Interview: Scheitern gehört einfach dazu

In der heimischen Start-up-Szene ist gehörig Bewegung. Im Interview beleuchtet Jürgen Tarbauer, ehemaliger Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Wien, die aktuelle Situation.

Jürgen Tarbauer

In den vergangenen Monaten mussten bekannte Start-ups Insolvenz anmelden. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück? Scheitern ist generell eine Begleiterscheinung des Unternehmertums bzw. gehört zu innovativen Ideen einfach dazu. Die Insolvenzquote von Start-ups ist im Grunde konstant und eher gering. Aufgrund der bekannten Fälle wie Zoomsquare oder Rublys ist nur die öffentliche Wahrnehmung eine andere. Dem stehen viele erfolgreiche Start-ups gegenüber, die hinter der medialen Bühne grandiose Produkte und Services anbieten und damit erfolgreich sind.

Woran scheitern Start-ups in erster Linie? Die Gründe sind sehr individuell. Oft lässt es sich bei neuen Ideen nicht abschätzen, ob der Markt dafür schon bereit ist bzw. ob es wirklich einen Markt dafür gibt. Auch ausgeklügelte Analysen helfen nicht immer. Am Ende hilft nur das Prinzip „Trial & Error“. Dabei ist das Scheitern prinzipiell nichts Schlimmes, solange man sich entsprechend abgesichert hat, aus den Fehlern lernt und es wieder probiert. In Österreich ist das aber nach wie vor ein Tabuthema.

Woran könnte es noch liegen? Ein weiterer Punkt ist der Businessplan. Dieser muss vor allem bei Produktneuheiten detailliert und vorsichtig geplant sein. Oft wird unterschätzt, wie lange es dauert, sich einen Kundenstamm aufzubauen und Gewinne zu erzielen. Der Austrian Start-up Monitor nennt zudem falsche Gründungspartner, ein unpassendes Geschäftsmodell und eine hohe Burn Rate als häufige Fehlerquellen.

Viele möchten Probleme des täglichen Lebens lösen. Sind die Probleme einfach zu klein für den Markt? Oft wäre übertrieben, aber ja, das kommt durchaus vor. Oder das Problem kann auf einfachere Weise gelöst werden. Daraus ergibt sich auch die große Bedeutung eines Businessplans. Eine wichtige Regel ist dabei, nicht von sich selbst auf alle anderen zu schließen.

Ist Österreich für eine große Anzahl an Start-ups zu klein? Das würde ich so nicht behaupten. Im Gegenteil: Österreich ist ein attraktives Land, das mit kurzen Wegen zu wichtigen Start-up Hubs in Berlin, London oder Tel Aviv, großzügigen Förderungen und hoher Lebensqualität punktet. Insbesondere Wien verfügt über eine pulsierende Szene. Schätzungen zufolge gibt es in Österreich je nach Definition zwischen 2.000 und 4.000 Start-ups. Zum Vergleich: In Deutschland sind es etwas mehr als 6.000. Auch die Infrastruktur hat sich enorm verbessert: Festivals, Hubs, Gründerzentren und Förderprogramme helfen weiter. Und dank der EU denken Start-ups ohnehin nicht in nationalen Grenzen.

Es gibt aber auch Schattenseiten, oder? Wo es Nachholbedarf gibt, sind vor allem die allgemeinen unternehmerischen Rahmenbedingungen. Hohe Lohnnebenkosten und bürokratische Hürden machen jungen Gründergeistern zu schaffen.

Welche Kriterien müssen Start-ups erfüllen, um langfristig zu überleben? Wichtig ist es, das Produkt oder die Dienstleistung schnell auf den Markt zu bringen. Natürlich sollte es gut ausgearbeitet sein, jedoch muss es nicht von Anfang an perfekt sein. So erhält man früh Feedback von den Kundinnen und Kunden. Und es werden bereits Umsätze erzielt. Wer zu lange entwickelt, verbraucht Geld, ohne welches einzunehmen. Darüber hinaus sind persönliche Fähigkeiten gefragt: wirtschaftliches Denken, flexibles Handeln und Durchhaltevermögen.

Und es steckt ein großer Aufwand dahinter. Ein Start-up zu gründen und zu führen ist harte Arbeit. Zudem ist auch das berufliche Netzwerk entscheidend. Ein gutes Netzwerk liefert nicht nur neue Kundinnen und Kunden, sondern auch Geschäftspartner, Lieferanten und sorgt für Ideen.

Wie wichtig sind Start-ups für den Wirtschaftsstandort Österreich? Jedes Unternehmen ist für den Standort wertvoll. Start-ups haben allerdings eine spezielle Bedeutung. Vor allem weil sie noch mehr als andere Innovation vorantreiben und als Impulsgeber fungieren. In Österreich gibt es zahlreiche Unternehmen, deren Fortschritte enorm positive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. Und was die Junge Wirtschaft Wien besonders freut, ist, dass dadurch das Unternehmertum an sich wieder an gesellschaftlichem Ansehen gewonnen hat. Unternehmer zu sein ist in und für viele Menschen ein attraktiver Berufsweg.

 

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