Privatinsolvenz: Verkürzte Rückzahlungsdauer wird zum Bumerang für Konsumenten

•    KSV1870 begrüßt verkürzte Entschuldungsdauer von „redlichen Unternehmern“ auf 3 Jahre
•    Entschuldung innerhalb von 3 Jahren für private Schuldner ist hingegen gesellschaftspolitisches Harakiri
•    Private Schuldner benötigen Zeit, um Schulden zurückzuzahlen – das funktioniert nicht von heute auf morgen

Wien, 09.12.2020 – Der KSV1870 steht seit 150 Jahren für Transparenz und faires Wirtschaften. Als führende Wirtschaftsplattform des Landes ist es seine Aufgabe, Gesetzesänderungen im Vorfeld kritisch zu beleuchten und auf daraus resultierende Gefahren für die heimische Wirtschaft explizit hinzuweisen. Die geplante Umsetzung der RIRL (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) sieht mehrere Veränderungen für das heimische Insolvenzsystem vor, die der Gläubigerschutzverband differenziert bewertet. Während eine auf drei Jahre verkürzte Entschuldungsdauer von „redlichen Unternehmern“ nachvollziehbar ist, steht der KSV1870 einer ebenfalls auf drei Jahre reduzierten Rückzahlungsdauer im Privatinsolvenzbereich mit größter Skepsis gegenüber. 

Kürzere Entschuldungsdauer für „redliche Unternehmer“ sinnvoll
Eine Verkürzung der Entschuldungsdauer von „redlichen Unternehmern“ auf drei Jahre bewertet der KSV1870 als ein adäquates Instrument, um Österreichs Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Darüber hinaus sei es ein probates Mittel, um Unternehmern die Angst vor den Konsequenzen eines möglichen Scheiterns zu nehmen. 

Österreichs Betriebe leisten aus volkswirtschaftlicher Sicht einen überaus wertvollen Beitrag. Im Gegensatz zu privaten Schuldnern sorgen sie für Wirtschaftswachstum, schaffen Arbeitsplätze und gehen ein gesellschaftlich erwünschtes Unternehmerrisiko ein, ohne dem die heimische Wertschöpfungskette nicht funktionieren würde. Schon alleine deshalb wäre eine Gleichstellung von „redlichen Unternehmern“ und privaten Schuldnern nicht nachvollziehbar. „Die Möglichkeit einer rascheren Entschuldung von redlichen Unternehmern sowie ein damit verbundener Neustart nach drei Jahren wären ein wesentlicher Eckpfeiler, um Österreich als einen Top-Player der internationalen Wirtschaftsszene nachhaltig zu etablieren“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG. Dazu bedarf es allerdings auch einer Änderung im allgemeinen Mindset: „Österreich braucht eine Kultur der zweiten Chance und keine Stigmatisierung von Unternehmern, deren Geschäftsmodell im ersten Anlauf nicht funktioniert hat. Das ist nicht das Ende der Welt. Vielmehr sollten sie dazu ermutigt werden, einen neuen Anlauf zu wagen“, so Vybiral.     

Privatinsolvenz: Rückzahlungsdauer von 3 Jahren gesellschaftspolitisches Harakiri 
Im Zuge der Umsetzung stellt die RIRL den Ländern die Option frei, eine Verkürzung der Rückzahlungsdauer auch bei den privaten Schuldnern umzusetzen. Diese Option bewertet der KSV1870 gänzlich anders als jene bei den Unternehmern. Eine derartige Änderung im Bereich der Privatinsolvenz wäre nicht nur nicht sinnvoll, sondern bringt zudem massive gesellschaftspolitische Gefahren mit sich – etwa den Verlust des verantwortungsvollen Handelns von privaten Konsumenten. 

Aktuelle Entschuldungsdauer bei Privaten beibehalten
Das aktuell gültige Entschuldungsrecht wurde erst mit dem IRÄG 2017 geändert, indem unter anderem die Entschuldungsdauer von 7 auf 5 Jahre verkürzt, sowie die Mindestquote abgeschafft wurde. Diese Änderungen waren bereits damals ein Kompromiss, zudem sind diese noch viel zu „jung“, um sie aktuell objektiv evaluieren zu können. Eine erneute Verkürzung sollte aber in jedem Fall auf evidenzbasierten Argumenten fußen. Aus diesem Grund plädiert der KSV1870 dafür, die aktuelle Rückzahlungsdauer von 5 Jahren im Privatinsolvenzverfahren beizubehalten und steht einer neuerlichen Verkürzung auf 3 Jahre sehr skeptisch gegenüber. Lieber sollten zunächst einmal erste aussagekräftige Erkenntnisse der 2017 erfolgten Adaptierung abgewartet werden, um weitere Schritte zu setzen. 

Schuldenabbau benötigt Zeit
„Schuldner benötigen Zeit, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist es zumeist ausgeschlossen, dass dieser Prozess innerhalb von drei Jahren vonstattengeht. Denn dem Betroffenen muss es trotz Schuldenabbaus möglich sein, die Grundbedürfnisse des Lebens wie Essen, Heizkosten und Strom begleichen zu können“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Darüber hinaus wird dem Schuldner bei einer neuerlichen Verkürzung die Chance genommen, sich bei seinen Gläubigern zumindest teilweise zu rehabilitieren. Es ist demnach für Private nicht zielführend, eine Entschuldung im Eiltempo zu durchlaufen. 

Gefahr: Verantwortungsvolles Wirtschaften wird abgeschafft
Als weiteres Argument gegen eine neuerliche Verkürzung erachtet der KSV1870 jenen Aspekt als relevant, dass Konsumenten durch eine erneut verkürzte Entschuldungsdauer suggeriert wird, sie selbst müssen wenig Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, zumal überbordende und selbst verursachte Konsumschulden ohnehin „relativ leicht“ wieder los zu werden seien. „Es würde nicht nur das Bewusstsein für das eigene Handeln sowie die ‚Angst‘ vor Konsumschulden verloren gehen, sondern auch die Chance auf einen nachhaltigen Lernprozess stark gemindert werden. Dabei kommt das Thema der Finanzbildung heutzutage ohnehin bereits deutlich zu kurz“, so Götze. 

Verkleinerung des Kreditmarktes möglich
Als eine zusätzliche negative Auswirkung könnte sich aus KSV1870 Sicht auch eine Verkleinerung des Kreditmarktes erweisen: Es ist davon auszugehen, dass bei verkürzter Rückzahlungsdauer in privaten Schuldenregulierungsverfahren die Vergabe von neuen Krediten stark zurückgeht. „Die Zugänglichkeit zu Krediten würde damit auch redlichen Konsumenten erschwert werden. Und ob sich etwa eine Jungfamilie dann noch den Traum vom eigenen Haus erfüllen kann, ist mehr als fraglich“, erklärt Götze.