Geschäftsführer tragen eine große Verantwortung – auch gegenüber dem Gesetz. Um ein böses Erwachen zu vermeiden, sollte man sich rechtzeitig mit Haftungsfragen vertraut machen.
Text: Raimund Lang, Markus Hinterberger
Ein Unternehmen zu führen ist für viele Menschen nicht nur Beruf, sondern auch Berufung. Die Aufgabe ist verdienstvoll, die Verantwortung groß, und Fehlentscheidungen können zuweilen Folgen unterschiedlich drastischen Ausmaßes nach sich ziehen. Auch ganz ohne kriminelle Absicht kann ein Geschäftsführer unter unglücklichen Umständen vor dem Kadi landen. Führungskräfte sollten deshalb stets das Thema Haftung im Hinterkopf behalten.
Nicht völlig aus der Verantwortung genommen.
Die Haftungsfrage spielt bereits bei der Unternehmensgründung eine gewichtige Rolle. Ist sie doch eines der wesentlichen Kriterien für die gewählte Gesellschaftsform. In Einzelunternehmen und Personengesellschaften sind die Gesellschafter zugleich Geschäftsführer und haften persönlich und uneingeschränkt. In Kapitalgesellschaften hingegen, insbesondere in der namensgebenden GmbH, haften die Gesellschafter maximal mit ihrer Stammeinlage, darüber hinaus das Unternehmen mit seinem Gesellschaftsvermögen. So bestimmt der § 61 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) in Ziffer 2: „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet ihren Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen.“
Sorgfaltspflicht im Fokus.
Der Geschäftsführer – der mit dem Gesellschafter ident sein kann, aber nicht muss – ist dennoch nicht völlig aus der Verantwortung genommen. Haftung entsteht ihm oft aus dem Zuwiderhandeln gegen die Geschäftsführerpflichten, allen voran die Sorgfaltspflicht gegenüber der Gesellschaft. Entsteht der Gesellschaft ein Schaden, so wird im Allgemeinen ein Verschulden des Geschäftsführers vermutet. Es gilt also eine Beweislastumkehr, das Management muss seine Unschuld beweisen. Gelingt das nicht, haftet der Geschäftsführer persönlich gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden, gleichgültig, ob dieser durch aktive Handlungen oder Unterlassungen entstanden ist.
Pflichten im „daily business“.
Analoge allgemeine Pflichten des Geschäftsführers sind Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht. Darüber hinaus nennt das GmbHG die Pflichten zur Führung von Rechnungswesen, internem Kontrollsystem und zur Erstellung eines Jahresabschlusses. Letzterer ist unter Einhaltung einer Frist von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht offenzulegen. Widrigenfalls droht die Verhängung von Zwangsstrafen.
Nichtige Weisungen.
Ein Geschäftsführer darf nichts Rechtswidriges tun, auch wenn die Generalversammlung es ihm anordnet. In so einem Fall ist die Weisung nichtig und kann ignoriert werden.
Genaugenommen muss zwischen zwei verschiedenen Arten von Geschäftsführung unterschieden werden – dem handelsrechtlichen und dem gewerberechtlichen Geschäftsführer. Die beiden Funktionen können von verschiedenen oder von derselben Person ausgeübt werden. Der gewerberechtliche Geschäftsführer ist für die korrekte Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften verantwortlich und kann für Verstöße gegen diese haftbar gemacht werden. Im Unterschied zum gewerberechtlichen Geschäftsführer hat der handelsrechtliche Geschäftsführer Vertretungsrecht nach außen. Ein Geschäftsführer darf nichts Rechtswidriges tun, auch wenn die Generalversammlung es ihm anordnet. In so einem Fall ist die Weisung nichtig und kann ignoriert werden. Führt er sie dennoch aus, ist er nicht von der Haftung für allfällig entstehende Schäden befreit.
Höchste Vorsicht in Krisenzeiten.
Während also unter bestimmten Umständen eine Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft vorliegen kann, ist eine Haftung nach außen, beispielsweise gegenüber Gläubigern, vergleichsweise selten. Dennoch gibt es sie. Insbesondere im Zusammenhang mit einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit. Solange das Unternehmen gut läuft, der Motor schnurrt und die Verbindlichkeiten fristgerecht getilgt werden, fallen kleine Unachtsamkeiten seitens der Geschäftsführung, wie sie immer mal passieren können, nicht ins Gewicht. In Krisenzeiten ist hingegen höchste Vorsicht angebracht, kleinste Versäumnisse können unliebsame Konsequenzen nach sich ziehen.
Zunächst muss jedoch festgehalten werden, dass der Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich nicht automatisch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet. Eine Haftung wird nur dann zum Thema, wenn dies vom Gesetz ausdrücklich festgelegt wird oder der Geschäftsführer seinen Sorgfaltspflichten nicht hinreichend nachkommt bzw. gegen gesetzliche Bestimmungen, die für den Fall der Krise oder Insolvenz bestimmte Vorgehensweisen vorschreiben, verstößt. So hat der Geschäftsführer grundsätzlich unverzüglich bzw. längstens binnen 60 Tagen nach Eintritt der Insolvenz einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen. Tut der Geschäftsführer dies nicht, haftet er für den Schaden, den die Gläubiger dadurch erleiden, dass bei rechtzeitiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens die zu erzielende Quote entsprechend höher gewesen wäre. Neuen Gläubigern gegenüber haftet der Geschäftsführer für den Schaden, den diese erlitten haben, wenn sie mit der insolventen Gesellschaft nicht in Kontakt getreten wären. Die Beweislast liegt jeweils beim Geschäftsführer.
Der Geschäftsführer darf weiters nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Zahlungen mehr vornehmen. Solche Zahlungen widersprechen dem bei Insolvenz geltenden Prinzip der Gläubigergleichbehandlung. Das österreichische Strafrecht stellt zudem die grob fahrlässige Veranlassung der Zahlungsunfähigkeit durch kridaträchtiges Handeln unter Strafe. Als Beispiel gilt insbesondere die Vermögensverschleuderung. Gläubiger, die durch eine solche grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen geschädigt werden, können im Falle der Zahlungsunfähigkeit den Geschäftsführer belangen. Darüber hinaus ist im Falle des Fehlens von kostendeckendem Vermögen der insolventen Gesellschaft der Geschäftsführer zur Leistung eines Kostenvorschusses bis zur Höhe von 4.000 Euro verpflichtet, damit die Anlaufkosten eines Insolvenzverfahrens gedeckt sind. Diese Verpflichtung besteht unabhängig vom Verhalten des Geschäftsführers im Vorfeld des Insolvenzverfahrens.
Checklist und Versicherung.
Insolvenzen sind meist eine psychologisch fordernde Situation, vor allem dann, wenn der Geschäftsführer zugleich Firmeneigentümer ist. Sollte er von der Situation derart überfordert sein, dass er seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, ist er verpflichtet, von seiner Position zurückzutreten oder sich zumindest entlasten zu lassen, beispielsweise durch die Bestellung eines zusätzlichen Geschäftsführers. Die Materie ist komplex, es gibt noch eine Vielzahl weiterer rechtlicher Bestimmungen, etwa abgabenrechtlich, arbeitsrechtlich, verwaltungsstrafrechtlich und arbeitnehmerschutzrechtlich. Es empfiehlt sich deshalb, spätestens bei Antritt der Geschäftsführerposition eine Checkliste zur Haftungsvermeidung zu erstellen. Eventuell ist auch eine auf die individuelle Situation zugeschnittene Manager-Haftpflichtversicherung eine kluge Option.
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 01/2025.