoffe, ich setze mich durch. Wir werden sehen.