Der „Old Boys Club“ hat ausgedient

Frauen in Führungspositionen sind in Österreich immer noch rar. Die umstrittene Frauenquote hilft jedoch, Männerdomänen aufzubrechen. Außerdem nutzen findige Unternehmen die weiblichen Talente, um High Potentials und Kundinnen zu gewinnen.

Frauen in der Wirtschaft

Text: Markus Mittermüller

Die Frauenquote wirkt – das sagen zumindest die nüchternen Zahlen. Seit 1. Jänner 2018 müssen große Unternehmen in Österreich 30 % der Aufsichtsratsmandate mit Frauen besetzen. Der Frauenanteil in jenen 29 Börsenfirmen, die unter diese Quote fallen, lag zu Beginn dieses Jahres im Aufsichtsrat bei 27,5 % – 2018 waren es 22 %. Gleichzeitig ist hingegen der Frauenanteil in den Vorstandsetagen heimischer börsennotierter Unternehmen im Vorjahr von 6 auf 4,8 % zurückgegangen. Experten warnen bereits vor negativen Folgen für die Wirtschaft, sollten Frauen in den Chefetagen weiterhin die Ausnahme bleiben. Speziell die Innovationsfähigkeit der Unternehmen würde langfristig darunter leiden. Greift die Frauenquote daher zu kurz? Was ist notwendig, um eine geschlechtermäßige Ausgewogenheit auf Managementebene herzustellen? Und: Sind Frauen in Wirklichkeit sogar die besseren Leader?

Mann entscheidet für Mann.

Ein Blick in die Praxis verdeutlicht, dass es offensichtlich keine einfachen Antworten auf diese Fragen gibt. Die Oberbank hat seit Jahren versucht, Frauen durch spezielle Maßnahmen wie Familienförderungsprogramme in Führungspositionen zu heben. „Doch wir sind damit nicht weitergekommen“, gibt Generaldirektor Franz Gasselsberger unumwunden zu. Einer der Gründe liegt für ihn in der zu dominanten Männergesellschaft: „Jeder Abteilungsleiter bei uns muss seine eigene Nachfolge vorbereiten. Und ein Mann entscheidet sich eben wieder für einen Mann“, sagt Gasselsberger. In den kommenden zehn Jahren ist dem Generaldirektor zufolge ein gutes Viertel der 400 Führungskräfte nachzubesetzen. Daher hat sich die Oberbank unter dem Titel „Gender-Balance-Projekt“ entschlossen, eine fixe Frauenquote einzuführen. Das heißt: In 33 Bereichen sollen 50 % Frauen arbeiten. Der Frauenanteil in Führungspositionen soll in den nächsten zehn Jahren auf 40 % verdoppelt werden – so der Plan. „Es geht uns um eine ausgewogene Besetzung der Positionen. Das Projekt ist daher kein ausschließliches Frauenförderungsprojekt“, so Gasselsberger.

Mittel zur Kundengewinnung.

Bei der Oberbank steht ein Generationenwechsel bevor – wie bei vielen anderen Firmen auch. Dieser soll vorrangig aus dem Potenzial des eigenen Unternehmens bewältigt werden. Der demografische Wandel und das Employer Branding sind zusätzliche Bereiche, in denen sich der Bankmanager positive Effekte durch das Projekt erhofft: „Steigt die Zahl unserer Mitarbeiterinnen, werden wir auch als Unternehmen interessanter – speziell für Kundinnen. Also ist unser Vorhaben auch ein Kundengewinnungsprogramm.“ Dass eine Quotenregelung nicht ohne begleitende Maßnahmen funktioniert, ist klar. Als einer der ersten Schritte werden daher Führungspositionen im Unternehmen auch ausgeschrieben. „Weiters müssen wir ein klares Signal setzen, dass eine Babypause nicht zum Karriereknick führen darf“, so Gasselsberger. Für den Wiedereinstieg sind daher flexible Angebote geplant – von Teilzeit bis hin zu Telearbeit. 

Weiblichen Talentepool anzapfen.

Für Anke van Beekhuis, Expertin für Gender Balance und Unternehmenskultur, ist diese Vorgehensweise der richtige Weg: „Jedes Land, in dem Gleichheit gelebt wird, hat eine Quote eingeführt. Für die Besetzung von Führungspositionen werden im Moment meist nur Männer gesehen. Wenn den Führungskräften jedoch eine Quote vorgegeben wird, zum Beispiel, dass bei Nachbesetzungen die Quote 50/50 einzuhalten ist, dann müssen sie ihre Suche erweitern und auch im weiblichen Talentepool fischen. Gleichzeitig lassen sich so auch zusätzliche Potenziale finden, die bis jetzt nicht gesehen wurden.“ Eine Quote alleine sei aber zu wenig, ergänzt van Beekhuis: „Viele Unternehmen haben eine Quote meist nur für die gesamte Organisation. Diese gehört aber auf alle Bereiche heruntergebrochen. Und es braucht Prozesse, neue Rahmenbedingungen und Tools für Führungskräfte, damit diese erreicht werden kann.“

Steigt die Zahl unserer Mitarbeiterinnen, werden wir auch als Unternehmen interessanter – speziell für Kundinnen. Also ist unser Vorhaben auch ein Kundengewinnungsprogramm.

Dass Unternehmen ohne Frauen in Führungspositionen auch wirtschaftlich ins Strudeln geraten können, zeigen die Ergebnisse der Studie „Die weiblichen Führungskräfte von morgen“, die van Beekhuis im Vorjahr unter Studentinnen zwischen 20 und 29 Jahren durchgeführt hat: „Frauen, gute Frauen kommen nicht in Organisationen, die rein männlich besetzt sind. Sie sehen hier wenige Aufstiegschancen. Das ist Fakt“, so van Beekhuis. Bedeutet: Ohne geschlechtermäßige Durchmischung werden in Zukunft keine High Potentials mehr in die Organisation kommen.

„Old Boys Club“ schadet Wirtschaft.

Ein Problem für den Wirtschaftsstandort Österreich ortet auch Helen Pelzmann, Partnerin von EY Law Österreich. Ihrer Ansicht nach leidet die Innovationsfähigkeit in Unternehmen auch darunter, dass diese nach wie vor ein „Old Boys Club“ sind. „Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Sichtweisen, Ideen und Fähigkeiten führt oft zu neuen Lösungen, zu mehr Innovationskraft und wird so ein wichtiger Faktor für den Unternehmenserfolg“, erklärt Pelzmann. Das bestätigt auch Heike Mensi-Klarbach vom Institut für Gender und Diversität in Organisationen der Wirtschaftsuniversität Wien. „Rein männlich zusammengesetzte Gruppen performen schlechter als gemischte Gruppen.“

Mehr Frauen in Handel, IT und Finanz.

Gibt es Branchen, die schon einen Schritt weiter sind? Ja, die gibt es. Die Daten dazu liefert EY: In den Chefetagen von Handelsunternehmen sind aktuell die meisten Frauen anzutreffen. Hier liegt die Quote bei 14 %. An zweiter Stelle folgt die IT-Branche mit 11 %, knapp dahinter die Finanzbranche (10 %). Keine einzige Vorständin gibt es aktuell in sechs weiteren Branchen: Automobil, Energie, Immobilien, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport. Am höchsten ist der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder derzeit in der Telekommunikationsbranche (33 %). Dahinter folgen die Finanz- (30 %), Energie- (28 %) und Transportbranche (26 %). Van Beekhuis erkennt durchaus Veränderungen, was die klassische Branchenaufteilung von Frau und Mann betrifft: „Natürlich stehen im Pflegebereich mehr Frauen am Arbeitsmarkt zur Verfügung als in der Technik. Aber mittlerweile sind auch in der Technik bereits 30 % des Personals weiblich.“

Es sind oft die größeren Konzerne mit ihren starren und männlichen Strukturen, die Vielfalt nicht ermöglichen. Frauen fühlen sich hier nicht angesprochen.

Die Expertin bringt in diesem Zusammenhang aber auch die Größe der Unternehmen ins Spiel. Klein- und Mittelbetriebe haben oft weniger Probleme, Frauen zu bekommen – auch für technische Berufe. „Es sind oft die größeren Konzerne mit ihren starren und männlichen Strukturen, die Vielfalt nicht ermöglichen. Frauen fühlen sich hier nicht angesprochen“, erklärt van Beekhuis.

 

Role Models sind gefragt.

Frauen wollen also – auch das ist ein Ergebnis der Studie – Role Models. 83 % der Befragten sind überzeugt, dass sich mehr junge Frauen eine Führungsrolle zutrauen würden, wenn es mehr positive Beispiele im Top-Management gäbe. Die optimale Führungskraft, die sich die weiblichen High Potentials von morgen wünschen, ist kommunikativ, kollegial, empathisch und durchsetzungsfähig. Eigenschaften, die üblicherweise eher Frauen zugeschrieben werden – was darauf schließen lässt, dass sich die Teilnehmerinnen der Studie eher einen weiblichen Führungsstil wünschen. Männlich behaftete Eigenschaften wie Risikobereitschaft und Machtbewusstsein waren den Befragten weniger wichtig.

Keine Stereotypen.

Sind Frauen angesichts dieser Eigenschaften sogar die besseren Leader? Mensi-Klarbach wehrt sich gegen Stereotypen wie diese: „Man kann es nicht verallgemeinern. Was es hingegen schon gibt, sind Rollenzuschreibungen, wie Mann und Frau im Führungsstil sein sollen.“ Diese Vorstellungen beeinflussen die Beurteilung von Führungskräften, die nicht diesen Zuschreibungen entsprechen. Sinnvoller wäre es, sich zu überlegen, wie Führungskräfte eigentlich sein sollten. „Und auch die Frage, welche Leistungen jemand dafür erbracht haben muss, sollte geklärt sein“, so Mensi-Klarbach.

In der Frage der Gleichstellung gilt Norwegen weltweit als Vorbild. Es ist auch jenes Land, das 2006 als erstes eine Quote für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Führungspositionen eingeführt hat. Aktuell weist Norwegen mit 40 % den dritthöchsten Frauenanteil in Führungspositionen innerhalb Europas auf. Diese Wirkung wird der Quotenregelung in Österreich von den Experten eher nicht zugetraut. Denn laut Pelzmann handelt es sich um eine klassische „österreichische Lösung“: Und zwar deshalb, weil die Regelung nur für Neubestellungen gilt. Und auch nur für börsennotierte Unternehmen sowie Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, deren Aufsichtsrat aus mindestens sechs Kapitalvertretern besteht. Zusätzlich muss die Belegschaft zu mindestens 20 % aus Frauen bestehen. „Sind nur fünf Kapitalvertreter im Aufsichtsrat, gilt die Regelung schon nicht mehr“, kritisiert Pelzmann.

Warum jedoch ein ausgewogener Mix an Männern und Frauen auch im Geschäftsleben so wichtig ist, bringt Mensi-Klarbach auf den Punkt: „50 % der Menschheit besteht aus Frauen. Geht man davon aus, dass Talente und Intelligenz normal verteilt sind, dann stellt sich die Frage: Warum sollte man die Hälfte ausschließen und so einen großen Anteil an fähigen Personen verlieren?“