Bilderbuch-Pleiten: Der Fall Zielpunkt

Einkaufen im Supermarkt ist in Österreich easy, denn zum nächsten Markt ist es statistisch betrachtet nicht weit. Die hohe Filialdichte bringt aber auch einen harten Verdrängungswettbewerb mit sich, dem nicht nur Kleinbetriebe wie Fleischer und Bäcker zum Opfer fallen. Und so musste im November 2015 die Supermarktkette Zielpunkt den Weg zum Konkursgericht antreten. Eine Rettung durch die Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens war nicht mehr möglich. Sämtliche Filialen mussten geschlossen werden. Doch entgegen der ursprünglichen Befürchtung erhielten die Gläubiger letztlich eine sehr attraktive Quote von fast 27 Prozent.

Jürgen Gebauer

Die Nachricht von der Insolvenz der Supermarktkette Zielpunkt kam überraschend - nicht nur für die breite Öffentlichkeit, sondern auch für die Belegschaft. Und bei den rund 2.700 Mitarbeitern sorgte auch der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Ende November – vor allem aufgrund des noch ausstehenden Weihnachtsgeldes - für großen Unmut. Dennoch ist es dem staatlich eingerichteten Insolvenzentgeltfonds in Rekordzeit gelungen, die ausstehenden Gehälter sowie das Weihnachtsgeld an die betroffenen Mitarbeiter auszuzahlen. Zusätzlich unterstützten die Banken, die den Betroffenen bei Bedarf einen Überziehungsrahmen ohne Spesen zusicherten.

Konkurrenz setzte Zielpunkt zu

In so manch einer Gemeinde im ländlichen Bereich, wo sich Supermärkte eher am Ortsrand niederlassen, betrieb Zielpunkt nicht selten eine Filiale im Ortskern. Doch aufgrund der starken Konkurrenz kämpfen Supermärkte häufig mit einer geringen Umsatzrentabilität. Um sich Marktanteile zu sichern und zu halten, sind eine flächendeckende Präsenz, eine laufende Modernisierung und ein gut sortiertes Warenangebot nötig, was bei baulich beschränkten Filialen in Ortskernen nicht immer möglich ist. Aber auch in den Ballungszentren war Zielpunkt der harten Konkurrenz im Lebensmittelhandel verstärkt ausgesetzt.

Positionierung war schwierig

2014 wurde Zielpunkt (ursprünglich gegründet als Löwa) nach einigen Eigentümerwechseln von der oberösterreichischen Pfeiffer-Gruppe übernommen. Ziel war es, den Händler als Nahversorger insbesondere mit österreichischen Produkten zu platzieren und den Supermarkt vom Diskonter zum Vollsortimenter umzuwandeln. Die Strategie ging jedoch nicht auf. Um eine Insolvenz abzuwenden, wären weitere Investitionen notwendig gewesen. Diese konnte oder wollte der Eigentümer nicht mehr bereitstellen. Schließlich musste Zielpunkt die Zahlungsunfähigkeit eingestehen und es kam zur Insolvenz: Betroffen waren neben den vielen Mitarbeitern 229 Filialen in ganz Österreich und knapp 1.000 Gläubiger. Nach der Prüfung durch den Insolvenzverwalter beliefen sich die Gesamtverbindlichkeiten der Zielpunkt-Kette letztlich auf rund 137 Millionen Euro.

Besonderheiten im Verfahren

Die große Herausforderung im Verfahren war es, möglichst viele Filialen während des laufenden Betriebs rasch an Interessenten weiterzuverkaufen. Das mit dem Ziel, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten und auch den wirtschaftlichen Schaden für die betroffenen Gläubiger zu minimieren. Und das ist gelungen: Rund ein Drittel aller Filialen und mehr als 1.000 der 2.700 Mitarbeiter wurden von anderen Einzelhandelsunternehmen übernommen. Da die einzelnen Standorte nicht im Eigentum von Zielpunkt standen, war zu Beginn des Insolvenzverfahrens nicht absehbar, welche Kaufpreise für die Übernahme der Filialen erzielt werden können. Es zeigte sich jedoch, dass einzelne Standorte sehr begehrt waren und die Mitbewerber im Lebensmittelhandel großes Interesse hatten.

Gute Quote wider Erwarten

Es folgten Bieterverfahren, im Rahmen derer sich die Interessenten zum Teil regelrechte Bieterschlachten lieferten. Durch die ursprünglich nicht erwarteten Verwertungserlöse wuchs die Insolvenzmasse jedoch stetig an. Am Ende konnten mehr als ein Drittel aller Standorte verkauft werden. Die Erlöse bildeten den Grundstein für eine in einem Konkursverfahren dieser Dimension unüblich hohen Quote von 27 Prozent, die der Insolvenzverwalter nach einer Verfahrensdauer von knapp dreieinhalb Jahren an die Gläubiger verteilen konnte. Angesichts der schwierigen Ausgangslage war das ein großer Erfolg, der zu Beginn keineswegs absehbar war.