Insolvenzstatistik Private I. Halbjahr 2009

Wien, 07.07.2009

Ein Plus von gerade über 7 Prozent liegt etwas unter der Erwartung für das laufende Jahr, die der KSV im Dezember 2008 mit 10 % beziffert hatte.

Konkurs als gesellschaftliches Phänomen
Galt noch im vorigen Jahrhundert der Konkurs als absolutes Odium in der Gesellschaft, so kann nach Meinung des KSV1870 heute ein gewisses Umdenken beobachtet werden. Der Aspekt der Schuldenregulierung tritt immer stärker hervor und verdrängt dabei den Aspekt des Forderungsverlustes. Die Schuldenregulierung hat gegenüber Einzelmaßnahmen der Gläubiger und für die Gläubiger folgende Vorteile:

    • Regelmäßigkeit der Zahlung (Eingänge weitgehend planbar)
    • Dadurch Senkung der Administrationsaufwendungen
    • Gleichmäßigkeit der Befriedigung (Niemand kriegt mehr als ich)
    • Entschuldung des Individuums
    • Finanzieller Neustart nach Aufhebung des Konkurses oder Erteilung der Restschuldbefreiung durch das Gericht

In einer Gesellschaft - in der ca. 50 % der volljährigen Bewohner Kredit in Anspruch nehmen und eigentlich jeder schon einmal auch eine Kreditkarte gezückt oder auf einen Überziehungsrahmen auf dem Bankkonto zurückgegriffen hat - muss Verständnis dafür bestehen, dass manche Zukunftserwartungen nicht eintreffen oder unvorhergesehene Verschlechterungen der Zahlungsfähigkeit eintreten. Und in einem Land, dessen Wirtschaft sich zu mehr als 50 % auf privaten Konsum stützt, muss auch der Konsum auf Kredit akzeptiert werden. Schulden zu haben ist schon lange kein „Armeleute"-Phänomen mehr, sondern ein Teil des Funktionsrezeptes unserer Wirtschaft. Und das wird sich auch nach der Finanzkrise und deren Bewältigung nicht viel anders darstellen.

Gerade in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit von einem Rekordminus auf ein mögliches Rekordplus anzuschnellen im Begriff ist, muss dieses Verständnis vorhanden sein oder - falls erforderlich - geschaffen werden. Denn der Verlust des Arbeitsplatzes ist sicherlich ein wichtiger Grund für das Überborden der Schulden. Zyklische Phänomene in der Wirtschaft - wie eben die konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit - können und müssen vorausschauend berücksichtigt werden. Gelingt eine Stabilisierung der Schulden (etwa Stundung durch die Bank oder zeitlich befristete Zinssenkung oder Zinsfreistellung) nicht mehr, dann ist dies wohl das Signal, dass die Schulden insgesamt zu hoch und die Situation des jeweiligen Schuldners zu instabil erscheinen. In diesem Fall soll der Weg für eine Regulierung der nicht mehr tragbaren Schulden offen stehen.

Rund 4.600 Personen haben im ersten Halbjahr diesen Weg gewählt. Sie haben auf diesem Weg große eigene Leistungen zu erbringen, aber ihnen winkt am Ende dieser Anstrengung der Schritt in die finanzielle Freiheit.

Privatkonkurse I. Halbjahr 2009

2009 2008 Veränderung
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren 4.590 4.286 + 7,1 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten 553 Mio. 507 Mio. + 9,1%

 

Ausblick 2009
Die gegenwärtig beobachtete Entwicklung der Privatkonkurse wird voraussichtlich für das laufende Jahr anhalten, sodass die Erwartung eines Anwachsens mit rund 10 % durchaus bestätigt werden kann. Größere Zuwächse dürfen unseres Erachtens erst nach dem Ende der gegenwärtigen Wirtschaftsflaute erwartet werden oder aber nachdem der Gesetzgeber einen seiner Federkiele gezückt und das Konkursrecht in Richtung rascher oder vermehrter Eröffnungen geändert hat.

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans Georg Kantner, Leiter KSV Insolvenz

Insolvenzstatistik Private Erstes Halbjahr 2009