Finanzbildung mit vereinten Kräften fördern

Eine besondere Initiative in diesem Bereich sind die WU-Finanzbildungscoaches, die seit dem Schuljahr 2022/23 Finanzbildung an Schulen ermöglichen und unterstützen. Ein erfolgreiches Kooperationsprojekt von WU und KSV1870.

Gastbeitrag von Bettina Fuhrmann 

Wer finanziell gebildet ist, ist klar im Vorteil 

Einkaufen, sparen, einen Beruf wählen und Geld verdienen, Anschaffungen finanzieren, für die Zukunft vorsorgen und sich gegen Risiken absichern: Das müssen wir alle. Im Vorfeld von Konsum-, Investitions-, Anlage-, Berufs- und Vorsorgeentscheidungen gibt es vieles zu beachten, oft muss man Informationen einholen, Angebote vergleichen, kurz- und langfristige Folgen einschätzen. Empirische Untersuchungen zeigen deutlich: Wer finanziell gebildet ist, ist dabei klar im Vorteil.  

Personen mit einem hohen Level an Finanzwissen kennen vergleichsweise mehr Finanzprodukte, nutzen mehr Informationsquellen für ihre finanziellen Entscheidungen, wählen günstigere Konditionen für die genutzten Finanzdienstleistungen und haben einen Notgroschen für schlechte Zeiten beiseitegelegt. Sie neigen weniger dazu, Kredite für kurzlebige Zwecke aufzunehmen wie für laufende Rechnungen, spontane Einkäufe, Geschenke oder einen Urlaub. Wichtig ist es auch, das eigene Finanzbildungsniveau gut einschätzen zu können, denn die Überschätzung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten führt oft zum Abschluss von riskanten Geschäften, die finanzielle Probleme noch verstärken. 

Gut überlegte, ökonomisch sinnvolle finanzielle Entscheidungen zu treffen ist besonders für Menschen wichtig, die mit geringen finanziellen Ressourcen auskommen müssen. Entsprechend vorliegenden Forschungsergebnissen haben aber gerade diese Personen häufig ein besonders niedriges Niveau an Finanzbildung, oft mit schlimmen Folgen wie Schuldenproblemen und damit einhergehenden psychischen und physischen Auswirkungen. Es ist unverantwortlich gegenüber den unmittelbar Betroffenen, aber auch gegenüber der Gesellschaft, nichts gegen Finanzbildungsdefizite zu unternehmen. Finanzbildung zu fördern ist vielleicht nicht die einzige notwendige, aber jedenfalls eine effektive Maßnahme zur Verbesserung der Lebenssituation. 

Finanzbildung braucht Finanzwissen, ist aber mehr als das 

Es reicht nicht zu wissen, was Sparen ist und wie man sparen kann, es ist auch wichtig, es tatsächlich zu tun, wenn es die persönliche Situation zulässt. Das Finanzwissen ist daher der Kern der Finanzbildung und eine wichtige Voraussetzung für ein Problembewusstsein für finanzielle Fragestellungen und Herausforderungen, für die Motivation, sich mit finanziellen Fragen zu beschäftigen, für entsprechende Einstellungen und Verhaltensweisen. Finanzwissen und das Verstehen von finanziellen Größen und Zusammenhängen sind genauso wie die Motivation und die Fähigkeiten, überlegt und verantwortungsbewusst zu handeln und die Konsequenzen des Handelns einzuschätzen, Elemente von Finanzbildung.  

In diesem Sinne basiert die österreichische Finanzbildungsstrategie auf einem Verständnis von Finanzbildung als einer „Kombination aus finanziellem Bewusstsein, Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die notwendig sind, um fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen und letztendlich individuelles finanzielles Wohlergehen zu erreichen und zur nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen“. Das kompetente Handeln zahlt sich nicht nur für die Handelnden selbst aus, sondern auch für die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft. Finanzielle Probleme von Individuen wirken sich auf ihre Familien, ihre sozialen Kontakte, ihr berufliches Umfeld genauso aus wie auf den Staat, der einerseits Abgaben einnimmt und andererseits Sozialleistungen finanziert. Wirtschaftliche Entscheidungen von Einzelnen machen letztlich einen Unterschied für alle: was und wie viel man konsumiert, wofür man sich verschuldet, wofür und wie man spart, worin man investiert und welche Wirtschaftszweige man damit fördert.  

Finanzbildung an Schulen unterstützen 

Schulen spielen bei der Vermittlung einer Basisfinanzbildung eine außerordentlich wichtige Rolle. Nur dort kann es gelingen, alle Menschen schon in jungen Jahren zu erreichen und alle zu fördern, unabhängig, aus welchem Elternhaus sie stammen und ob dort über Geldthemen gesprochen wird oder nicht. Um Schule bei diesem Bildungsauftrag zu unterstützen, werden immer wieder Initiativen entwickelt. Eine besondere Initiative ist die der WU-Finanzbildungscoaches, die seit dem Schuljahr 2022/23 Finanzbildung an Schulen der Sekundarstufe (I und II) ermöglichen und unterstützen. Durch die Unterstützung des Kreditschutzverband von 1870 war es möglich, diese Initiative zu entwickeln und zu starten, durch die Unterstützung der Wirtschaftskammern Wien und Niederösterreich sowie durch die MEGA Bildungsstiftung konnte die Initiative wachsen und schon nach einem Jahr die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland abdecken. 

Seit dem Start der Finanzbildungscoaches haben bis Sommer 2024 über hundert meist mehrstündige Workshops an Schulen stattgefunden, in denen Studierende der Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien den Schülerinnen und Schülern mit einem maßgeschneiderten Konzept Grundlagen des Umgangs mit Geld, der Budgetplanung, des Investierens und Finanzierens und des Umgangs mit Risiken näherbringen. Maßgeschneidert sind die Workshops insofern, als sie auf Anfrage der Schule oder einer Lehrperson erstellt werden und berücksichtigen, für wie viele Schülerinnen und Schüler mit welchem Vorwissen der Workshop entwickelt wird – und wie viel Zeit für den Workshop zur Verfügung steht. Die eingesetzten Materialien entsprechen daher genau dem Alter und dem Lernstand der Schülerinnen und Schüler, und die Lehrperson kann die Materialien behalten und in ihrem Unterricht auch weiter damit arbeiten. Evaluierungsergebnisse zu den bereits durchgeführten Workshops zeigen eine sehr hohe Zufriedenheit und Akzeptanz bei allen Beteiligten: Die Studierenden freuen sich über die Unterrichtspraxis und die Förderung von jungen Menschen, die Schülerinnen und Schüler freuen sich über den spannenden Unterricht zu Themen, deren hohe Relevanz ihnen bewusst ist, und die Lehrpersonen freuen sich über die Unterstützung im Unterricht und das zusätzliche Unterrichtsmaterial. Der KSV1870 unterstützt die Initiative jedoch nicht nur finanziell, sondern auch durch fachlichen Input in die Ausbildung der Wirtschaftspädagoginnen und Wirtschaftspädagogen, die dann als Finanzbildungscoaches in die Schulen gehen. Mit vereinten Kräften kann Finanzbildung inhaltlich und methodisch auf hohem Niveau gefördert werden! 

 

Zur Autorin: 

Univ.-Prof.in Dr.in Bettina Fuhrmann ist Universitätsprofessorin für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie forscht und arbeitet seit vielen Jahren im Bereich der Finanzbildung, hat an der WU ein Zentrum für Finanzbildung mit vielen Finanzbildungsprojekten gegründet und vertritt die WU als „affiliate member“ in der OECD-Arbeitsgruppe International Network on Financial Education.