100 Jahre Insolvenzvertretung: Unsere Stimme zählt!

Signet zum 100. Jubiläum des KSV1870 als erste bevorrechterer Gläubigerschutzverein.

Die Bevorrechtung markiert für den KSV1870 den Aufbruch in eine neue Zeit. Seither kann der Verband die Interessen einer Vielzahl von Gläubigern bündeln und nimmt auch offiziell eine gewichtige Rolle ein. Die KSV1870 Geschäftsführung im Interview über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 
 

forum.ksv: Der KSV1870 feiert ein besonderes Jubiläum: 100 Jahre Bevorrechtung. Wie war das damals? 

 

Pressefoto von Ricardo-José Vybiral
Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG

Ricardo-José Vybiral: Tatsächlich betreuen wir seit mehr als 100 Jahren Gläubiger in Insolvenzverfahren. Aber seit der Bevorrechtung 1925 können wir für unsere Aufwendungen einen Kostenersatz beanspruchen. 1959 erhielten wir dann das Vertretungsrecht vor Gericht. Davor war unser Haus so etwas wie ein Informationsbüro. Es wurden Daten aufbereitet und Unterlagen für die Verhandlungen vorbereitet. Tatsächlich bei Gericht waren dann aber externe Verbandsanwälte im Einsatz. Denn in Österreich war die gewerbsmäßige Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten Anwälten und Notaren vorbehalten. Die vom damaligen Bundeskanzler erteilte Bevorrechtung war für uns also von enormer Bedeutung, denn sie war die Basis des „organisierten“ Gläubigerschutzes, wie wir ihn heute kennen. In weiterer Folge konnten wir unmittelbar am Verhandlungstisch sitzen und für die Gläubiger eintreten. Bis heute sind wir ein wesentlicher „Player“ im heimischen Insolvenzwesen. Aus einem privatrechtlichen Verein von Kaufleuten wurde so eine gesetzlich anerkannte und abgesicherte Institution, um die uns viele Länder beneiden. Sie war sozusagen der Ausgangspunkt für unseren Erfolg, wobei über die Jahre mehr und mehr Geschäftsbereiche dazugekommen sind. Und aufgrund sich rasant ändernder gesetzlicher Vorgaben kommen laufend neue dazu. Unseren Fokus auf Risikomanagement und Kreditschutz haben wir aber nie verloren – und das ist auch gut so.  

Hannes Frech: Ganz genau, Schuster bleib bei deinem Leisten, heißt es so schön. Mit dem Insolvenzgeschäft hat alles begonnen und der KSV1870 hat sich im Rahmen des Gläubigerschutzes zu einem wichtigen Ansprechpartner mit herausragender Expertise entwickelt. Heute ist es nach wie vor so, dass wir bei Insolvenzfragen oder Gesetzesnovellen gerne auch um unsere Meinung gebeten werden. Und diesem Wunsch kommen wir selbstverständlich nach. Denn es ist unverändert unser Auftrag, Gläubiger und ihre finanziellen Interessen zu schützen und für sie größtmögliche Rückflüsse zu generieren. Gleichzeitig sind wir bemüht, Unternehmen zu erhalten, wenn es wirtschaftlich sinnvoll und möglich ist.

Welche sind Ihre Aufgaben im Rahmen der Insolvenzvertretung?

Vybiral: Das Spektrum ist tatsächlich sehr breit. Zuallererst einmal informieren wir die Gläubiger über Insolvenzen und bitten im Rahmen von Erstrundschreiben um deren Vertretungsmandat. Zu diesem Zweck werden Insolvenzen auch veröffentlicht. Darüber hinaus informieren wir auf unserer Website im Insolvenzticker und unsere Mitglieder erhalten wöchentlich Insolvenzinformationen. In weiterer Folge besuchen wir die Tagsatzungen und erarbeiten tragfähige Lösungen im Zusammenspiel mit den Gerichten und Insolvenzverwaltern. Wir sind bei allen Schritten federführend dabei, bis hin zu Abstimmungen für unsere Kunden und Mitglieder. Wer uns eine Generalvollmacht überträgt, hat sichergestellt, dass er flächendeckend in Österreich bei Insolvenzverfahren vertreten wird, sprich an allen ca. 140 Insolvenzgerichten. Und aufgrund unseres guten Rufs werden wir von den Gerichten regelmäßig in Gläubigerausschüsse berufen. 

Das Gläubigerinteressen durch Verbände vertreten zu lassen, ist ein österreichisches Unikum. Dem Vernehmen nach blicken andere Länder neidvoll darauf. Warum ist das so?

Mag. Hannes Frech, CFO KSV1870 Holding AG
Hannes Frech, CFO der KSV1870 Holding AG

Frech: Ja, tatsächlich ist der organisierte Gläubigerschutz in Österreich seit Jahrzehnten ein Erfolgsmodell, denn er ermöglicht die schnelle Abwicklung von Verfahren. Doch rasch ausgehandelte, akzeptable Kompromisse bedürfen einer gut organisierten Gläubigerschaft. Und die Praxis hat gezeigt, dass wenige Akteure in Insolvenzverfahren bessere Erfolge bringen als viele. So werden Sanierungspläne in Österreich mit wenigen, dafür aber professionellen Gläubigervertretern ausverhandelt. Von den Ergebnissen profitieren alle Gläubiger, denn ein wesentlicher Eckpfeiler des Insolvenzrechts ist die Gleichbehandlung. Darüber hinaus setzen die Quoten, die in Österreich ausverhandelt werden, Maßstäbe. Wir verfügen über eine einzigartig hohe Quote an Unternehmenssanierungen in unserem Land. Rund ein Drittel der Betriebe schafft es, sich aus einem entsprechenden Verfahren heraus zu sanieren. Die Unternehmen, die Potenzial haben, bleiben somit am Markt und schaffen Wertschöpfung. Insofern leisten wir auch einen wichtigen Beitrag für einen starken Wirtschaftsstandort. 

Wie ist der KSV1870 heute organisiert? 

Vybiral: Mit Fug und Recht können wir heute von uns sagen, dass wir eine der führenden Wirtschaftsplattformen des Landes sind. Neben der Insolvenzvertretung haben wir heute ein umfangreiches Portfolio zur Unterstützung von Unternehmen: Wir bieten Inkasso und Wirtschaftsinformationen, decken aber auch moderne Themen durch Lösungen in den Bereichen Cybersecurity und DORA ab. Ebenso sind Services für das digitale Onboarding durch OpenFinance Teil unseres Aufgabenbereichs. Wir sehen es als unseren Auftrag, im Innovationsbereich ganz vorne mitzumischen. Aus diesem Grund sind wir auch stets offen für Beteiligungen. Aber unsere „erste Liebe“ war die Insolvenz. 

Der KSV1870 ist eine Expertenorganisation. Was haben Sie über die Jahre gelernt?

Frech: Dass es wichtig ist, in einer Gesellschaft Wissen zu teilen. Und das machen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig – etwa indem sie in die Schulen gehen und Vorträge zu unseren Kernthemen bzw. Verschuldung halten. Financial Education ist uns ein zentrales Anliegen und hier können wir auch inhaltlich etwas beitragen. Mittlerweile haben wir eine Reihe von Kooperationen - etwa mit Teach for Austria bis hin zur WU Wien, um unsere inhaltlichen Botschaften in Bildungsinstitutionen zu tragen. Wir hoffen sehr, dass wir damit im Sinne der Verschuldensprävention etwas bewirken, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. 

Was bleibt zu sagen?

Vybiral: Wir freuen uns auf die nächsten hundert Jahre im Dienste der österreichischen Wirtschaft, denn für sie schlägt unser Herz. 

 

Vielen Dank für das Gespräch.