Start-up-Boom auf Sparflamme

Die Gründerszene erlebt auch in Österreich einen verhaltenen Boom. Um zu internationalen Hotspots wie London, Berlin oder Stockholm aufschließen zu können, gibt es aber noch viel zu tun.
 

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Das Wiener Start-up Juno, das einen neuartigen Fruchtbarkeitstest für Frauen anbietet, konnte sich vor kurzem über eine Investition in Höhe von EUR 1,2 Mio. freuen. Mit dem Geld, das bei der Puls-4-Start-up-Show „2 Minuten. 2 Millionen“ und einer anschließenden Finanzierungsrunde aufgestellt wurde, will man international expandieren. Investitionen in Start-ups in dieser Größenordnung sind in Österreich mittlerweile keine Seltenheit mehr. Allein 2016 erhielten laut dem vom Gründer und Start-up-Enthusiasten Florian Kandler herausgegebenen „Startup Report Austria“ knapp 20 innovative junge Firmen Finanzspritzen von EUR 1 Mio. oder mehr. In den vergangenen Jahren sei sehr viel weitergegangen, sagt Markus Raunig, der AustrianStartups, einer Interessenvertretung heimischer Start-ups, vorsteht. „Noch vor fünf Jahren hätte mit dem Begriff ‚Start-up‘ der Großteil der Leute nichts anzufangen gewusst“, meint Raunig, „jetzt ist es in der breiten Masse Thema.“
 
International bedeutungslos. Dennoch ist der Start-up-Standort Österreich international bedeutungslos. Während Investitionen in heimische Start-ups im vergangenen Jahr knapp über EUR 80 Mio. ausmachten, wurden nach Berechnungen der Unternehmensberater von Ernst & Young in Großbritannien, Deutschland und Frankreich zwischen EUR 2,3 und 3,7 Mrd. in junge, innovative Unternehmen investiert. Auch der Größe nach vergleichbare Länder wie Schweden, Finnland, Irland, die Schweiz und Belgien lassen Österreich mit Risikokapitalinvestitionen zwischen EUR 140 Mio. und 1,2 Mrd. weit hinter sich.
 
Best Practice. Was aber machen diese Länder anders? In Start-up-Hotspots wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den nordischen Ländern ist der Zugang zu Kapital einfacher, der Talentepool ist größer, und bürokratische Hürden sind weit geringer. Auch sind viele erfolgreiche Gründer der Szene treu geblieben, investieren ihrerseits in Start-ups und geben ihr Know-how an junge Gründer weiter. Ein Beispiel dafür ist der Schwede Niklas Zennström, der mit dem von ihm mitgegründeten Start-up Skype viel Geld verdiente. Heute steht er hinter dem Risikokapitalgeber Atomico, der Beteiligungen an zahlreichen erfolgreichen jungen Unternehmen hält. In Finnland hat der Verkauf der Mobilfunksparte des ehemaligen Handy-Weltmarktführers Nokia viele Talente und auch viel Geld freigesetzt. Ehemalige Nokia-Mitarbeiter gründeten Start-ups, was dem Land einen regelrechten Gründer-Boom bescherte, der durch den Abbau bürokratischer Hürden bei der Gründung weiter befeuert wurde. Innerhalb eines Tages könne man in Finnland ein Unternehmen anmelden, erzählt Kevin Linser: „Das Land ist extrem gründerfreundlich.“ Der in Tirol aufgewachsene Finne hat in Helsinki das Finanz-Start-up selma.io gegründet, das demnächst europaweit starten will und eines von 4.000 Start-ups ist, die jährlich in Finnland ins Leben gerufen werden.
 
Bis zu 1.000 Neugründungen pro Jahr. In Österreich werden nach Berechnungen der KMU Forschung Austria jährlich zwischen 500 und 1.000 Start-ups gegründet. Ein Unternehmen gilt dann als Start-up, wenn es eine technologische Innovation einführt oder ein innovatives Geschäftsmodell verfolgt und nicht älter als zehn Jahre ist. Wie das WU Gründungszentrum in einer vor kurzem veröffentlichten Studie herausfand, sind die Gründer zu mehr als 90 % männlich und im Schnitt knapp 31 Jahre alt. Gegründet wird zumeist im Team von zwei bis drei Personen. Inklusive Gründern zählen die jungen Firmen im Schnitt neun Beschäftigte. Das Gros der Start-ups hat den internationalen Markt im Visier. Fast 77 % bieten ihre Produkte und Dienstleistung auch außerhalb Österreichs an. 85 % der Gründer investierten eigenes Geld in ihre Firmen, 55 % erhalten Förderungen von öffentlichen Stellen, etwas mehr als 50 % bekommen auch Hilfe von Business Angels oder Inkubatoren.
 
Viele Förderungen am Start. Vor allem zur Unternehmensgründung gibt es in Österreich ausreichend Geld von Förderstellen, wie beispielsweise der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws). Auch die Zahl privater Investoren und Business Angels hat zugenommen. „Es gibt für die Anfangsphase bereits viel Kapital am Markt. Auch große Unternehmen sind auf das Thema aufgesprungen und haben Inkubatoren und Akzeleratoren aufgebaut“, sagt der Gründer Andreas Langegger. Sein Start-up Zoomsquare ging 2013 mit einer Immobiliensuche in Wien an den Start. Mittlerweile ist der Dienst auch in anderen österreichischen Landeshauptstädten und in Deutschland erfolgreich.
 
Der Beitrag der Politik. Auch Politiker haben Start-ups für sich entdeckt. Im vergangenen Jahr verabschiedete die Regierung ein Start-up-Paket in der Höhe von EUR 185 Mio. Start-ups erhalten in den Anfangsjahren Vergünstigungen bei den Lohnnebenkosten. Das Paket umfasst auch eine Risikokapitalprämie, mit der Investitionen in junge Firmen angekurbelt werden sollen. Auch ein im Jahr davor verabschiedetes „Crowdfunding“-Gesetz, das schwarmfinanzierte Projekte eine rechtliche Basis geben soll, hat Start-ups den Zugang zu frischem Geld erleichtert. Vor allem in der Wachstums- und Expansionsphase sind Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups aber nach Meinung von Experten hierzulande weiterhin rar.
 
Unternehmergeist wenig ausgeprägt. Was braucht es, damit Österreich zu internationalen Start-up-Hotspots aufschließen kann? „Der Unternehmergeist ist hierzulande noch nicht sehr ausgeprägt“, meint Raunig. Zwar habe sich in den vergangenen Jahren einiges zum Besseren gewendet, ein Unternehmen zu gründen sei für viele Leute aber immer noch keine Option. Das Bildungssystem müsse mehr zur Bewusstseinsbildung beitragen, fordert Raunig. Es gebe auch zu wenige Gründer, die bereits erfolgreiche Start-ups aufgebaut haben und viel Erfahrung einbringen könnten, sagt Zoomsquare-Chef Langegger. „Erfolgreiche Gründer betätigen sich meist wieder in der Szene. Das ist entscheidend für den Start-up-Standort.“
 
Talente sind rar. In Österreich gibt es auch bei gut ausgebildeten Technikern und Programmierern Nachholbedarf. Während sich in London, Paris und Berlin jeweils zwischen 80.000 und 300.000 Software-Entwickler tummeln, sind es in Wien laut den Daten der auf diesen Bereich spezialisierten Agentur Stack Overflow nur knapp über 40.000. Globale Hotspots wie das Silicon Valley zählen mehr als 560.000 Entwickler. Der Pool an verfügbaren Talenten sei in Österreich nicht besonders groß, sagt AustrianStartups-Geschäftsführer Raunig. Langfristig brauche es Initiativen im Bildungsbereich, kurzfristig müsse es für Start-ups einfacher gemacht werden, internationale Fachkräfte ins Land zu holen.
 
Bürokratische Hürden. Es müsste auch einfacher gemacht werden, Unternehmensanteile an Mitarbeiter abzugeben, sagt Langegger. Derzeit sei dies nur sehr schwer möglich. „Dann könnten Jobs bei Start-ups auch dann attraktiv sein, wenn sie nur nach dem Kollektivvertrag bezahlt werden.“ Langegger mahnt auch weitere steuerliche Anreize für Investoren ein: „Die von der Regierung verabschiedete Risikokapitalprämie ist ein erster Schritt. Sie ist aber zu wenig.“ Daneben gibt es für Gründer auch bürokratische Hürden. „In Österreich ist es immer noch schwer, eine Firma zu gründen. Es gibt viele Auflagen, die zu erfüllen Zeit in Anspruch nimmt“, sagt Raunig. „Für Start-ups muss es schnell gehen. Das passt nicht zusammen.“
 
Investor gesucht. Worauf sollten junge Unternehmen bei der Investorensuche achten? Mittlerweile gebe es für jedes Start-up auch den richtigen Investor, sagt Raunig: „Jeder Business Angel oder Inkubator hat Spezialgebiete, in denen er sich auskennt und Hilfestellungen geben kann.“ Ansonsten gelte: auf möglichst vielen Bühnen stehen und seine Ideen präsentieren. Auch Zoomsquare-Gründer Langegger rät dazu, bei der Investorensuche darauf zu achten, ob die Geldgeber auch mit Kontakten und Know-how weiterhelfen können. Bei der Suche sollten sie sich auch nicht auf Österreich beschränken. „Wenn man Investoren sucht, sollte die Geschäftsidee ohnehin so groß sein, dass sie auch für andere Länder taugt.“
 

Gründerzentren: Aufbruchstimmung in Wien und Linz

Der Austausch mit anderen Gründern und der Zugang zu Investoren und etablierten Unternehmen sind für Start-ups zentral. In Wien und Linz entstehen gerade Gründerzentren, die jungen Firmen genau das bieten wollen.
 
US-Start-up-Zentrum als Vorbild. Im Nouvel Tower am Wiener Donaukanal arbeitet das von Risikokapitalgebern und erfolgreichen Gründern ins Leben gerufene Wexelerate-Konsortium an einem Start-up-Hub auf 5.000 Quadratmetern, in dem jährlich 100 junge Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Medien und „Internet der Dinge“ aufgenommen werden sollen. Auch für Investoren und etablierte Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle mit neuen Ideen auffrischen wollen, sind in dem auf vier Stockwerke verteilten Gründerzentrum Plätze reserviert. Im Erdgeschoss wird es einen für jedermann zugänglichen Coworking Space geben, in dem auch Veranstaltungen stattfinden sollen. Vorbild für das Start-up-Zentrum ist das Plug and Play Tech Center in San Francisco, das als weltgrößter Akzelerator für junge Techfirmen gilt. „Wir wollen groß denken und international an die Spitze“, sagt Wexelerate-Geschäftsführer Hassen Kirmaci. Zusatz: „Wir glauben nicht, dass die Größe des Landes als Restriktion gelten muss.“ Bewerbungen für Plätze in dem Start-up-Zentrum, das im September den Betrieb aufnehmen will, werden unter www. wexelerate.com entgegengenommen. Die Initiatoren rechnen mit bis zu 10.000 Anfragen aus aller Welt.
 
Ebenfalls große Brötchen werden in Linz gebacken. Auf dem Gelände der ehemaligen Tabakfabrik unweit der Donau entsteht auf 80.000 Quadratmetern ein Start-up-Campus, in dem sich junge, innovative Firmen untereinander austauschen und mit etablierten Unternehmen und Investoren vernetzen sollen. Ins Leben gerufen wurde die factory300, die im Juni starten will, vom Business-Angel-Netzwerk startup300, dem prominente Inkubatoren und Risikokapitalgeber wie etwa Hansi Hansmann und Michael Altrichter angehören. Ein eigener Riskiokapitalfonds mit einer Ausstattung von EUR 40 bis 60 Mio. wird sich auf dem Gelände ansiedeln. Auch Runtastic, das wohl erfolgreichste oberösterreichische Start-up, das 2015 für EUR 220 Mio. an den Sportartikelhersteller adidas verkauft wurde, unterstützt das Gründerzentrum. COO Alfred Luger: „Wir brauchen solche Hotspots.“
 

Support für Gründer

Wo kann ich Förderungen beantragen? Wie komme ich mit Investoren und anderen Gründern in Kontakt? Wer ein Start-up gründen möchte, steht vor vielen Fragen. Eine Reihe von Initiativen gibt Hilfestellungen.
 

  • Austrian Startups (www.austrianstartups.com)
    Die aus der österreichischen Start-up-Community entstandene Initiative wartet mit einer breiten Palette an nützlichen Services für Gründer auf. Ein „Startup Package“ mit günstigen Angeboten für Büroplätze, Rechts- und Steuerberatung sowie Telekommunikationsdienstleistungen wird ebenso angeboten wie Tipps von Gründern und Listen von Investoren, Business Angels und Förderstellen. In Wien und anderen österreichischen Landeshauptstädten wird einmal im Monat ein Start-up-Stammtisch veranstaltet, bei dem sich Gründer und Investoren untereinander austauschen können.
     
  • Startup Report Austria (www.startupreport.at)
    Vom Gründer und Start-up-Enthusiasten Florian Kandler erstelltes Verzeichnis von Investitionen in österreichische Start-ups. Auf mehr als 40 Seiten finden sich auch zahlreiche Tipps von erfolgreichen Gründern.
     
  • Austrian Angel Investors Association (www.aaia.at)
    Netzwerk aus Investoren, Unternehmen und etablierten Konzernen, das Start-ups mit Investitionen, Know-how und Kontakten unterstützen will.
     
  • startup300 (startup300.at)
    Zusammenschluss österreichischer Business Angels, der Gründern mit Kapital und Tipps aus einem großen Netzwerk zur Seite steht.
     
  • Female Founders (www.femalefounders.at)
    Mehr als 90 % der heimischen Start-ups werden von Männern gegründet. Die Initiative Female Founders möchte mehr Frauen zum Gründen bewegen. Möglichkeiten zum Netzwerken werden ebenso geboten wie Mentoring und Workshops für Gründerinnen.
     
  • Austria Wirtschaftsservice (www.aws.at)
    Die Förderbank des Bundes bietet eine breite Palette an Fördermöglichkeiten für Start-ups in unterschiedlichen Entwicklungsphasen.
     
  • Pioneers Festival (pioneers.io)
    Österreichs größtes Festival für Start-ups findet einmal jährlich in Wien statt. Mehr als 3.000 Gründer, Investoren und Interessierte aus 70 Ländern tummeln sich im eindrucksvollen Ambiente der Wiener Hofburg. Heuer geht das Event am 1. und 2. Juni über die Bühne.

Text: Patrick Dax

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