Insolvenzursachen 2011:

Innerbetriebliche Fehler und Fahrlässigkeit führen die Statistik an.

Wien, 18.05.2012 - Blauäugigkeit und Überschätzung gehen Hand in Hand mit echten Managementfehlern und führen zusammen die Liste der Insolvenzursachen an. Dass sich die Zahl der Verfahren in 20 Jahren verdreifacht hat, liegt am globalen Markt und den damit geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Aber auch der Anstieg der aktiven Unternehmen - von ca. 210.000 auf 470.000 in diesem Zeitraum hat sich auf die Insolvenzzahlen ausgewirkt.

Insolvenzursachen

1990 2000 2005 2010 2011
persönliches Verschulden 17% 7% 10% 6% 6%
Fahrlässigkeit 16% 27% 22% 14% 11%
innerbetriebliche Ursachen 21% 33% 38% 44% 53%
Kapitalmangel 21% 19% 13% 13% 11%
außerbetriebliche Ursachen 20% 11% 13% 19% 16%
Sonstige 5% 3% 4% 4% 3%
Anzahl Insolvenzverfahren 1.257 2.567 3.203 3.522 3.260


Untergang durch persönliches Verschulden
Das sind grosso modo extrem vorwerfbare Handlungen, die von der tatsächlich strafbaren Handlung (Betrug) über zu hohe Privatentnahmen bis zu Vernachlässigung der Geschäftsführung reichen. Der Anteil ist von 17 % im Jahr 1990 auf 6 % im Jahr 2011 gesunken. Das ließe den Schluss zu, dass die Unternehmer wesentlich anständiger und gesetzestreuer geworden wären. Rechnet man allerdings den Prozentsatz auf die Verfahrenszahl auf, so zeigt sich, dass es 1990 etwa 214 Fälle waren und im Jahr 2011 noch 196. Dr. Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des KSV1870, fasst zusammen: "Die Zahl derer, die es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, bleibt von Jahr zu Jahr etwa gleich. Sie gehören aus dem Verkehr gezogen, doch das ist Sache der Strafjustiz. Aber das ist eine andere Geschichte. Leider!"

Fahrlässigkeit rückläufig
Damit bezeichnet der KSV1870 eine Form der Einlassungsfahrlässigkeit (mangelnde Erfahrung, zu geringe Kenntnisse) und offenkundig unsinnige Investitionen im Betrieb. Kurz gesagt: Blauäugigkeit und Überschätzung. Diese Fälle sind oft schlecht von den eigentlichen Managementfehlern zu unterscheiden, die kaum Vorwerfbarkeit beinhalten, sondern die typischen Konstellationen darstellen, die eben zum wirtschaftlichen Scheitern führen (= inner-betriebliche Ursachen). Es verwundert nicht, dass in Zeiten großer Gründeraktivität (1995 bis 2007) dieser Wert mit bis zu 27 % sehr hoch lag - mittlerweile ist er deutlich unter den Ausgangswert von 1990 gesunken.

Interne Ursachen mehr als die Hälfte
Hier finden sich echte Managementfehler, Versäumnisse und v.a. mangelnde Befassung mit der Welt außerhalb des Unternehmens und ihren Herausforderungen und Veränderungen: Preisänderungen, Verknappungen von Rohstoffen, zu späte oder oft gar nicht erfolgende Korrekturmaßnahmen auf Fehlentwicklungen im Unternehmen. Dies ist mit Fahrlässigkeit eng verwandt und manchmal schwer zu trennen. Zusammen ergeben diese beiden Ursachen über die Jahre Werte um oder leicht über 60 % aller Fälle. Und darin liegt die langjährige Konstante: Unternehmer verantworten, was in ihrem Unternehmen passiert, aber auch was nicht passiert.

Außerbetriebliche Ursachen oder Überraschungseffekte
Diese werden vom Management gerne genannt und in ihrer Bedeutung überschätzt. Tatsächlich ändern sich Marktbedingungen manchmal schlagartig und nicht auf jede Überraschung konnte man vorbereitet sein: Wettbewerb, Kreditrestriktionen (Basel I-III), Pleite von wichtigen Abnehmern oder Lieferanten. In Wahrheit schwanken diese externen Ursachen mit 10 - 20 % aller Fälle und spiegeln damit natürlich auch Klippen und Brandung der Konjunktur und des regulatorischen Umfelds wider.

Sonstige Ursachen
Nicht alles lässt sich kategorisieren und so gibt es auch noch außergewöhnliche Umstände in der Privatsphäre der Unternehmen, die sich der betriebswirtschaftlichen Analyse oder gar Prophylaxe vollends entziehen. Auch Unternehmer sind Menschen, die zuweilen von menschlichem Kleingeist und Versagen erdrückt werden.

In einer Welt aber, die sich ständig schneller um ihre eigene Achse zu drehen scheint, in der Technologien und Produkte in immer schnellerer Abfolge kommen und dann natürlich auch wieder gehen, wird die Befassung mit der Zukunft immer wichtiger für das betriebliche Überleben. Diese Arbeit wird gemeinhin als "strategische Arbeit" bezeichnet und sie ist eine der ureigensten Management-Aufgaben für eigentlich jedes Unternehmen:

  • Was ist mein Produkt (Dienstleistung)?
  • Was und wo ist mein Markt?
  • Wohin entwickeln sich meine Kunden?
  • Wohin entwickelt sich die Technologie in meinem Geschäft?
  • Was macht die Konkurrenz?
  • Und was muss ich deshalb selbst tun - heute in dieser Stunde?

"Das Ergebnis der Insolvenzursachen-Analyse zeigt, dass sich Aufgaben und Fragestellungen für Unternehmer im Wesentlichen nicht ändern", fasst Johannes Nejedlik, Vorstand der KSV1870 Holding AG, zusammen: "Wer die unternehmerischen Grundrechnungsarten beherrscht, wird sich im wirtschaftlichen Umfeld auch bei Turbulenzen behaupten können."

Wer zu aller Zeit auf diese Fragen Antworten weiß - und diese auch an seine Mitarbeiter kommuniziert - der kann als Unternehmensleiter ruhig schlafen, denn dann ist gewissermaßen das strategische Tagewerk getan. Der Pioniergeist der Unternehmer aber ist ganz persönlich, der erfindet sich jeden Tag neu, denn er findet jeden Tag neu und anders. Diese Perspektive auf das unternehmerische Handeln und Unterlassen, das schlicht ungeschickte wie das nahezu kriminelle, darf man nicht aus den Augen verlieren, und führt letztlich zur Erkenntnis:

Das Gros der Pleiten ist hausgemacht!

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz

Die detaillierte Statistik zum Download