Unternehmensinsolvenzen: Anstieg setzt sich fort
Die Zahl der Firmenpleiten befindet sich weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Daran wird sich aller Voraussicht nach bis Jahresende auch nichts ändern.
Wien, 04.07.2025 – Laut aktueller KSV1870 Analyse mussten im ersten Halbjahr 2025 in Österreich 3.491 Unternehmen (+ 6 %) Insolvenz anmelden. Das entspricht durchschnittlich 19 Firmenpleiten pro Tag. Der Handel, die Bauwirtschaft und der Sektor Gastronomie/Beherbergung verzeichnen weiterhin die meisten Fälle – sie sind für knapp die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen verantwortlich. Trotz mehr Insolvenzfällen sind im ersten Halbjahr 2025 die vorläufigen Passiva* um etwas über 60 Prozent auf 4,4 Mrd. Euro gesunken. Geschuldet ist diese Entwicklung vor allem einer deutlich niedrigeren Anzahl an Großinsolvenzen mit Passiva von jeweils über 500 Mio. Euro. Weiters sind 10.500 Arbeitnehmer (- 20,5 %) und 20.800 Gläubiger (- 20,3 %) von einer Insolvenz betroffen. Auf Basis aktueller Entwicklungen erwartet der KSV1870 am Jahresende wie zuletzt prognostiziert rund 7.000 Unternehmensinsolvenzen.
Österreichs Wirtschaftsentwicklung ist weiterhin von großer Unsicherheit geprägt. Die finanzielle Lage vieler Unternehmen hat sich in der ersten Jahreshälfte 2025 kaum stabilisiert und die heimische Geschäftslage ist derzeit so niedrig wie seit fünf Jahren nicht mehr. Lediglich 43 Prozent der österreichischen Betriebe sind aktuell mit ihrer Geschäftslage zufrieden, wie aus einer im April 2025 veröffentlichten KSV1870 Umfrage hervorgeht. Die Gründe für diese Entwicklung sind neben hohen Personal- und Energiekosten auch geopolitische Unsicherheiten, die für viele Betriebe einen gefährlichen Cocktail bilden. Vor allem exportorientierte Betriebe leiden unter den internationalen Spannungen. Infolge dieser anhaltenden Schwächeperiode mussten im ersten Halbjahr 2025 in Österreich 3.491 Unternehmen (+ 6 % gegenüber 2024) Insolvenz anmelden – davon wurden 1.318 Fälle (+ 10 %) mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Damit fällt der Anstieg bei den nicht-eröffneten Fällen deutlich höher aus, als bei den eröffneten Firmenpleiten (+ 3,5 %). „Die Unternehmen kommen in Zeiten einer internationalen Omnikrise aktuell kaum zur Ruhe. Die unausweichliche Folge ist ein hohes Insolvenzaufkommen, wie wir es in Österreich zuletzt im Jahr 2005 zu verzeichnen hatten. Zudem deutet aktuell vieles darauf hin, dass uns diese Situation noch einige Zeit begleiten wird“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz.
Größtes Insolvenzaufkommen im Handel
Wie die aktuelle KSV1870 Auswertung zeigt, verzeichnet der Handel seit Jahresbeginn mit 604 Fällen (+ 4 % gegenüber 2024) die meisten Firmenpleiten. Innerhalb der Handelsbranche ist insbesondere der Einzelhandel (340 Fälle, + 16 %) stark betroffen. Weiters bilanzieren der Großhandel (163 Fälle) mit einem Rückgang von sieben Prozent und der Handel mit Kraftfahrzeugen (101 Fälle) mit einem Minus von sechs Prozent. Hinter dem Handel folgen die Bauwirtschaft (549 Fälle, - 5 %) und die Gastronomie/Beherbergung (415 Fälle, + 3 %). Diese drei Branchen waren im ersten Halbjahr 2025 für 45 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen in Österreich verantwortlich. Parallel dazu verzeichnet das Grundstücks- und Wohnungswesen (261 Fälle), den massivsten Anstieg (+ 81 %) nach Prozenten - insbesondere der „Kauf und Verkauf von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen“ ist betroffen. Das Grundstücks-/Wohnungswesen ist auch jene Branche, die mit rund 1,24 Mrd. Euro die höchsten Passiva aufweist. Dieser Umstand ist zum überwiegenden Teil weiteren Folgeinsolvenzen seitens der Signa-Gruppe geschuldet.
Passiva* im Vergleich zum Vorjahr halbiert
Obwohl die aktuelle Analyse gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres mehr Insolvenzfälle zählt, haben sich die vorläufigen Passiva* um 60,3 Prozent auf insgesamt rund 4,4 Mrd. Euro halbiert. Diese Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es seit Jahresbeginn nur einen Fall mit Passiva* von über 500 Mio. Euro gab. Im Vorjahr gab es zum selben Zeitpunkt bereits fünf Fälle mit Passiva von teils weit über einer Milliarde Euro, wobei davon vier Insolvenzfälle der Signa-Gruppe zuzuordnen waren. Die bis dato größte Unternehmensinsolvenz (nach Passiva) des Jahres betrifft jene der Herkules Holding GmbH (Passiva: 710 Mo. Euro.), und zählt zur Signa-Gruppe. Darüber hinaus fällt auf, dass knapp 32 der 45 größten Insolvenzfälle (mind. 10 Mio. Euro Passiva) des Landes in Wien angemeldet wurden. „Rund die Hälfte aller Großinsolvenzen betreffen Unternehmen aus dem Grundstücks- und Wohnungswesen. Diese haben zuletzt recht häufig mit hohen Passiva zu kämpfen und sind traditionell vor allem in Wien angesiedelt. Das führt dazu, dass sich das Handelsgericht Wien aktuell besonders häufig mit Großinsolvenzen befassen muss“, so Götze.
Prognose 2025: Jüngste Entwicklung findet Fortsetzung
Angesichts einer breiten Palette an negativen Einflüssen, mit denen sich die Unternehmen konfrontiert sehen, erwartet sich lediglich ein Fünftel der Betriebe im Jahresverlauf eine Verbesserung ihrer derzeitigen Geschäftslage, wie aus der kürzlich präsentierten KSV1870 Umfrage hervorgeht. Die insgesamt eher schwache Wirtschaftsleistung lässt aus heutiger Sicht keine wesentliche Entspannung der aktuellen Insolvenzentwicklung in naher Zukunft erwarten. Der KSV1870 hält daher an seiner Prognose fest und geht davon aus, dass in Österreich am Ende des laufenden Jahres mit rund 7.000 Unternehmensinsolvenzen bilanziert werden muss. „Zwar hat sich die Auftragslage in einigen Bereichen zuletzt leicht verbessert, etwa in Teilen der Bauwirtschaft und bei den Finanzdienstleistern, doch das ist noch zu wenig, damit sich die teils massive finanzielle Schieflage der Unternehmen stabilisieren und nachhaltig verbessern kann. Auch deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die Zahl der Firmenpleiten in absehbarer Zeit sinken wird“, so Götze.
*) Die Passiva für das Jahr 1. Halbjahr 2025 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 03.07.2025. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.