Generation X, Gschichtldrucker und Generation Gap

Ein Pocketguide durch die Historie von Inhalt und Form der Werbung mit Tipps von Experten, wie sich auch kleine Unternehmen dank Social Media & Co effizient präsentieren können. 

Text: Harald Klöckl 

„In meiner Anfangszeit war Werbung produktzentriert, stellte Eigenschaften, Funktionen und Preise in den Vordergrund. Reichweite bei den Massenmedien TV, Print und Radio war entscheidend“, blickt einer zurück, der wie kaum ein anderer einen Überblick über „Werbung im Laufe der Zeit“ aus der Hand schütteln kann: Bernd Fliesser ist Chief Creative Officer und Business Development Director der Agentur JANDL mit Standorten in Bratislava, Wien und Prag. Er ist der höchstdekorierte klassische Werber Österreichs, mit unter anderem sieben „Cannes-Löwen“ in Gold, Silber und Bronze. 

Storytelling statt bloßer Produktpräsentation. 

Die Anfangszeit Fliessers waren die 1990er-Jahre, also die Zeit vor Internet, Handy und Social Media. Die Jahrtausendwende läutete den Siegeszug der Digitalisierung auch in der Werbung ein. Erst mit Websites, dann mit Social Media. Fliesser: „In den Nuller-Jahren wurden inhaltlich auch erste Schritte in Richtung Storytelling gegangen“, die Werbebotschaften also in kleine Geschichten verpackt, die oft mit der bewährten Hollywood-Dramaturgie „Heldenreise“ in einen wenige Sekunden kurzen Werbespot münden.   

Markeninszenierung und User Generated Content.

Der Ansatz, Geschichten zu erzählen, wurde etwa um 2015 zum beherrschenden Trend. „Ein Fokus auf Emotionen und Storytelling war der große Schritt von der reinen Produktbewerbung hin zur Markeninszenierung“, so Fliesser. Digitalisierung, Verlagerung des Medienkonsums in den Online-Bereich und Suchmaschinenoptimierung (SEO) machten Werbung Performance- und Keyword-orientierter. Das Nutzerverhalten wird via Cookies, Social Media und Apps getrackt, Werbebotschaften kommen immer genauer in der Zielgruppe an.  

Seither ist der vermeintlich bloße Konsument auch Mitgestalter (Stichwort: User Generated Content), vor allem im visuellen Bereich: Mit dem Upload von Urlaubserinnerungen, mit Fotos und Videos von gastronomischen Erfahrungen oder beim Konsum der eigenen Love Brands wird der Verbraucher zum Akteur der Markenkommunikation und generiert (ob wissentlich oder nicht) Werbebotschaften, die oft stärker und authentischer wirken als professionell produzierte Clips – inklusive Likes, Shares oder Kommentaren. Dazu kommt der Aufstieg von Influencern zu einem quasi eigenen und oft fürstlich honorierten Beruf im weiten Feld von Werbung und Marketing.    

Liebe, Nähe und Vertrauen. 

Die Lockdowns der Corona-Pandemie ab dem Jahr 2020 haben das alles verstärkt. Fliesser: „In der Werbung liegt der Fokus seither wieder stärker auf Menschlichkeit, Authentizität, Nähe, Vertrauen und Solidarität.“ Auch in den Jahren nach 9/11, also den Terroranschlägen von 2001, war damals ein emotionaler Begriff wie „Liebe“ Thema geworden, vergleicht er: „McDonald’s launchte bald danach seine ‚I’m loving it‘-Kampagne, Mini kreierte in dieser Zeit den Slogan ‚Is it love‘ für die erste Generation des Mini Cooper.“  

Koexistenz von Medien und Generation Gap. 

In der Zeit der Lockdowns hatte Friso Schopper der Werbebranche schon längst Adieu gesagt. Er war erfolgreicher Werber aus der Generation X. „Ich war rund 30 Jahre Kreativer, Netzwerker und strategischer Berater. Im Februar 2018 schenkte ich mir zum 50. Geburtstag die ,dosage Bar à Champagne‘“, sagt er. Den Umstieg bereut er nicht, die Bar am Wiener Fleischmarkt gilt als die beste ihrer Art im ganzen Land. Obwohl jahrgangsbedingt ebenso wie Fliesser ein Digitalimmigrant, hat Schopper Social Media & Co mühelos für sein kleines Unternehmen in der Top-Gastronomie genützt. Seine spitze Zielgruppe erreicht er digital ebenso wie „klassisch“ und selfmade. „Auf Instagram ist die Reichweite meiner Reels für die Bar und meinen Champagner-Handel oft um ein Zweihundertfaches höher als auf Facebook, das sich bei den Usern schon der Pensionistengeneration nähert. Für Teens und Twens wäre TikTok sicher das beste Medium“, weiß Schopper, denn auch innerhalb der Social Media gibt es einen großen Generation Gap. 

Die These des schon 1980 verstorbenen Medienwissenschafters Marshall McLuhan, wonach neue Medien die älteren Medien nicht vollständig verdrängen, sondern koexistieren und einander verändern, scheint noch gültig. Schopper: „Mit einer klassischen Presseaussendung samt knackigem Foto komme ich in alle relevanten Fach- und Massenmedien, online wie auch in Print, wenn der Inhalt passt.“ Als er im Juli per Presseaussendung eine sommerliche Rooftop-Bar seiner „dosage“ ankündigte, fand das von „Falstaff“ über „Gault Millau“ bis hin zu „Heute“ und „Österreich“ überall Widerhall.  

Regelmäßige Botschaften statt einmaliger Kampagnen

„Werbung passt sich immer der Zeit und dem Zeitgeist an“, weiß Fliesser. „Heute sind Nachhaltigkeit, Diversität, soziale Verantwortung schon zentrale Botschaften. Aber mal sehen, wie das morgen aussieht.“ Kleine und mittlere Unternehmen mit ebensolchen Budgets können sich KI-gestützte Kampagnenaussteuerung zunehmend leisten, dank datenbasierter Ansprache sind individuell zugeschnittene Inhalte möglich. „Emotion, Nähe und Storytelling bleiben wohl noch länger zentrale Elemente der Werbung, das Produkt ist zwar wichtig, aber wird fast nie alleinstehend beworben.“ Inhaltlich müsse man vermehrt mit persönlichen Geschichten, Mitarbeitervorstellungen oder Kundenporträts kommunizieren, via Social Media und mit Content Marketing je nach Zielgruppe auf Kanälen wie Instagram, TikTok oder LinkedIn. „Regelmäßiger, relevanter Content ist dabei viel besser als große und vielleicht teure Einmalkampagnen“, empfiehlt Fliesser. Moderne Werbung sei emotional und werteorientiert, „sie erzählt Geschichten, statt nur zu präsentieren. Werbung ist kein Monolog mehr, sondern ein Dialog.“  

 

Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 03/2025.