Gläubigerschutz: Kontokorrentvereinbarung und Anfechtung wegen inkongruenter Deckung

Inkongruenz ist dann auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder Befriedigung ein begründeter materieller Anspruch zusteht.

Wegen Begünstigung anfechtbar ist die Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubigers, die gar nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen war, wodurch er etwas erhält, was ihm nicht gebührt, was also wesentlich und in nicht üblichem Maß von der rechtlich gebührenden Sicherstellung oder Befriedigung abweicht (6 Ob 157/01h mwN). Inkongruenz ist aber dann auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder Befriedigung ein begründeter materieller Anspruch zusteht. „In der Zeit“ zu beanspruchen hat ein Gläubiger die Befriedigung (Sicherstellung) dann, wenn ein materiellrechtlicher Anspruch auf diese vor der kritischen Frist entstanden und im Zeitpunkt der Befriedigung (Sicherstellung) auch einklagbar ist (6 Ob 157/01h).
 
Im Zusammenhang mit der Abdeckung eines Kontokorrentkredits ist Kongruenz jedenfalls gegeben, wenn sich der Kreditnehmer verpflichtet hatte, den gesamten Geldverkehr über die den Kredit gewährende Bank abzuwickeln, sodass diese (gem ihren Allgemeinen Bankbedingungen) durch Aufrechnung Befriedigung erlangen durfte (zB 6 Ob 157/01h), und dies tatsächlich so gehandhabt wurde (RIS-Justiz RS0111990). Kongruenz ist aber auch anzunehmen, wenn aus anderen Gründen ein klagbarer Anspruch auf Vornahme dieser Sicherstellung bzw Befriedigung vor der kritischen Frist begründet wurde (6 Ob 157/01h mwN). So führt die Vereinbarung, einen Kreditbetrag „aus den Eingängen eines bestimmten Großauftrags zurückzuführen“, auch dann zu kongruenten Deckungen, wenn der Schuldner mehrere Bankverbindungen unterhielt (3 Ob 189/05y). Ein klagbarer Anspruch und damit Kongruenz der Befriedigung aus Einzahlungen besteht, wenn (wie im Anlassfall) vereinbart wurde, dass der Kreditnehmer bei Bestehen sonstiger Bankverbindungen seinen Zahlungsverkehr zumindest im Ausmaß des jeweils in Anspruch genommenen Kredits über den Kreditgeber abwickelt, und dies auch tatsächlich so gehandhabt wird. Denn aus dieser vor der kritischen Zeit getroffenen Vereinbarung hätte die Bank bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Eingangs auf Verschaffung einer Aufrechnungslage klagen können.
 
ZIK 2016/306
IO: § 30 Abs 1 Z 1
OGH 22.2.2016, 10 Ob 93/15x