Die Arbeitswelt ist im Wandel. Vieles, was heute noch von Menschen erledigt wird, übernehmen morgen Maschinen. Eine Entwicklung, die zu Unrecht Ängste schürt.
Die Zukunft der Arbeit wird vom technologischen Wandel durch die Digitalisierung und Weiterentwicklung der Robotik geprägt sein. Daraus entwickelt sich zukünftig eine vielfältige Arbeitswelt, in der vor allem kreative, soziale und komplexere Tätigkeiten und die dafür benötigten Fachkräfte im Mittelpunkt stehen werden. Der Schreckensvision, dass diese sogenannte vierte industrielle Revolution ein reiner Jobvernichter ist, widersprechen die Experten. „Es erfolgt eher ein Wandel innerhalb der Jobs und Branchen – es verändern sich also vor allem die Tätigkeitsbereiche der Beschäftigten durch die Digitalisierung“, so Peter Mitterhuber von der Arbeiterkammer Wien.
Mangel oder Überschuss.
Studien, wonach mehr als die Hälfte aller Jobs verschwinden wird (Frey/Osborne – Oxford Martin School), sorgen für Aufsehen. Das darin beschriebene Szenario wird aber so wohl nicht eintreffen. Dazu Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer Industriepolitik der Industriellenvereinigung Oberösterreich: „Veränderung löst beim Menschen immer Ängste aus. Deswegen wundert es uns nicht, dass es auch im Zuge der vierten industriellen Revolution so ist. Jedoch sind diese Studien, die die Vernichtung von fast 50 % der Jobs voraussagen, längst widerlegt und für den Papierkorb. Warum? Bei uns in Mitteleuropa ist es so, dass neue Technologien immer zu mehr Nachfrage nach Arbeitskräften geführt haben. Man sieht es aktuell. Trotz starker Automatisierung und ständiger Digitalisierung bekommen wir die Leute gar nicht, die wir bräuchten, um die Aufträge abwickeln zu können. Es ist also ein Mangel da, der durch die neuen Technologien entsteht, und kein Überschuss. Die Digitalisierung und neue Technologien sind ein Jobmotor.“
Höherwertige Tätigkeiten gefragt.
Bereits in der Vergangenheit haben technische Innovationen zur Entstehung, zum Wandel und zum Verschwinden von Arbeitsplätzen und Berufsbildern geführt. Gerade Routinetätigkeiten mit geringer Qualifikation im Produktionsbereich sind durch den technischen Wandel unter Druck geraten. Dafür wuchs die Anzahl der Jobs bei den Nicht-Routinetätigkeiten vor allem im niedrig und hoch qualifizierten Bereich. „Wir sollten uns alle darüber freuen, dass Computer und Roboter dem Menschen immer mehr Routinearbeit, schwere körperliche Arbeit oder auch schmutzige Arbeit abnehmen. Diesen Jobs sollte niemand nachweinen. Der Mensch sollte mit seinen Fähigkeiten Tätigkeiten ausüben, die höherwertig sind. Auch die Befürchtung, dass die künstliche Intelligenz in naher Zukunft alles übernehmen wird, ist unbegründet. Die menschlichen Fähigkeiten wird ein Roboter wohl nie erreichen. Menschliche Fähigkeiten sind mehr als nur Big Data und ein paar Sensoren, die ständig das Umfeld scannen“, ist sich Haindl-Grutsch sicher.
Jobs mit Zukunft.
Nun wird der Wandel aber darüber hinausgehen. Auch die Tätigkeit von Ärzten, Rechtsanwälten und Ingenieuren müssen neu gedacht werden. In fast allen Bereichen und Branchen werden sich die Berufe weiterentwickeln, Chancen gibt es daher viele – für die Beschäftigten wie auch die Unternehmen. Arbeits- und Freizeitforscher Peter Zellmann sieht die Zukunft in der personenbezogenen Dienstleistung. „Personenbezogene Dienstleistung heißt, dass sich rund um die digitalisierten, automatisierten Produkte, rund um die automatisierbaren Dienstleistungen sehr viel an Aufgaben ergeben wird, das in Richtung Beratung, Information, Betreuung und Lösung von Problemen geht. Überall dort werden neue Arbeitsplätze entstehen.“
Was passiert mit den Hilfsjobs?
Wie sich die Situation dieser Beschäftigtengruppe tatsächlich entwickeln wird, hängt von wirtschaftlichen, technologischen und auch politischen Entscheidungen ab. „Wir sind aber davon überzeugt, dass ein Mehr an Bildung eine Art Schutzimpfung gegen Arbeitslosigkeit ist. Daher treten wir für Verbesserungen im schulischen Bereich, aber auch in der betrieblichen und außerbetrieblichen Aus- und Weiterbildung ein. Wir fordern ein neues System (Qualifizierungsgeld), wo sich Menschen laufend weiterbilden können“, so AK-Experte Mitterhuber.
Neue Rahmenbedingungen.
„Digitalisierung ist eine Evolution, und es müssen sich auch die Rahmenbedingungen langsam, aber stetig an diese neuen Arbeitsbedingungen anpassen. Solange hier die Weichen nicht gestellt sind, ist es dem Einzelnen schwer zumutbar zu sagen: Alles um dich herum bleibt gleich, aber du ändere dich. Es sind die Rahmenbedingungen, die geändert werden müssen, nicht die Menschen“, führt Arbeitsforscher Zellmann aus. Dass die Politik hier mit den Entscheidungen der Entwicklung hinterherhinkt, mag ein internationales Problem sein, die Weichen für die Zukunft müssen aber dringend gestellt werden.
Persönliche Fähigkeiten entwickeln.
Aber auch bei der Bildung muss sich einiges ändern, um fit für die Zukunft zu sein. Zellmann: „Es geht zukünftig nicht um hoch qualifizierte Jobs, sondern um anders qualifizierte. Die Höherqualifizierung bringt uns überhaupt nichts, dann haben wir in 20 Jahren arbeitslose Akademiker. Solange wir in diesem klassischen Ausbildungsschema hängen bleiben, ist Höherqualifizierung gar nichts wert. In Zukunft muss die Persönlichkeitsentwicklung der Menschen schon von der Volksschule weg gelehrt werden. Umgang mit Menschen, Kommunikationsfähigkeit, Extrovertiertheit, Problemlösungskompetenz, Konfliktmanagement, all das zusammengefasst unter der Überschrift Empathie, sind die Kompetenzen der Zukunft. Wer mit diesen Fertigkeiten ausgestattet ist, wird sich in der zukünftigen Berufswelt viel leichter zurechtfinden als in der heutigen.“
Bedingungsloses Grundeinkommen.
Man sollte sich vorurteilsfrei an dieses Thema heranwagen, das wahrscheinlich die Gesellschaft grundlegend verändern wird. Mit den heutigen Maßstäben, mit den heutigen Berufsbeschreibungen, Ausbildungen und Sozialtransfers ist es wahrscheinlich nicht vorstellbar. „Viele können sich nicht vorstellen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) keine soziale Hängematte ist und es mit dem, was wir gestern gelernt haben, nichts zu tun hat. Sondern dass es in einer digitalisierten Welt, in der Industrie 4.0, die einzige Chance ist, den Menschen einen Anteil an der Produktivitätssteigerung zuteilwerden zu lassen. Das BGE ist nichts anders als eine Vorabverteilung des BIP pro Kopf, auf dem dann die berufliche Tätigkeit aufgebaut wird. Und das BGE kommt so sicher wie das Amen im Gebet – nur erst 2040. So weit können heutige Machthaber nicht vorausdenken. Mit der Philosophie des BGE, das mit heutiger Steuer- und Sozialgesetzgebung überhaupt nichts zu tun hat, setzt man sich nicht auseinander“, so Peter Zellmann.
Natürlich muss es finanzierbar sein.
Es kann sich aber bei entsprechend veränderten Voraussetzungen und Strukturen sehr wohl rechnen. „Und wenn es sich rechnet, ist es die einzige Chance, die neue Arbeitswelt in der Mitte des 21. Jahrhunderts entsprechend zu bewältigen. Die Leistungs- und Einsatzfreude der Menschen beginnt nachweislich erst jenseits der Absicherung der Existenz. Dass niemand mehr arbeiten geht, ist sehr unwahrscheinlich. Ganz im Gegenteil. Wenn mein Grundbedürfnis gesichert ist und es relativ egal ist, ob ich EUR 500, 1.000 oder 2.000 dazuverdiene, dann sucht man sich jene Jobs, die einem in erster Linie Freude und Spaß machen. Was heute gar nicht möglich ist, denn heute brauche ich einen Job, der mir die Existenz absichert. In 20 bis 30 Jahren wird man Jobs haben, in denen man sich selbst wiederfindet und wo ein Grundeinkommen genau diese Leistungsbereitschaft fördern wird. Diese Kette weg von existenzsichernden, fremdbestimmten Arbeiten hin zu mehr Selbstbestimmung und Flexibilität ist die Chance der digitalisierten Welt“, so die Meinung von Zellmann.
Text: Herta Scheidinger
Dieser Artikel ist aus dem KSV1870 Magazin forum.ksv, Ausgabe 1/2018.
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