Drei Generationen an Männer in einer Reihe aufgestellt.

„We are family“: So funktionieren Familienbetriebe

Familienunternehmen gelten als besonders stabile Organisationsform. Doch den Vorteilen einer verwandtschaftlich geprägten Führungskultur stehen Risiken gegenüber.

Text: Raimund Lang

Die Familie ist eine Keimzelle moderner Gesellschaften. Sie bietet Schutz, soziale Zugehörigkeit und manchen vielleicht auch ein sinnstiftendes Element der persönlichen Identitätsentwicklung. Sie erzeugt aber auch Verantwortlichkeit – die Pflicht, sich um die Seinen zu kümmern und ihnen in Notlagen beizustehen. Die spezifisch familiäre Bündnisstruktur fand seit jeher auch im Wirtschaftsleben ihren Niederschlag. In Familienunternehmen ist Verwandtschaft eine prägende Komponente der Führungskultur. Das bietet Vorteile, aber auch Risiken.

Fünf unter den Top 500.

Als ältestes Familienunternehmen der Welt galt bis zu seiner Auflösung im Jahr 2006 der japanische Tempelbauer Kongō Gumi. Gegründet im Jahr 578 unserer Zeitrechnung, leiteten in den folgenden 1.428 Jahren 40 Familienmitglieder die Geschicke des Unternehmens. Der vom Beratungsunternehmen EY und der Universität St. Gallen herausgegebene „Global Family Business Index“ listet seit 2016 jährlich die 500 umsatzstärksten Familienunternehmen auf. Im aktuellen Ranking findet sich auf Platz 213 die erste österreichische Firma – Red Bull. Nur fünf heimische Unternehmen haben es auf die Liste geschafft. Zum Vergleich: Die USA sind 119-mal vertreten, Deutschland 79-mal. In Österreich gibt es laut einer aus dem Jahr 2019 stammenden Untersuchung der KMU Forschung Austria 157.000 Familienunternehmen, die rund 1,8 Millionen Beschäftigte haben und im Jahr 2019 einen Umsatz von 414,1 Milliarden Euro erwirtschafteten. Doch was gilt eigentlich als Familienunternehmen? Innerhalb der EU ist es üblich, den Begriff anhand von drei Kriterien zu definieren:

  1. Die Mehrheit der Entscheidungsrechte befinden sich im Besitz des Unternehmensgründers oder derjenigen Personen, die das Geschäftskapital des Unternehmens besitzen, oder deren nächster Verwandter.
  2. Die Mehrheit der Entscheidungsrechte besteht direkt oder indirekt.
  3. Mindestens ein Familienmitglied ist an der Leitung bzw. Kontrolle des Unternehmens beteiligt. Ein Familienunternehmen erfüllt die Bedingungen (1) und (2) oder (3) oder alle drei gemeinsam.
     

In Generationen denken.

Als Familienunternehmen denkt man nicht nur in Quartalsergebnissen, sondern in Generationen.

Familienunternehmen gelten als solide, krisenresistente Organisationsform. Sie zeichnen sich überdurchschnittlich oft durch eine hohe Eigenkapitalquote, geringe Fluktuation ihrer Mitarbeiter und stabile Kundenbeziehungen aus. Sie kennen den Markt und werden von Partnern als zuverlässig wahrgenommen. „Als Familienunternehmen denkt man nicht nur in Quartalsergebnissen, sondern in Generationen und investiert auch manchmal in Projekte, die sich zwar nicht ökonomisch, aber dafür gesellschaftlich rechnen“, hat Ingrid Trauner, ehemalige Chefin des Gastronomie- und Schulbuchverlags Trauner, einmal gesagt. Durch die enge Verwobenheit von Familie und Unternehmen kann beim Management ein hohes Maß an Identifikation von persönlichen Lebenszielen mit Unternehmenszielen entstehen. In Krisenzeiten sind zur Familie gehörende Führungspersonen deshalb eher zu Opfern bereit, auch persönlichen. Überbordende Bonizahlungen für das Management trotz schwerer Verluste wird man in Familienunternehmen eher selten finden.

Sind mehrere Familienmitglieder operativ im Unternehmen tätig, sorgen die verwandtschaftlichen Beziehungen zugleich für Vertrauen und ein reibungsfreies Miteinander im Betrieb – zumindest, wenn man den Idealfall skizzieren möchte. Denn faktisch sind Familien natürlich keineswegs immer vom romantischen Bild kooperativer Harmonie beseelt. Streit sei der „größte Wertvernichter in Familienunternehmen“, so der deutsche Rechtswissenschaftler Brun-Hagen Hennerkes, Gründer und langjähriger Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen. Und familiärer Streit tendiert zu besonderer Härte. Ein häufig genanntes Beispiel sind die Brüder Dassler, deren Unversöhnlichkeit zu einer Spaltung des Familienunternehmens in die beiden Firmen Adidas und Puma führte. Wie man heute weiß, sind beide Unternehmen äußerst erfolgreich und gehören zu den Big Playern ihrer Branche, und zwar weltweit. Doch in diesem Ausmaß ist das eher die Ausnahme. Auch die unverhohlene Abneigung der beiden Patriarchen Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche ist legendär. Aufgrund ungeschriebener familiärer Regeln kann es für die Geschäftsführung faktisch schwierig oder sogar unmöglich sein, Störenfriede aus dem Unternehmen zu entfernen. In sehr großen Familien kann sich das zu kaum überschaubaren Konfliktgeflechten auswachsen, woraus mittel- und langfristig gravierende negative Folgen für das jeweilige Unternehmen entstehen können. Die unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb des Swarovski-Clans beispielsweise führten den Tiroler Weltkonzern schon mehrfach an die Grenzen der Lenkbarkeit.

Rechtzeitig an die Nachfolge denken.

Ein besonders kritischer Moment für jedes familiengeführte Unternehmen ist die Übergabe der Firmenleitung. Nicht nur, aber vor allem auch deswegen, weil hierin jede Menge Streitpotenzial liegt – insbesondere dann, wenn es in der Familie mehrere Anwärter auf die Leitung gibt. Zudem handelt es sich dabei oft auch um eine Entscheidung, welche die strategische Ausrichtung des Unternehmens nachhaltig beeinflusst. Was auch die Stimmung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern negativ beeinflussen kann, weil dadurch häufig eine gehörige Portion Ungewissheit mitschwingt.

Dennoch haben 60 % der österreichischen Familienunternehmen noch keine Nachfolgeregelung getroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Beratungsunternehmen EY und der LGT Bank Österreich veröffentlichte Studie. Und weiter: Nicht immer gelingt eine reibungsfreie Übergabe. Hürden sind unter anderem mangelndes Know-how firmeninterner Prozesse und fehlende Akzeptanz seitens der Belegschaft. Problematisch kann zudem ein „Rückzug auf Raten“ sein. Das bedeutet, dass der vormalige Unternehmenschef zwar formal zurückgetreten ist, de facto aber immer noch im Unternehmen präsent ist und sich einmischt. „Der Stellenwert der Nachfolgeplanung für den nachhaltigen Unternehmenserfolg wird aktuell noch unterschätzt“, so Meinhard Platzer, CEO der LGT Bank Österreich. „Wir gehen jedoch davon aus, dass die Unternehmen mit klarer Nachfolgeregelung und Strategie sowie einer ausformulierten Family Governance von dieser Schlagkraft noch stärker profitieren.“

 

Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 1/2023.