Die Prinzipien der aktuell gültigen Steuergesetze sind nicht in der Lage, die digitale Wirtschaft angemessen zu erfassen. Sowohl die OECD als auch die EU veröffentlichten kürzlich wesentliche Arbeiten bzw Vorschläge für entsprechende Änderungen. Neben langfristigen Lösungsansätzen stehen dabei auch kurzfristige Übergangslösungen zur Debatte.
Anpassungserfordernis der steuerlichen Rahmenbedingungen
Internetunternehmen gehören zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen. Sie sind nur eingeschränkt auf eine physische Präsenz angewiesen und damit sehr flexibel. Sie sind bereits ein entscheidender Wirtschaftsfaktor, und ihre Bedeutung wird noch weiter zunehmen. Die effektive Steuerbelastung von Internetunternehmen ist jedoch verhältnismäßig gering – die OECD spricht von einer 9,5%igen Steuerquote, verglichen mit 23,2 % bei traditionellen Industrieunternehmen.
Der Grund dafür wird zugegebenermaßen in den aktuell gültigen Steuergesetzen gesehen. Deren Prinzipien, die teilweise vor Jahrzehnten entwickelt wurden, sind nicht in der Lage, die digitale Wirtschaft angemessen zu erfassen. Vor diesem Hintergrund stehen Änderungsmaßnahmen derzeit weit oben auf den Agenden von OECD als auch EU.
Zwischenbericht der OECD zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft
Das BEPS-Projekt („Base Erosion and Profit Shifting“) der OECD/G20, im Rahmen dessen mittels 15 Maßnahmen („Actions“) der Gewinnverlagerung durch multinationale Unternehmen entgegengewirkt werden soll, befasste sich im Rahmen der „Action 1“ bereits mit den steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft. Zwar konnten bereits im Final Report zu „Action 1“ ein paar diesbezügliche Lösungsansätze präsentiert werden, eine konzertierte Empfehlung war allerdings zum damaligen Zeitpunkt – wie im Übrigen auch jetzt – noch nicht möglich.
Um einen abgestimmten Lösungsansatz für die angemessene steuerliche Erfassung der digitalen Wirtschaft zu entwickeln, erachtet es die OECD in einem ersten Schritt für entscheidend, die Funktionsweise der digitalen Geschäftsmodelle sowie deren Wertschöpfung zu verstehen. Dementsprechend beschäftigt sich der Zwischenbericht mit den wesentlichen Merkmalen der digitalen Wirtschaft und identifiziert drei Charakteristika, welche digitale Geschäftsmodelle regelmäßig aufweisen: Digitale Unternehmen sind in der Lage, eine hohe wirtschaftliche Tätigkeit in einem Land auszuüben, ohne dabei eine physisch lokale Präsenz zu benötigen, sie sind stark von immateriellen Wirtschaftsgütern abhängig und sind auf Daten sowie Userinteraktion einschließlich Netzwerkeffekte angewiesen.
Während zwar Einigkeit unter den teilnehmenden Ländern (im Rahmen des Inclusive Framework sind aktuell über 110 Länder im BEPS-Projekt involviert) darüber besteht, dass die drei genannten Charakteristika bezeichnend für digitale Geschäftsmodelle sind, so konnte bisher kein Konsens dahingehend erzielt werden, ob und in welchem Umfang diese zur Wertschöpfung der Unternehmen beitragen. Um in Richtung einer konsensbasierten Lösung zu gelangen, sollen in einem weiteren Schritt nun die Voraussetzungen für „Nexus“ sowie die Vorschriften zur Gewinnverteilung vor dem Hintergrund der Auswirkungen der digitalen Wirtschaft untersucht werden.
Neben diesen grundlegenden steuerlichen Herausforderungen, die die digitale Wirtschaft für das internationale Steuerrechtssystem mit sich bringt, können einzelne Merkmale der digitalen Wirtschaft natürlich auch BEPS-Risiken auslösen. Die Umsetzung der BEPS-Actions ist bereits in vollem Gange (neben diversen unilateralen Maßnahmen in einzelnen Ländern sind insbesondere auch die EU-Anti-BEPS-Richtlinien zu erwähnen), und erste Erfolge seien schon sichtbar. So berichtet die OECD, dass viele internationale Konzerne bereits entsprechende Umstrukturierungen vornehmen, um den Anfall ihrer steuerlichen Gewinne in Einklang mit dem Ort ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu bringen.
Daneben beobachtet die OECD allerdings auch, dass verschiedene Staaten weitergehende unilaterale Vorschriften einführen, um digitale Unternehmen steuerlich zu erfassen. In Summe steht die OECD solchen unilateralen Maßnahmen jedoch skeptisch gegenüber, da diese erwartungsgemäß zu wirtschaftlichen Verzerrungen, Doppelbesteuerungen und Unsicherheiten sowie erhöhter Komplexität führen würden. Im Zwischenbericht werden daher die Rahmenbedingungen erörtert, welche in Bezug auf solche unilaterale Maßnahmen berücksichtigt werden sollten, und eine indirekte Steuer auf bestimmte digitale Dienstleistungen als mögliche Zwischenlösung diskutiert.
Der kürzlich veröffentlichte Zwischenbericht stellt daher ein Update der OECD auf ihrem Weg zu einer abgestimmten Lösung dar, welche für 2020 geplant ist. Ein weiterer Zwischenbericht ist für 2019 avisiert.
Übergangslösungen auf EU-Ebene
Die EU-Kommission würde zwar eine globale Lösung, insbesondere unter Einbindung der OECD, grundsätzlich begrüßen, sieht angesichts der aktuell unversteuert gebliebenen Gewinne von Internetunternehmen aber die Notwendigkeit, in diesem Bereich kurzfristig und gegebenenfalls als Vorreiter Lösungen anzubieten. Dazu hat die EU-Kommission diese Woche zwei Legislativvorschläge vorgelegt, welche nun dem Rat zur Annahme und dem Europäischen Parlament zur Konsultation vorgelegt werden.
Die Richtlinienvorschläge der EU umfassen einerseits einen längerfristigen Lösungsansatz im Rahmen einer Reform der Körperschaftsteuervorschriften der EU, um digitale Tätigkeiten zu erfassen, andererseits soll mittels einer Übergangslösung sichergestellt werden, dass bereits kurzfristig Steuereinnahmen durch die Mitgliedsstaaten generiert werden können.
Die geplante Übergangssteuer würde als indirekte Steuer iHv 3 % auf Erträge aus bestimmten digitalen Tätigkeiten angewendet werden. Konkret sollen dabei jene Tätigkeiten erfasst werden, bei denen dem Nutzer eine wichtige Rolle bei der Wertschöpfung zukommt und welche bisher steuerlich noch nicht erfasst wurden, beispielsweise Erträge aus dem Verkauf von Online-Werbeflächen, Erträge aus digitalen Vermittlungsgeschäften sowie Erträge aus dem Verkauf von Daten, die aus Nutzerinformationen generiert werden. Die Besteuerung würde vorerst nur bei Unternehmen mit jährlichen weltweiten Gesamterträgen iHv 750 Millionen Euro und EU-Erträgen iHv 50 Millionen Euro zur Anwendung kommen und richtet sich damit primär an die Big Player der „Digital Economy“.
Digitale Betriebsstätte als langfristiges Konzept
Um zum Ziel der Gewinnbesteuerung zurückkehren zu können, schlägt die EU-Kommission langfristig die Einführung des Konzeptes der „digitalen Präsenz“ bzw „virtuellen Betriebsstätte“ vor. Von einer solchen wäre demnach auszugehen, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: jährliche Erträge von mehr als sieben Millionen Euro in einem Mitgliedsstaat, mehr als 100.000 Nutzer in einem Steuerjahr in einem Mitgliedsstaat oder Abschluss von mehr als 3.000 Geschäftsverträgen über digitale Dienstleistungen zwischen dem Unternehmen und gewerblichen Nutzern in einem Steuerjahr. Die Implementierung dieser Vorschriften in den Geltungsbereich der Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (CCCTB) wird angedacht.
Hier könnte sich auch der Kreis zur OECD wieder schließen. Denn neben einer Abzugsteuer auf bestimmte digitale Dienstleistungen und einer Ausgleichsabgabe hat die OECD auch die Überarbeitung der steuerlichen Anknüpfungsregeln in Richtung einer „significant economic presence“ (digitalen Betriebsstätte) als mögliche langfristige Lösung untersucht.
Ausblick
Der veröffentlichte Zwischenbericht der OECD schließt an die Arbeiten im Rahmen der BEPS-„Action 1“ an und stellt ein Update auf dem Weg zu einer – zwischen den teilnehmenden Ländern des Inclusive Framework – abgestimmten Empfehlung dar. Diese ist für das Jahr 2020 geplant, mit einem weiteren Zwischenbericht ist 2019 zu rechnen. Das Ziel auf EU-Ebene wäre demgegenüber, dass die Richtlinienvorschläge bis spätestens 31. Dezember 2019 bereits in innerstaatliches Recht umgesetzt werden und somit bereits ab 1. Jänner 2020 geltendes Recht darstellen.
Zur Verfügung gestellt von der KPMG Austria GmbH.
Mehr Steuertipps in der Ausgabe forum.ksv 2/2018.
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