Wie ein Zahnrad: Qualität und Sicherheit

Qualität und Sicherheit in Unternehmen orientieren sich heute an sehr hohen Standards. Kein Zufall also, dass das Management der beiden Bereiche eine Führungsaufgabe ist. Das Ziel: reibungslose Prozesse in jeder nur erdenklichen Situation. Das war nicht immer so, wie Ereignisse aus der Vergangenheit zeigen. 

Text: Gerlinde Maschler

Qualität sichern, Sicherheit schaffen: Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Arbeitsabläufe brauchen strikte Vorgaben und laufende Kontrolle. Dass dem nicht immer so war, zeigen katastrophale Beispiele aus der Vergangenheit. Den Älteren ist etwa der Chemieunfall in Oberitalien im Jahr 1976, der unter dem Namen „Seveso-Unglück“ traurige Berühmtheit erlangte, in Erinnerung. Auch der Atomunfall in Tschernobyl in der heutigen Ukraine im Jahr 1986 hat sich bei den meisten unauslöschlich ins Gedächtnis eingegraben. 

So unterschiedlich Ursachen und Abläufe der zwei Ereignisse sind, so sehr haben sie doch auch Gemeinsamkeiten. Beide Vorfälle wurde zunächst tagelang verschleiert, führten zu zahlreichen Todesopfern und verwüsteten die Umwelt für Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte. Die Sicherheit war sträflich missachtet worden, von der Qualität der Abläufe ganz zu schweigen. Nicht nur die Technik und der Mensch hatten versagt, sondern auch gravierende Mängel in der Organisation hatten sich als Fehlerquelle herausgestellt. Tschernobyl, Seveso und andere Industrieunfälle eröffneten aber auch die Chance für Fehleranalysen. 

Gesetzliche Standards. 

Unzählige Gesetze und Normen setzen seither strikte Sicherheitsstandards. Gleichzeitig rückten aber auch sämtliche Prozesse in den Unternehmen und die Organisationsqualität selbst in den Blickpunkt. Der Weg zu einem integrierten Ansatz in der Unternehmensführung, bei dem sich Qualitäts- und Sicherheitsmanagement zu einem Paarlauf entwickelten, war damit nicht mehr weit. Die Normenreihe ISO begann bald nach ihrer ersten Version aus dem Jahr 1987, Aspekte aus beiden Bereichen zu verbinden. So lassen sich die ISO-Normen für Sicherheit einerseits und Qualität andererseits aufgrund der gleichen Struktur und des gleichen Aufbaus sehr effizient kombinieren. 

Wie ein Zahnrad.

Die Verantwortung ist in einem Top-down-Ansatz geregelt – angefangen bei der Geschäftsführung, den Prozessverantwortlichen bis zu jedem Teammitglied.

Der heute gebräuchliche integrierte Managementansatz stellt sicher, dass die Prozesse wie ein Zahnrad ineinandergreifen und nach strikten Vorgaben – die meist in Handbüchern festgeschrieben sind – ablaufen, sodass alle Produkte und Dienstleistungen bestimmten Qualitäts- und Sicherheitsstandards entsprechen. Wenig überraschend: Einen besonderen Platz im Sicherheitsmanagement bekam in den vergangenen Jahren die Sicherheit der Daten. Kleinere und mittlere Unternehmen setzen meist auf externe Lösungen, um sensible Daten zu schützen und Cyberangriffe zu vermeiden.

In vielen Klein- und Mittelbetrieben agiert die Geschäftsführung quasi als Analyse- und Kontrollinstanz. „Die Verantwortung ist in einem Top-down-Ansatz geregelt – angefangen bei der Geschäftsführung, den Prozessverantwortlichen bis zu jedem Teammitglied“, so Ingeborg Freudenthaler. Sie ist Geschäftsführerin des gleichnamigen Tiroler Abfallwirtschaftsunternehmens, das bereits in den 1990er-Jahren den Grundstein für ein noch heute gültiges Managementsystem legte, das reibungslose Organisationsabläufe gewährleistet. Ein Beispiel aus der Praxis: Die Durchführung einer Tankreinigung erfolgt nach einer exakten Arbeitsanweisung, die Qualität, Umwelt und Sicherheit vereint. Auch die 60 Mitarbeiter sind Teil des Modells, das im gesamten Unternehmen gelebt wird. Etwa wenn sie jährlich nach ihren Aus- und Weiterbildungswünschen befragt werden und daraufhin die Planung erfolgt, wie diese umzusetzen sind. 

Zertifikate geben Orientierung. 

Freudenthaler führte als erstes Entsorgungsunternehmen Österreichs ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 ein. Ihm folgten bald ein Umweltmanagement- und ein Sicherheitsmanagementsystem. „Wir leben seit mehr als 20 Jahren ein integriertes Managementmodell und betreiben Business Excellence. Unsere Zertifikate sind ISO 9001 für Qualität sowie ISO 14001 (Anm.: Umweltmanagementsystem) und EMAS (Anm.: betrifft Emissionen, Material, Energie etc.) für die Umwelt, die laufend begutachtet werden“, sagt die Firmenchefin, die so wie andere Führungskräfte weiß, wie sehr Qualität und Sicherheit direkt den Ruf eines Unternehmens, die Kundenzufriedenheit, die Mitarbeiterproduktivität und letztendlich den Geschäftserfolg beeinflussen. Denn die Normen wirken nach innen und nach außen. Sie können als Information für die Umsetzung innerhalb eines Unternehmens als auch mittels Zertifizierung zum Nachweis bestimmter Standards gegenüber Dritten dienen. 

Strenge Regeln für manche Branchen. 

Die gängigen Modelle eignen sich für viele Unternehmen – unabhängig von Größe oder Branche. Es liegt aber auf der Hand, dass manche Sparten besonders strenge Sicherheits- und Qualitätsmaßstäbe brauchen, etwa die Bahn oder die Luftfahrt. Oder auch die Hersteller von Pharmaprodukten. Letztere werden weltweit mittels GMP („Good Manufacturing Practice“) und GDP („Good Distribution Practice“) zertifiziert. Damit soll sichergestellt sein, dass Patienten mit Medikamenten in höchster Qualität versorgt werden. „Die Kriterien müssen bei der Herstellung, Verarbeitung, Verpackung und Lagerung von Arzneimitteln erfüllt werden, damit man überhaupt eine Erlaubnis erhält, die Produkte auf den Markt zu bringen“, sagt Brigitte Knapp, Geschäftsführerin bei Schmidgall, einer Wiener Tochterfirma der Pharmagruppe Galenica, die Marktführer für rezeptfreie Medikamente in der Schweiz ist. Alle drei Jahre rückt die Behörde zur Überprüfung an. Die Verantwortung liegt bei der Geschäftsführerin, die auf Qualität und Sicherheit „ein besonderes Augenmerk“ haben muss, wie sie erklärt, und dafür rund die Hälfte ihrer Arbeitszeit investiert. 

 

 Aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv - Ausgabe 3/2023.