Die Konkurseröffnung des Versandhauses Quelle Österreich am 16. November 2009 markierte einen schwarzen Tag in der Geschichte des österreichischen Handels. Das jahrzehntelang erfolgreiche Unternehmen wurde von der Pleite der deutschen Muttergesellschaft in den Abgrund gerissen. Aber trotz allem: Das Konkursverfahren gilt bis heute als eines der „erfolgreichsten“, denn vor allem der Masseverwalter zeichnete sich durch Entschlossenheit, Mut und Schnelligkeit aus, wodurch eine hohe Quote für die Gläubiger zustande kam.
Als damals junge Insolvenzreferentin des KSV1870 war ich ab November 2009 bei den Verhandlungen rund um die Pleite von Quelle Österreich, die ihren Stammsitz in Linz hatte, an vorderster Front dabei. Der Zusammenbruch der Quelle AG war bis zum Jahr 2009 die größte Handelspleite in Oberösterreich und bundesweit die drittgrößte nach Konsum und Libro. Wir absolvierten für die vertretenen Gläubiger im Rahmen des knapp zweieinhalb Jahre dauernden Insolvenzverfahrens 19 Gerichtstermine, waren bei Gläubigerausschuss-Sitzungen dabei und können heute ein sehr positives Resümee über den Ablauf und das Ergebnis ziehen. Denn letztlich erhielten die Gläubiger eine historisch einmalige Quote von 61,3 Prozent. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde in kaum einem anderen oberösterreichischen Konkursverfahren eine derart hohe Quote erreicht. Und was sich abermals als Erfolgsfaktor bei Großinsolvenzen erwiesen hat: wenn das Gericht ein gut eingespieltes Team von Masseverwaltern bestellt. Die Linzer Rechtsanwälte Erhard Hackl, Rudolf Mitterlehner und Thomas Zeitler hatten einerseits die Aufgaben für die Abwicklung der Insolvenz perfekt aufgeteilt und scheuten nicht vor harten Entscheidungen zurück.
Die Erfolgsgeschichte von Quelle (1959 bis 2009)
Ein Blick zurück erinnert an ein Unternehmen, das Generationen von Käufern das bescherte, was man heute neudeutsch ein Shopping-Erlebnis nennt: Wer nicht in die Quelle-Shops gehen wollte, der konnte über einen zuletzt mehr als 2.000 Seiten dicken Katalog von der Waschmaschine bis zu Socken alles bestellen, was in einem Haushalt dringend oder weniger dringend benötigt wurde. Das über Jahrzehnte erfolgreiche deutsche Versandhaus war 1927 von Gustav Schickedanz in Fürth gegründet worden. 1959 startete Quelle Österreich als erste Auslandstochter in Vöcklabruck (OÖ) und nur ein Jahr später begann die Expansion mit Quelle-Kaufhäusern in Graz und Linz. 1965 eröffnete in Linz die Versandzentrale mit 400 Mitarbeitern. Quelle Deutschland schloss sich 1998 mit der Kaufhauskette Karstadt und deren Tochter Neckermann zur KarstadtQuelle AG zusammen, die ab 2007 zum Dachkonzern Arcandor gehörte.
Sogwirkung aus Deutschland
Im Schicksalsjahr 2009 präsentierte Quelle Österreich zum 50jährigen Firmenjubiläum mit Stolz eine nahezu lupenreine Bilanz. Der Jahresüberschuss 2008 lag bei rund 7 Mio. Euro, was bei 215 Mio. Euro Umsatz eine respektable Umsatzrentabilität von 3 Prozent ergab. Der Schönheitsfehler waren hohe Verbindlichkeiten gegenüber der deutschen Mutter in der Höhe von 78,5 Mio. Euro, die den KSV1870 schon damals zur Herabstufung der Bonität veranlasst hatten. Das Mutterunternehmen geriet 2009 in wirtschaftliche Turbulenzen und musste im Juni desselben Jahres Insolvenz anmelden. Die größte Auslandstochter in Österreich hatte nicht nur massive Außenstände beim Mutterkonzern, sondern geriet auch durch die enge Verflechtung mit diesem bei Einkauf, IT, Logistik und Marketing unweigerlich in den Insolvenzstrudel.
Hoffnung auf Fortführung nicht erfüllt
Am 16. November 2009 langte beim Gericht in Linz der Konkursantrag der Quelle Österreich AG ein. Für einen Masseverwalter beginnt mit der Übernahme des Mandats ein oft langer und fordernder Weg, bei dem zunächst die Rettung des Unternehmens als Ganzes im Fokus steht. Schließlich geht es um Arbeitsplätze, um den Standort an sich und viele Gläubiger, die um ihr Geld zittern. Bei Quelle trat rasch der damals sehr prominente Investmentbanker Michael „Mike“ Lielacher auf den Plan, der Mitarbeitern und Politik Hoffnung auf den Erhalt von Arbeitsplätzen in Linz machte. Sein Angebot, gemeinsam mit „namhaften österreichischen Investoren“ Forderungen, Anlage- und Umlaufvermögen, Kundendaten, Warenvorräte sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe für rund 51 Mio. Euro zu kaufen, schrumpfte allerdings innerhalb weniger Monate auf 35 Mio. Euro. Zudem enthielt das neue Offert, das im Februar 2010 auf dem Tisch des Masseverwalters landete, plötzlich geänderte und praktisch unerfüllbare Vertragsbedingungen.
Besonderheit: eigene GmbH zur Verwertung
Die beauftragten Insolvenzanwälte, die den gesetzlichen Auftrag zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung haben, handelten schnell und – wie sich später herausstellte – goldrichtig. Lielachers Angebot wurde in den Wind geschlagen und die Einzelverwertung begann. Es galt im Rahmen des Gläubigerausschusses, in dem der KSV1870 ein aktives Mandat innehatte, die Interessen der 2.700 Gläubiger - darunter 1.500 aktive und pensionierte Beschäftigte und auch 175 selbständige Quelle-Shops - zu vertreten. Insgesamt wurden von ihnen 83,1 Mio. Euro an Verbindlichkeiten geltend gemacht. 52,5 Mio. Euro entfielen auf Lieferanten und 30,6 Mio. Euro auf Mitarbeiter, die allerdings durch den staatlichen Insolvenzentgeltfonds abgesichert waren. Dass die Quelle-Pleite in die Annalen der Wirtschaftsgeschichte Oberösterreichs einging, ist der großen Bekanntheit des Unternehmens und der historisch hohen Quote für die Gläubiger zuzuschreiben. Die Gründung einer eigenen Verwertungsgesellschaft, die die Rechtsform einer GmbH hatte, war zu dieser Zeit eine Besonderheit. Warum das so war? Aufgrund der Dimension dieses Verfahrens und dem Umstand geschuldet, dass das Verfahren erst nach Ende des Abverkaufs final abgewickelt werden konnte, wurde die QDL Dienstleistungs GmbH als 100%ige Tochter der Konkursmasse gegründet. Dadurch war gewährleistet, dass sich die Beschäftigten um eine ordnungsgemäße Abwicklung professionell kümmern konnten.
Die Weichen waren richtiggestellt
Es war die Idee der Anwälte, eine 100-Prozent-Tochter der Konkursmasse ins Leben zu rufen und über diese den gesamten Verwertungsprozess abzuwickeln. Der Verkauf der werthaltigen Immobilie in Linz, eines gut ausgestatteten Fuhrparks, des beweglichen Vermögens sowie die Abwicklung von Forderungen gegenüber Kunden spülten in weniger als zweieinhalb Jahren mehr als 45 Mio. Euro in die Kasse der Verwertungs-GmbH. Im Mai 2012 konnte der Fall dann abgeschlossen werden. Rückblickend hat sich auch bei Quelle wieder einmal bestätigt, dass in den ersten Wochen nach der Insolvenzeröffnung die Weichen dafür gestellt werden, wie das Verfahren ausgeht. Dazu gehört auch der Mut zu ungewöhnlichen Entscheidungen, bei Quelle etwa die Verhandlungen mit Interessenten abzubrechen. Das ist mit Sicherheit auch eines der großen „Learnings“, die aus diesem Fall hervorgehen.