Recht

Sanierungsplan: Forderungsbestreitung – Mahnung – Wiederaufleben

Zweck der qualifizierten Mahnung im Zusammenhang mit einem Sanierungsplan ist, den säumigen Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er die ihm für die Begleichung der Sanierungsplanrate offenstehende Zahlungsfrist nicht eingehalten hat, und ihm die schwerwiegende Folge der Nichtzahlung, nämlich das drohende Wiederaufleben der Forderung, klar vor Augen zu führen. Zur Erreichung des Zwecks sind hohe Anforderungen zu stellen: Die Mahnung hat auf den Sanierungsplan Bezug zu nehmen, die Höhe des geforderten Betrags zu enthalten, dem Schuldner die Nachfrist einzuräumen und das Wiederaufleben anzudrohen. Zudem muss die Mahnung allfällig weitere im Sanierungsplan vorgesehene Bedingungen erfüllen.

Für die Wirksamkeit einer Mahnung ist es nicht unerheblich, ob in ihr zur Zahlung oder zum gerichtlichen Erlag oder zu einer sonstigen Sicherstellung aufgefordert wird. Sie muss erkennen lassen, was der Gläubiger fordert. Wird etwas anderes als die geschuldete Leistung verlangt, liegt keine gehörige Mahnung vor.

Eine Mahnung, in der nicht die im Sanierungsplan vorgesehene, für den Schuldner günstigere, sondern die durch den Sanierungsplan verdrängte, kürzere Nachfrist genannt und Zahlung statt richtig Hinterlegung verlangt wird, ist unwirksam.

Die Erteilung von Vollmacht und Auftrag zur Vertretung eines (ehemaligen) Schuldners vor dem Insolvenzgericht zieht keine Berechtigung des so Bevollmächtigten zum Empfang privatrechtlicher Willenserklärungen für den Mandanten nach sich, somit auch nicht zum Empfang einer Mahnung. Damit ist Wissen des Vertreters von den bei der Mahnung unterlaufenen Fehlern nicht jedenfalls dem Schuldner zuzurechnen.

Die Beklagte war im Jahr 2011 Auftragnehmerin einer Rechtsvorgängerin der Klägerin. Das von der Beklagten geleistete Werk erwies sich als mangelhaft. Die Klägerin meldete im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eine Forderung von 717.559,20 Euro an, die vom Masseverwalter bestritten wurde. Ein von den Gläubigern angenommener und vom Insolvenzgericht bestätigter Sanierungsplan sieht eine vom Masseverwalter ausgeschüttete Barquote von 6 % innerhalb von sechs Wochen, eine zweite Quote von 7 % binnen zwölf Monaten und eine dritte Quote von 7 % binnen 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplans (nicht jedoch vor dessen Bestätigung) vor.

Weil die Klägerin rechtzeitig Prüfungsklage nach § 110 IO erhoben hatte, wurde ihre Barquote durch Erlag bei Gericht sichergestellt. Eine weitere Zahlung oder Sicherstellung unterblieb. Für den Fall eines Verzugs der Schuldnerin mit der Erfüllung des Sanierungsplans war in diesem vorgesehen, § 156a IO gelte mit der Maßgabe, dass die Nachfrist vier Wochen zu betragen und die schriftliche Mahnung eingeschrieben zu erfolgen habe.

Die Klägerin mahnte mit eingeschriebenem Brief vom 23. April 2021 die Beklagte unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen und forderte sie – unter Nennung des jeweils geforderten Betrags – zur Zahlung der zweiten und dritten Quote zu Handen ihrer anwaltlichen Vertretung auf. Auf das drohende Wiederaufleben wurde hingewiesen. Das Schreiben ging der Beklagten spätestens am 11. Mai 2021 zu.

Mit Schreiben vom 15. Juni 2021, welches am Folgetag zugestellt wurde, mahnte die Klägerin die Beklagte erneut. Das Schreiben entsprach formell und inhaltlich jenem vom 23. April 2021 mit der Ausnahme, dass die Nachfrist – dem Sanierungsplan entsprechend – mit vier Wochen angegeben war. Wieder wurde die Beklagte zur Zahlung (nicht Hinterlegung) aufgefordert.

Dass die Beklagte wegen ihrer Werkleistung anhaftender Mängel der Klägerin für Sanierungskosten in der Höhe von 620.338,45 Euro einzustehen hätte, wäre es nicht zur Annahme des Sanierungsplans gekommen, ist vor dem OGH nicht mehr strittig.

Die Klägerin begehrte in ihrer am 9. August 2018 eingebrachten (Prüfungs-)Klage zunächst die Feststellung einer Insolvenzforderung und in der Folge (letztlich) – ua gestützt darauf, dass hinsichtlich der zweiten und dritten Quote die Forderung wiederaufgelebt sei – Zahlung von 477.290,47 Euro sA. Für den Fall der auch nur teilweisen Abweisung des Klagebegehrens stellte die Klägerin ein Eventualbegehren auf Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten für den Fall des Wiederauflebens der Forderung infolge eines qualifizierten Verzugs der Beklagten.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, in die Ausfolgung eines Betrags von 8.648,08 Euro aus dem vom Sanierungsverwalter im Sanierungsverfahren erlegten Betrag einzuwilligen und einen Betrag von 20.178,85 Euro sA zu bezahlen. Weiters stellte es fest, dass bei Verzug der Beklagten im Sinne des § 156a IO die Forderung im Ausmaß von maximal 80.715,42 Euro wiederauflebe und die beklagte Partei diesfalls schuldig sei, der klagenden Partei diesen Betrag zu bezahlen.

Das Berufungsgericht verurteilte mit Teilurteil in teilweiser Abänderung des Ersturteils die Beklagte zur Zahlung von 434.236,92 Euro sA; in Hinsicht auf ein weiteres Zahlungsbegehren von 43.053,55 Euro sA (= erlegte erste Quote) hob es das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zur zweiten und dritten Quote ging das Berufungsgericht von einer gehörigen Mahnung nach § 156a IO und von einem quotenmäßigen Wiederaufleben der Forderung aus. Dass im ersten Mahnschreiben irrig eine 14-tägige statt richtig vierwöchige Nachfrist gesetzt und zur Zahlung statt richtig zum Erlag aufgefordert worden sei, schade der Klägerin nicht. Die Beklagte werde nämlich vom seinerzeitigen Masseverwalter vertreten; dessen Wissen über die Notwendigkeit, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Mahnung den Erlag vorzunehmen, sei der Beklagten zuzurechnen.

Die nur gegen die abändernde Entscheidung gerichtete Revision der Beklagten hatte in diesem Zusammenhang insoweit Erfolg, als der OGH das Zahlungsbegehren abwies und dem auf Feststellung gerichteten Eventualbegehren stattgab.

ZIK 2022/270
IO: §§ 156a, 156b
OGH 12.7.2022, 17 Ob 10/22b

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