Wirtschaft im Aufwind - Pleiten haben Flaute

Der KSV1870 gab in der Pressekonferenz die aktuellen Insolvenzdaten für Unternehmen und Private bekannt.

Hier geht's zu den finalen Zahlen:

Insolvenzstatistik Unternehmen I. Halbjahr 2012

Wien, 26.06.2012 Insolvenzzahlen des KSV1870 zum Halbjahr zeigen deutlich: Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist mit einem minimalen Zuwachs von 1,6 % praktisch unverändert gegenüber dem Vergleichszeitraum 2011. Es wurden 3.044 Unternehmen insolvent. Dabei ergibt sich allerdings eine deutliche Verschiebung von (mangels Masse) nicht eröffneten Verfahren hin zu eröffneten Insolvenzverfahren (Plus ca. 9 % gegenüber 2011).

Davon betroffen waren Verbindlichkeiten von ca. EUR 1,3 Mrd. fast unverändert gegenüber 2011 und 9.700 Dienstnehmer, das entspricht einem deutlichen Minus von 7,6 %. Noch nie seit 1995 waren mit durchschnittlich 5,4 Personen so wenige Dienstnehmer pro Unternehmen von einer Insolvenz ihres Dienstgebers betroffen.

 

2012 2011 Veränderung
Eröffnete Insolvenzen 1.812 1.657 + 9,4 %
Nichteröffnete Insolvenzverfahren (mangels kostendeckenden Vermögens) 1.232 1.339 - 8,0 %
Gesamtinsolvenzen 3.044 2.996 + 1,6 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten in EUR 1,3 Mrd. 1,2 Mrd. + 8,3 %

 

Bundesländer-Rundreise
Interessanterweise zeigen sich bei den Bundesländern ganz unterschiedliche Trends, sodass sich ein näherer Blick darauf lohnt. Auch wenn österreichweit die Insolvenzen praktisch unverändert dastehen, haben manche Bundesländer ein Plus, andere ein Minus zu verzeichnen.

Bundesland

Fälle I. HJ 2012 Fälle I. HJ 2011 Veränderung
Wien 893 970 -7,9%
Niederösterreich 483 456 5,9%
Burgenland 124 89 39,3%
Oberösterreich 401 403 -0,5%
Salzburg 212 166 27,7%
Vorarlberg 106 89 19,1%
Tirol 179 209 -14,4%
Steiermark 440 414 6,3%
Kärnten 206 200 3,0%
Gesamt 3.044 2.996 1,6%

2 Jahre IRÄG 2010
Am 1.7.2012 feiert das IRÄG 2010, das viele Erwartungen erfüllen konnte, seinen
2. Geburtstag. Manche Regeln mussten intensiver beleuchtet werden, zu anderen will die Diskussion nicht abreißen. Jedoch ist es ein ausgesprochen gesundes Kind, das einen „Eltern" auch Freude macht. Bei aller geäußerter und auch berechtigter Kritik, vor allem an der Zurückdrängung der Gläubigerrechte, kann man heute von einer rundum gelungenen Reform sprechen.

Prognose für 2012
Die Prognose des KSV1870 vom Dezember 2011 lautete für 2012, dass die Insolvenzen sich im Wesentlichen auf dem Niveau von 2011 weiterentwickeln würden. Angesichts der Halbjahreszahlen und der derzeitigen Wirtschaftsentwicklung darf diese Erwartung aufrechterhalten werden. Die Fälle sind allerdings insgesamt kleiner, was sich an der Anzahl der betroffenen Dienstnehmern und den Schulden der insolventen Unternehmen ablesen lässt.

Einmal mehr zeigt sich, dass die sogenannte Krise primär eine Krise des Finanzsektors ist, und dass sich die Realwirtschaft gut behaupten kann.

Die vollständige Insolvenzanalyse finden Sie im nachstehenden Download.

Insolvenzstatistik Private I. Halbjahr 2012

In Österreich haben im ersten Halbjahr 2012 über 5.000 Personen die Bereinigung ihrer Schulden in Angriff genommen. Hochgerechnet werden bis Jahresende voraussichtlich mehr als 10.000 Schuldenbereinigungsverfahren von Konsumenten in Gang gesetzt werden.

Die 5.016 Schuldenregulierungen (Hochrechnung) im 1. Halbjahr sind um 2 % mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2011. Die Schulden in diesen Verfahren beliefen sich auf insgesamt EUR 609 Mio., was einem Zuwachs von etwa 8 % gegenüber 2011 entspricht. Durchschnittlich waren somit pro Verfahren ca. EUR 122.000,- an Schulden zu regulieren.
Allerdings betrifft ca. 1/3 all dieser Verfahren Personen, deren Schulden aus früherer Selbständigkeit resultieren. Die durchschnittliche Schuldsumme „echter" Privater beträgt rund EUR 55.000,-, wogegen die Schulden der ehemals Selbständigen teilweise stark oszillieren können; sie betrugen im Beobachtungszeitraum ca. EUR 265.000,-.

 

2012 2011 Veränderung
Eröffnete Schuldenregulierungsverfahren 5.016 4.917 + 2,0 %
Geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten 609 Mio. 565 Mio. + 7,8 %

Reform des Privatkonkurses:
Seit 5 Jahren wird über anstehende Reformen des Privatkonkursrechtes berichtet. Insgesamt ist das Problem der Verschuldung der privaten Haushalte in den letzten 20 Jahren nicht kleiner, sondern eher größer geworden. Waren laut einer Untersuchung des Sozialministeriums um das Jahr 1990 ca. 80.000 in Österreich lebende Personen materiell insolvent, so schätzt der KSV1870 diese Zahl heute auf 120.000 bis 150.000; und das obwohl seit 1995 über 80.000 Schuldenregulierungen in Angriff genommen worden sind. Daran kann man ermessen, dass das Verfahren noch wesentlich ausgebaut werden muss. Jedenfalls was die Kapazitäten bei den Gerichten anlangt, als auch bei den staatlich subventionierten Schuldenberatern: Immer dann, wenn deren Budgets aufgestockt bzw. dem Bedarf angepasst worden waren, sind die Zahlen der Privatkonkursverfahren in die Höhe geschnellt.

Ausblick auf das Gesamtjahr 2012:
Die Prognose des KSV1870 aus dem Dezember 2011 lautete, dass die Zahl der Schuldenregulierungen (vulgo Privatkonkurs) im Jahr 2012 um ca. 5 % anwachsen werde. Im Hinblick auf die Entwicklung im ersten Halbjahr und die gegenwärtig doch stabile Situation unselbständig Beschäftigter kann davon ausgegangen werden, dass diese Prognose mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt wird; Dies bedeutet eine Zahl von ca. 10.080 Verfahren. Sollten weitere Investitionen in die Beratungsinfrastruktur vorgenommen werden, so könnten dadurch noch mehr Schuldner an das Entschuldungsverfahren herangebracht werden.

Für den Inhalt verantwortlich:
Dr. Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz

Die vollständige Insolvenzanalyse finden Sie im nachstehenden Download.