Resilienz schaffen und investieren - Teil 2

Teil 1

Stichwort Sanktionen: Zuletzt waren ein schärferes Vorgehen und höhere Strafen gegen Unternehmen, die verspätet Bilanzen legen, in Diskussion. Der Anlass dafür war die Signa-Insolvenz. Die Erhebungen des KSV1870 haben aber gezeigt, dass in Österreich jedes achte Unternehmen seine Bilanz verspätet legt.

Das stimmt. Wir haben das in Vorbereitung auf einen Termin im Justizministerium untersucht. Anfang Februar hatte jedes achte Unternehmen die Bilanz des Jahres 2022 noch nicht hinterlegt. Die gesetzliche Frist von neun Monaten war also schon längst überschritten. Wir haben auch festgestellt, dass die Qualität der Bilanzen zum Teil haarsträubend ist. Da gab es Abweichungen bei den Aktiva und den Passiva und es wurden Bilanzen mitunter über Jahre identische Bilanzen gelegt, in denen nur das Datum geändert war. Zudem ist besonders bedenklich, dass es im Zeitalter der Digitalisierung nach wie vor Bilanzen gibt, die handschriftlich erfolgen. 

Würden höhere Strafen damit aufräumen?

Die Reduktion auf Strafen ist zu wenig. Es geht um einige Komponenten mehr. Man könnte vieles im Vorfeld schon abfedern, etwa mittels einfacher IT-Routinen feststellen, ob eine Bilanz korrekt sein kann. Man könnte auch überlegen, die Haftung zu erhöhen und dafür beim Geschäftsführer ansetzen. Oder überlegen, ein Unternehmen vorübergehend aus dem Firmenbuch zu löschen, wie das im UK gemacht wird. Ich hoffe jedenfalls nicht, dass es bei einer politischen Diskussion bleibt. Es macht aus Sicht des Risikomanagements Sinn, dass Bilanzen früher gelegt werden. Man kann eine Bonität früher ermitteln, und die Entwicklung des Unternehmens zeitnaher beurteilen. Das ist auch für das Unternehmen selbst manchmal wichtig, nicht nur für dessen Geschäftspartner.

Die Signa-Insolvenz ist ein weiteres Thema, das 2024 noch für reichlich Gesprächsstoff sorgen wird. Nach der Pleite steht die Frage im Raum, wie das denn alles passieren konnte. Welche Lehren kann und sollte man daraus ziehen?

Man kann viele Lehren daraus ziehen. Eine Ebene ist, die formalen Abläufe zu untersuchen. Was für alle Unternehmen gilt: Ich bin der Überzeugung, dass transparente Unternehmen langfristig erfolgreicher sind. Rund um Signa gab es schon immer Fragezeichen. Wir haben als KSV1870 die Bonität schon vor den Pleiten ausgesetzt, weil wir keine Informationen bekommen haben. 

Das sollte eigentlich ein Warnsignal für alle sein. 

Das ist ein Warnsignal für alle. Eine andere Lehre ist, immer in einem Szenario eines Stresstests zu arbeiten. Das würde allen Unternehmen guttun. Zu überlegen, wie sich Zinsen, Märkte und Anforderungen verändern könnten. Diese Stresstests permanent durchspielen und das eigene Businessmodell zu prüfen: Wie valide ist es? Welche Alternativen gibt es? Was verändert sich, wenn sich Zinsen verändern? Wir wussten schon vor vier Jahren, dass sich die Zinsen verändern werden. Das ist nicht aus heiterem Himmel gekommen. Außergewöhnlich war eher die lange Periode der Nullzinsen davor, in der Geld nichts gekostet hat.

Kann die Wirtschaft heuer zum Klingen kommen?

Wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann wird bereits prognostiziert, dass es in Richtung des dritten, vierten Quartals besser wird. Es zeichnet sich ein leichter Aufschwung ab. Ich kann den Unternehmerinnen aber nur empfehlen, 2024 nicht auf die politische Unterstützung zu warten. In einem Wahljahr wird viel versprochen, aber wenig entschieden. Es werden Bräute geschmückt und Ideen vorgestellt, die Umsetzung aber erst in einer nächsten Phase stattfinden. Umso mehr die Empfehlung an jeden Unternehmer und jede Unternehmerin: Schau auf dein Geschäft, schau wie du dein Geschäft entwickelst. 

Sehen Sie die heimische Wirtschaft für die kommenden Herausforderungen gut aufgestellt?

Unterschiedlich. Rund die Hälfte der Unternehmen in Österreich laufen ganz gut. Sie sind solide aufgestellt, treffen langfristige, nachhaltige Entscheidungen, schauen in die Zukunft. Ich glaube, dass 40 % eine noch stärkere Fokussierung brauchen, was es jetzt zu tun gilt. Die restlichen 10 % sind sicher massiv ‚under fire‘. Wir haben schon noch ordentlich Substanz, viele Unternehmen eine hohe Eigenkapitalquote. Dennoch muss jedes zweite Unternehmen etwas tun, um seine Lage zu verbessern. In dem Dilemma stecken wir.

Sie predigen auch immer, auf die Bonität der Geschäftspartner und das Forderungsmanagement zu achten. 

Das ist unser Kerngeschäft und sollte Teil des Risikomanagements eines jeden Unternehmens sein. Meine Empfehlung für jedes Unternehmen, von der kleinsten Unternehmerin bis zum großen Konzern, ist, Risikomanagement-Assessments durchzuführen. Das beginnt mit einem Bonitätsmonitor mit dem ich die vielleicht 100 Partner, mit denen ich laufend zusammenarbeite, permanent überprüfen kann. Wir bieten auch einen Insolvenzcheck an, bei dem man 250 Unternehmen einmelden kann. Wenn bei einem dieser Unternehmen etwas passieren sollte, kann man relativ schnell reagieren. Das Forderungsmanagement ist dabei der dritte Punkt. Vor allem junge Unternehmen, die vielleicht noch von ein paar wenigen Großkunden abhängig sind, neigen oft dazu, verspätet Rechnungen zu stellen. Unser Rat ist immer, Rechnungen so schnell wie möglich zu stellen und wenn möglich auch einen Partner wie den KSV1870 zu nehmen, der das Forderungsmanagement übernimmt. Wir schauen, dass die Unternehmen ihr Geld und damit die Liquidität zurückbekommen. 

Weil Sie junge Unternehmen ansprechen: Auch aus dem Start-up-Sektor ist die Euphorie etwas verschwunden. 

Es ist für sie zumindest definitiv schwieriger, sich zu finanzieren. Bei Start-up-Bewertungen fragen Investoren auch immer klarer nach, wann eine Idee zu monetarisieren beginnt. Der Monetarisierungszyklus wird auch kleiner. Früher gab man den Unternehmen 10 bis 15 Jahre dafür Zeit. Mittlerweile denkt man in Rahmen von drei bis fünf Jahren. Und manche Kronjuwelen schnappen uns auch internationale Konzerne weg. Im KI-Bereich gibt es etwa Unternehmen, bei denen es schade ist, dass wir sie nicht hier halten konnten. 

Die Hoffnung auf exponentielles Wachstum scheint auch ziemlich verflogen zu sein. 

Es gibt wenige Unternehmen, die wirtschaftliche Gesetze außer Kraft setzen können. Wir haben das immer wieder erlebt. Auch bei vielen Start-ups, die heute nicht mehr existieren. Es hat sich gezeigt, dass es leider doch keinen Feenstaub und keine Zauberei gibt. Mit einem guten Produkt am Markt zu sein ist eine Grundvoraussetzung, aber das reicht nicht. Da sind schon viele Unternehmen daran gescheitert. Auch ein technologischer Vorteil reicht nicht immer aus. Es gibt Technologien, die sich trotz allem nicht durchsetzen. Unternehmen müssen auch aufpassen, dass sie nicht alles nur auf Hoffnung setzen. Das kann Gift sein und ein Unternehmen kaputt machen. Erfolg ist immer hart erarbeitet und das Resultat vieler einzelner Maßnahmen. Er entsteht aus vielen Einzelkomponenten und nicht aus einer einzigen. 

Pressefoto von Ricardo-José Vybiral