Wie Finanzbildung den Lebensweg von Schülern beeinflussen kann

Autoren: Marina Winkler und Magdalena Zak, Teach For Austria Fellows

Wie Finanzbildung den Lebensweg von Schülern beeinflussen kann

"Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung", sagte einst John F. Kennedy. Im Kontext von Finanzbildung bekommt dieses Zitat eine ganz neue Bedeutung. Jede dritte Person, die Hilfe bei der Schuldnerberatung Wien in Anspruch nimmt, ist unter 30 Jahre alt. Im Lehrplan unserer Schulen ist nach wie vor kaum Platz für lebensnahe Inhalte. Dementsprechend sind Schüler nach dem Abschluss in essenziellen Kernbereichen, wie etwa der Finanzbildung, nicht ausreichend auf "das Leben" vorbereitet. Das bestätigen auch Studien, wie etwa jene des Bankenverbandes von 2019 zum Thema „Geld-Leben“, in welcher 60 Prozent der befragten Jugendlichen ihre eigene Finanzkompetenz mit nur ausreichend oder sogar mangelhaft bezeichnen würden. Dabei handelt es sich bei „Finanzbildung“ nicht um komplexe, finanzmathematische oder wirtschaftliche Zusammenhänge, sondern um “Basics”, die jeder Mensch braucht, um ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben führen zu können.

Rüstzeug für das Leben

Finanzielle Bildung ist, wie kaum ein anderes Thema, für einen erfolgreichen Lebensweg von jungen Erwachsenen entscheidend. Wie eröffne ich mein erstes Konto? Was kostet es, eine Wohnung zu mieten oder gar zu kaufen? Was passiert wenn ich eine Rechnung nicht bezahlen kann? All das sind Fragen, die in der Schule im Normalfall nicht thematisiert werden. Insbesondere in Zeiten, in denen der nächste Leasingvertrag oder ein Online-Sonderangebot nur einen Klick entfernt sind, birgt diese gravierende Wissenslücke besondere Gefahr. Denn der Wunsch, teure Markenkleidung zu tragen oder das neueste Smartphone zu besitzen steht bei vielen Jugendlichen hoch im Kurs. Bezüglich tatsächlicher Kosten eines Handyvertrages und weiteren alltäglichen Fixkosten herrscht jedoch oft wenig Bewusstsein vor. Dies schadet nicht nur den Schülern, sondern langfristig auch der Wirtschaft. Die KSV1870 Insolvenzursachenauswertung zeigt diesbezüglich ein klares Bild: ein Fünftel der Privatpleiten ist selbstverschuldet.

Die Politik ist gefordert

Aktuell liegt es noch in der Hand von wenigen engagierten Lehrkräften, die die Initiative ergreifen und Finanzbildung selbstständig in den Unterricht integrieren. Auch viele Unternehmen treiben das Thema mit Schulvorträgen und gesponserten Unterrichtsmaterialen voran. Doch all die gut gemeinten Aktionen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Da fehlendes Finanzwissen schwerwiegende Folgen haben kann, ist die Politik gefordert. Eine fixe Verankerung im Lehrplan und entsprechende Ausbildungsangebote wären wichtige Schritte, um junge Erwachsene in ihrer Selbstbestimmtheit zu fördern.

Lehrkräfte als Multiplikatoren

Um lebensnahe Finanzthemen im Unterricht etablieren zu können, braucht es zuerst einmal gezielte Schulungen der Lehrkräfte. Denn auch wenn es sich dabei um keine „Rocket Science“ handelt, sollten sich Lehrer in Sachen Haushaltsplan, Schuldenfallen, etc. sicher fühlen. Auch Grundkenntnisse aus den Bereichen Finanzdatenspeicherung, Inkasso und Insolvenz müssen gezielt an Lehrer, die als Multiplikatoren fungieren, vermittelt werden.

Mangelnde Finanzbildung schadet nicht nur Schülern, sondern langfristig auch der Wirtschaft. Die KSV1870 Insolvenzursachenauswertung zeigt  ein klares Bild: ein Fünftel der Privatpleiten ist selbstverschuldet.

Finanzwissen kann zudem nur schwer in einer oder zwei Unterrichtseinheiten vermittelt, sondern muss stufenweise und flächendeckend integriert werden - am besten bereits in der Primarstufe. Zudem sollte Finanzbildung auch geschlechtersensibel etabliert werden. Studien belegen, dass bereits im Kindesalter Mädchen weniger Taschengeld bekommen als Buben. Finanzielle Abhängigkeit, die "Teilzeit-Falle” und in Folge (Alters)-Armut sollten gerade bei jungen Mädchen ebenfalls thematisiert werden.

Internationale Vorbildprojekte

Doch es gibt auch Vorreiterstaaten, die sich diesem Problem bereits angenommen haben. Beispielsweise gibt es in Australien ein praxisorientiertes Projekt, bei dem Schüler ein Budget zur Verfügung gestellt bekommen und mit diesem ein Monat lang alleine ihr Auskommen fristen müssen, um so ein Gefühl für finanzielle Verpflichtungen zu entwickeln. An diesem Konzept könnte man anknüpfen und aufbauen. So kann zum Beispiel die Führung eines Haushaltsbuches dabei helfen, sich einen Überblick über die getätigten Ausgaben zu verschaffen. Das funktioniert bereits mit 10 Euro und einer einwöchigen Dokumentation der Ausgaben.

Um den eben skizzierten großen, aber wichtigen Schritt in Richtung modernen Unterricht umsetzen zu können, müssen sich also mehrere Akteure einbringen. Vor allem aber sollte der überholte und teils veraltete Lehrplan an die aktuellen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen angepasst werden. Nur so kann die Schule ihre Kernaufgabe erfüllen: Schüler auf den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten.

 

Teach For Austria ist eine gemeinnützige, österreichische Bildungsinitiative mit dem Ziel, mehr Schülern und Kindern Zugang zu exzellenter Bildung zu ermöglichen und eine nationale Bewegung zur Beseitigung von Bildungsungerechtigkeit aufzubauen.