Löschung einer GmbH und Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

Wer parteifähig ist, ist auch insolvenzfähig. Bei einer GmbH haben sowohl die Auflösung als auch der Löschungsbeschluss durch das Firmenbuchgericht nicht den Verlust der Parteifähigkeit der Gesellschaft zur Folge. Dieser setzt die Vollbeendigung voraus, für die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft erforderlich ist. Daher ist nach der Auflösung der Gesellschaft die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zulässig, solange Vermögen vorhanden ist.

Der antragstellende Gläubiger muss das Vorhandensein von Vermögen bescheinigen, es sei denn, die Kapitalgesellschaft ist zwar aufgelöst, aber noch nicht gelöscht (OLG Wien 28 R 220/08s ZIK 2009/34, 21; OLG Wien 6 R 6/18y). Die Konkursfähigkeit dauert auch noch nach der Löschung im Firmenbuch jedenfalls so lange an, „als das Vermögen nicht verteilt ist“. Aber auch trotz Verteilung besteht die Konkursfähigkeit dann noch weiter, wenn das Gesellschaftsvermögen vor der Befriedigung aller Gläubiger an die Gesellschafter verteilt wurde; in diesem Fall entsteht nämlich neues Vermögen in Form von Rückforderungsansprüchen gegen die empfangenden Gesellschafter und in Form von Schadenersatzansprüchen gegen die Liquidatoren. Ebenso können Anfechtungsansprüche ein unverteiltes Vermögen ersetzen. Wenngleich eine (erfolgreiche) Anfechtung nur „den Insolvenzgläubigern gegenüber“ wirkt und das Vermögen der Gesellschaft unverändert lässt, sodass sie – für sich genommen – die Vollbeendigung der aufgelösten und gelöschten schuldnerischen Gesellschaft eigentlich nicht verhindern kann, erfordert der Zweck des Insolvenzanfechtungsrechts in diesen Fällen die Durchführung eines Insolvenzverfahrens, sodass aus insolvenzrechtlicher Sicht die Vollbeendigung der Gesellschaft auch so lange zu verneinen ist, als ein Anfechtungsanspruch zugunsten der Gläubiger besteht (OLG Wien 28 R 11/15s; OLG Wien 6 R 327/17b ZIK 2018/236, 187).

Die Löschung einer GmbH im Firmenbuch ist allerdings insofern relevant, als diese mit konstitutiver Wirkung zum Wegfall ihrer organschaftlichen Vertretung führt. Auch dadurch wird eine Konkurseröffnung über das Vermögen der Schuldnerin nicht unzulässig. Hat eine Kapitalgesellschaft keinen organschaftlichen Vertreter, so kann die Zustellung an die Gesellschaft ohne Bestellung eines Kurators durch Aufnahme in die Ediktsdatei erfolgen. Diese Bekanntmachung ist durch den Hinweis zu ergänzen, dass alle weiteren Zustellungen an die zuletzt dem Gericht bekannte Anschrift der Gesellschafter erfolgen werden. Das Gericht hat die Gesellschafter über Form und Inhalt dieser öffentlichen Bekanntmachung zu benachrichtigen. Ein Zustellanstand hinsichtlich dieser Benachrichtigung hindert das weitere Verfahren nicht. Die Zustellung an die Gesellschaft gilt vier Wochen nach Aufnahme in die Ediktsdatei als bewirkt.

Diese Regelung geht über eine Zustellungsvorschrift hinaus und macht den Verzicht auf einen Notgeschäftsführer und damit die Prozessfähigkeit der Kapitalgesellschaft möglich. Durch die Wirksamkeit der Zustellungen leidet das Verfahren nicht an einem Mangel, und die im Insolvenzverfahren ergehenden Entscheidungen sind auch nicht mit Nichtigkeit bedroht. Die Benachrichtigung der Gesellschafter bezweckt deren Information mit dem Ziel, dass diese für eine Vertretung der Gesellschaft sorgen (ErläutRV 1588 BlgNR 25. GP 18).

Die Legitimation zum Rekurs gegen einen Eröffnungsbeschluss kommt Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft zu, wenn keine Geschäftsführer oder Liquidatoren zur Vertretung der Gesellschaft vorhanden sind (8 Ob 78/11w; 8 Ob 127/18m).

Einem Gesellschafter kommt für das eröffnete Insolvenzverfahren keine Vertretungsbefugnis zu, selbst wenn das Insolvenzverfahren über eine Kapitalgesellschaft aufgrund eines als Eigenantrag zu wertenden Antrags eines Mehrheitsgesellschafters eröffnet wurde (OLG Wien 28 R 280/15z; OLG Wien 6 R 150/17y). Die vom Gesetzgeber angenommene Abhilfemöglichkeit, die zu verständigenden Gesellschafter könnten den Vertretungsmangel durch Bestellung eines Geschäftsführers beenden, kann nach Löschung der Gesellschaft nämlich nicht mehr zur Anwendung kommen (vgl OLG Wien 6 R 377/19h).

ZIK 2021/271
OLG Wien 25.5.2021, 6 R 61/21s
IO: §§ 1, 27, 68 Abs 1, § 69 Abs 3a, §§ 71c, 258a, 260
FBG: § 40

Weitere Tipps finden Sie in der Ausgabe 02/2022 des forum.ksv Magazins.