Wofür setzen österreichische KMU Künstliche Intelligenz ein und wofür keinesfalls? Ein Rechtsanwalt und eine Unternehmerin aus der Eventbranche berichten über ihre Beziehung zu KI.
Text: Julia Gerber
Der Wiener Rechtsanwalt Manuel Mofidian betreibt eine Kanzlei am Schottentor und verfolgt einen Tech-first-Ansatz. Sein Fokus liegt neben dem Wirtschaftsrecht klar auf KI, obwohl ihr Einsatz im Rechtsbereich keinesfalls leichtfertig erfolgen darf. „Wir beraten vor allem KMU, aber auch Konzerne und Start-ups bei der rechtskonformen Implementierung technologischer Tools“, so Mofidian. Rechtlich unterstützt er etwa bei Softwareverträgen, dem AI Act sowie geistigem Eigentum, E-Commerce, Konsumenten- und Datenschutz. Wichtig sei dabei eine umfassende Risikobewertung, die alle relevanten Themen systematisch erfasse und juristisch einordne. „Ich nenne das gerne KI-Recht als Querschnittsmaterie“, erklärt er.
„Graubereiche sind nicht zu betreten.“
Mofidian nutzt KI-Tools vor allem für juristische Vorrecherche, Dokumentenverwaltung und Content-Erstellung. ChatGPT, Gemini und Perplexity gehören zu seinen Favoriten. Aber: Datenschutz, Geschäftsgeheimnisschutz und Mandantenvertraulichkeit haben für den Rechtsanwalt oberste Priorität. „Ich habe den Anspruch, KI rechtskonform im Sinne des österreichischen Standesrechts einzusetzen. Wir Anwälte müssen uns besonders bemühen, Teamprozesse und technische Komponenten so zu gestalten, dass keine Graubereiche betreten werden.“
„Compliance by Design“ minimiert Risiken.
Mit Kreativität und technischem Know-how ließen sich aber Wege finden, um vergleichbare Ergebnisse rechtskonform zu erzielen. Mofidian nennt das Stichwort „Compliance by Design“. Es gehe darum, Geschäftsprozesse und technische Lösungen von Anfang an so zu gestalten, dass rechtliche Risiken gar nicht erst entstehen oder reduziert werden. Das bedeutet: Bei KI-gestützter Recherche oder Dokumentenverarbeitung wird der Workflow so gestaltet, dass keine sensiblen Daten unzulässig verarbeitet oder gespeichert werden. Unternehmern, die KI erstmals implementieren wollen, empfiehlt der Anwalt, zuerst einen klaren Use Case zu definieren. Danach sollten organisatorische, technische und rechtliche Rahmenbedingungen festgelegt werden.
Premium-KI ist sicherer, aber nicht risikofrei.
Für den geschäftlichen Kontext würden sich grundsätzlich die kostenpflichtigen Versionen von ChatGPT und Co eignen. Vergleiche man zwei Versionen vom selben Anbieter, seien die Premium-Modelle tendenziell mit besseren Daten trainiert und würden auch Geschäftsgeheimnisse besser schützen. Doch obwohl sie rechtlich besser vertretbar sind als Freemium-Varianten, müsse man bei der Implementierung dennoch rechtliche Fragen klären und dürfe den Tools nicht blind vertrauen, findet der Tech-Anwalt. Ein spannender Punkt, den er auch ohne seine anwaltliche Brille vertritt, ist: „Höchstpersönliche Dinge teile ich nicht mit der KI, weil ich es einfach nicht für smart halte, eine Technologie, die man nicht perfekt versteht, mit meinen tiefsten Geheimnissen zu füttern.“
Wir sind schon lange über den Punkt hinaus, wo man sich fragen konnte, ob KI ein Hype ist.
Stiehlt sie unsere Jobs?
Der Rechtsexperte hält es langfristig für möglich, dass KI-Tools Teile des Anwaltsjobs ersetzen. Im Moment sieht er die Technologie allerdings als leistungssteigerndes Werkzeug. Wichtig sei, dass Unternehmen interne KI-Verantwortliche benennen – auch wenn dies rechtlich nicht verpflichtend ist. Für diese Verantwortlichen seien spezialisierte KI-Schulungen ebenso empfehlenswert.
Wenn KI das Kommando übernimmt.
Eine aktuelle KI-Studie der IMC Krems legt dar, dass 65 % aller Büroangestellten KI nutzen, ohne dass es die Führungskräfte überhaupt wissen. Jeder Zweite würde die ChatGPT-Ergebnisse nicht einmal mehr inhaltlich prüfen, sondern einfach blind darauf vertrauen. „Man muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig schulen. Gleichzeitig braucht es klare Vorgaben, etwa in Form einer im Arbeitsvertrag festgelegten Policy oder eines definierten Frameworks. Diese sollten festlegen, in welchen geprüften Bereichen sich die Mitarbeitenden frei bewegen und kreativ sein können. Zugleich muss aber auch klar sein, was auf keinen Fall geht und bei welchen Themen ein Vier-Augen-Prinzip oder eine zusätzliche Genehmigung notwendig ist“, so Mofidian auf die Frage, wie man falschen KI-Einsatz am besten vermeidet.
ChatGPT als meistgenutztes digitales Tool.
In einer gänzlich anderen Branche ist Sarah Sommerauer unterwegs. Sie ist CEO und Gründerin der Sustainable Events Academy, mit der sie in der DACH-Region und in Liechtenstein im Bereich nachhaltiges Eventmanagement weiterbildet. Auch sie ist ein großer KI-Fan. „ChatGPT Pro erleichtert mir die Arbeit enorm“, sagt die Expertin für nachhaltige Events. Seit Herbst 2025 arbeitet Sommerauer erstmals beim Abfallmanagement der Olympischen Spiele mit. Zuvor betreute sie die UN-Klimakonferenz in puncto Nachhaltigkeitsmanagement. Bei der Umsetzung von Events achtet sie auf geringe Emissionen. „Wir lassen alles noch einmal durch ChatGPT laufen. Es ist definitiv mein primäres und meistgenutztes digitales Tool.“ Vorsicht sei dennoch geboten, denn am Ende liefere die KI keine harten Fakten, sondern Einschätzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit, weiß die Grazer Eventmanagerin.
Mittlerweile um bis zu 50 % schneller.
„ChatGPT eignet sich perfekt für jegliche Außenkommunikation. Es unterstützt bei Social-Media-Postings, PR-Materialien, Newslettern und E-Mails“, so Sommerauer. Bei LinkedIn-Posts geht die Unternehmerin folgendermaßen vor: Über die Diktierfunktion spricht sie ihre Gedanken ein, und das Tool formuliert daraus den fertigen Beitrag. „Mit der Zeit hat es meinen Stil und meine Prioritäten immer besser verstanden. Das Ergebnis klingt inzwischen fast wie von mir geschrieben.“ Im Erstellen von Content will Sommerauer heute im Vergleich zu vor zwei Jahren um bis zu 50 % schneller sein.
KI hilft bei CO2-Kalkulationen.
Auch bei der Berechnung von CO2-Emissionen, die bei Events entstehen, ist die KI gefordert. Über ChatGPT können Rechnungen und Dokumente hochgeladen werden, die das Tool auswertet. Dabei wird der CO₂-Fußabdruck für das jeweilige Event berechnet, erzählt Sommerauer. Die Ergebnisse werden laut ihr kritisch geprüft: In der Academy lernen Teilnehmer, die Plausibilität der Berechnungen einzuschätzen und auf Quellenangaben von ChatGPT zu achten.
Noch Luft nach oben.
Verbesserungspotenzial sieht die Eventmanagerin bei der ansprechenden grafischen Aufbereitung von Präsentationen, die auch inhaltlich überzeugen. Tools wie Gamma sind in ihren Augen ausbaufähig. „Ich wünsche mir, dass meine Gedanken korrekt übernommen werden und dabei eine schön formatierte Präsentation entsteht. Idealerweise so wie in Canva.“ Canva ist eine Software zur Erstellung visueller Inhalte.
KI hat das Potenzial zu spalten.
Auf die Frage nach den gesellschaftspolitischen Auswirkungen von KI bringen sowohl Sommerauer als auch Mofidian spannende Perspektiven ein. Beide sehen KI als Segen, äußern aber auch Bedenken. „KI hat das Potenzial, Spaltung voranzutreiben. Wer nicht immer up to date bleibt, könnte schnell den Anschluss verlieren“, sagt Sommerauer. Aus ihrer Sicht laufen besonders ältere oder digital weniger affine Personen, die sich kaum mit KI beschäftigen, Gefahr, vom KI-affinen Teil der Gesellschaft abgekoppelt zu werden. Für sie kommt es letztendlich ganz klar darauf an, für welche Zwecke die Technologie eingesetzt wird, denn „KI kann sehr wohl auch Hass, Hate Crime und sogar illegale Inhalte wie Kinderpornografie verstärken“.
Mofidian sieht KI richtig genutzt als einen Gamechanger für die Wirtschaft. „Wir sind schon lange über den Punkt hinaus, wo man sich fragen konnte, ob KI ein Hype ist.“ Langfristig müsse man dennoch hinterfragen, wie sich KI national und global auf die Gesellschaft auswirke, wenn die Prognosen über die Produktivitätsgewinne stimmen sollten. „Irgendwann wird es darum gehen, was wir in einer Zeit, in der Technologie womöglich leistungsfähiger ist als jeder Einzelne von uns, voneinander erwarten.
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 03/2025.