Offene Rechnungen: Schmerzpunkte im aktuellen Zahlungsverhalten

Während vielen Unternehmen die wirtschaftlich mageren Jahre tief in den Knochen stecken, bleibt das Zahlungsverhalten in Österreich stabil. Sorgen bereitet jedoch der Anstieg an Totalausfällen, wie Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH, im Interview erklärt. 

Interview: Markus Hinterberger

Österreichs Wirtschaft steckt in der Krise und Besserung ist, wenn überhaupt, nur sehr schleppend in Sicht. Gleichzeitig lassen auch große Reformen, die für Abhilfe sorgen sollten, auf sich warten. Wie schätzt der KSV1870 die Lage ein? 

Walter Koch
Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH; Foto: WILKE

Die Lage ist durchwachsen. Zwar konnte die Talfahrt der vergangenen drei Jahre gestoppt werden und nach einem massiven Frühjahrstief zeigen sich – ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau – vereinzelt leichte Verbesserungen. Aber die Geschäftslage der Unternehmen fällt weiterhin deutlich zu niedrig aus. Gerade einmal 47 Prozent der Betriebe sind mit ihrer derzeitigen Situation zufrieden. Von Ergebnissen aus Vorkrisenzeiten jenseits der 60%-Marke kann Österreichs Wirtschaft aktuell nur träumen. 

Und dennoch scheint das Zahlungsverhalten nicht wesentlich darunter zu leiden. In Österreich wird trotz widriger Rahmenbedingungen ordentlich bezahlt. Wie begründen Sie das?  

Angesichts der anhaltend schwierigen Lage waren wir heuer besonders gespannt, wie die Ergebnisse unseres Austrian Business Checks ausfallen würden, und ich muss gestehen: Wir waren selbst etwas überrascht. Überrascht, dass nur punktuelle Verschlechterungen zu Tage getreten sind. Genau wie im Vorjahr wird jede sechste Rechnung in Österreich zu spät bezahlt. Aber jene, die bereits in der Vergangenheit verspätet bezahlt haben, benötigen jetzt zum Teil noch länger, um ihre Rechnungen zu begleichen. Generell sind die Menschen in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit vorfinden, besonders sparsam und fokussieren auf ihre Fixkosten. Zudem trägt das deutlich eingeschränkte Konsumverhalten dazu bei, dass die Zahlungsmoral gegenwärtig stabil ist. 

Trotz eines recht guten Gesamteindrucks ist es dennoch zu Verschlechterungen gekommen. In welchen Bereichen ganz besonders? 

Im Bereich der verspäteten Zahlungen kommt es aktuell zu mehr Komplettausfällen als noch vor einem Jahr. Jene, die nicht pünktlich bezahlen, begleichen ihre Rechnungen häufiger überhaupt nicht mehr, sodass diese Forderungen zur Gänze abgeschrieben werden müssen. Weiters fällt auf, dass sich die Zahlungsdauer der Privatkunden um zwei Tage erhöht hat. Zwar werden weiterhin neun von zehn Rechnungen pünktlich bezahlt, was auch in diesem Jahr der Top-Wert ist, doch die Zahlungsziele werden seitens der Privaten vermehrt bis zum Maximum ausgereizt. Diesen Umstand führen wir in erster Linie auf das anhaltend hohe Kostenniveau zurück und dass die monatlichen Ausgaben häufig nur haarscharf mit dem Haushaltseinkommen gedeckt werden können. 

Wie gehen die Unternehmen mit dieser Situation um? 

Im Hinblick auf ihre Privatkunden buchen fast 30 Prozent der Betriebe offene Forderungen schneller aus als sie das in der Vergangenheit getan haben. Vor allem deshalb, weil ihrer Meinung nach die Chancen auf Einbringlichkeit geringer geworden sind. Das ist jedoch der falsche Ansatz. Denn viele Betroffene kommen ihren Forderungen - zumindest teilweise - sehr wohl nach, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt. Insbesondere für jene 25 Prozent der Unternehmen, die laut unserer Umfrage das laufende Geschäftsjahr lediglich mit einer „schwarzen Null“ abschließen werden, können gröbere Zahlungsausfälle rasch zur Existenzfrage werden. Sie sollten sich daher genau überlegen, ob sie offene Forderungen frühzeitig ausbuchen. 

Wie gestaltet sich die Situation bei den Firmenkunden und der öffentlichen Hand?

Gegenüber dem Vorjahr hat sich die tatsächliche Zahlungsdauer bei den Firmenkunden (25 Tage) und den Ländern (31 Tage) nicht verändert. Demgegenüber stehen der Bund und die Gemeinden, die im Jahresvergleich etwas schlechter abschneiden. So hat sich die Zahlungsdauer beim Bund um einen Tag auf 36 Tage und jene der Gemeinden um zwei Tage auf 26 Tage erhöht. Es bleibt festzuhalten, dass der Bund dringenden Aufholbedarf hat. Gerade in Zeiten von Sparprogrammen sollte der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und seinen Teil zur wirtschaftlichen Stabilität der Unternehmen beitragen. Und zwar indem sie innerhalb der vereinbarten Zahlungsfrist bzw. dem gesetzlichen Zahlungsziel von 30 Tagen bezahlen. 

Das Kostenthema schwebt derzeit über allem. Welche Tipps können Sie Unternehmen aus der Ecke des Forderungsmanagements geben?

Auch wenn das Zahlungsverhalten zum jetzigen Zeitpunkt mehrheitlich stabil ist, so steigt die Gefahr einer Verschlechterung mit jedem Tag, an dem es zu keiner wirtschaftlichen Entspannung kommt. Solange sich daran nichts wesentlich ändert, hängen die hohen Kosten wie ein Damoklesschwert über Unternehmen und Privathaushalten. Es ist daher keine Überraschung, dass ein Drittel der Befragten im kommenden Jahr ein verschlechtertes Zahlungsverhalten erwartet. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es entscheidend, rasch Inkasso-Maßnahmen zu ergreifen, sobald eine Rechnung nicht fristgerecht bezahlt wird. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Chance, doch noch sein Geld zu erhalten, mit jedem Tag schwindet, an dem keine Schritte im Rahmen eines professionellen Forderungsmanagements gesetzt werden.