ReO: Konzeption als "geheimes Verfahren" nicht nachvollziehbar

Gläubigerschutzverbände müssen auch nach der Neuregelung des Insolvenzwesens eine aktive Rolle einnehmen können, damit diese nicht zum Flop wird und Gläubiger nicht auf ihren Forderungen sitzen bleiben. 

Wien, 15.03.2021 – Das Justizministerium hat einen Entwurf zum Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRL-UG) vorgelegt, der zahlreiche Stolpersteine beinhaltet. Als größte Kritikpunkte erkennt der KSV1870 die Konzeption der Restrukturierungsordnung (ReO) als „geheimes Verfahren“, indem Gläubigerschutzverbände ohne Akteneinsicht zu einem zahnlosen Instrument degradiert werden. Dieser Umstand ist nicht nachvollziehbar, zumal sich die Bevorrechtung der Gläubigerschutzverbände als ein internationales Erfolgsmodell etabliert hat. Weiters ist im Privatkonkurs geplant, den Betrachtungszeitraum der Einkommenslage von Schuldnern zur Festlegung von Zahlungsplanquoten auf zwei Jahre zu reduzieren – das ist jedoch zu kurz. Vielmehr sollte dieser auf zumindest drei Jahre angesetzt werden, da erfahrungsgemäß Schuldner erst ab dem dritten Jahr zu spürbar höheren Leistungen fähig sind. Als führende Wirtschaftsplattform des Landes wird der KSV1870 den zuständigen Behörden ein „Fairness-Paket“ vorlegen und sich in die Ausgestaltung der EU-Novelle aktiv einbringen. 

„Wenn die Politik ein Interesse daran hat, dass die ReO nicht baden geht, dann ist es essenziell, bevorrechtete Gläubigerschützer wie den KSV1870 ins Boot zu holen und ihnen auch eine aktive Rolle zuzuschreiben“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG. Die Vergangenheit bestätigt: In Österreich gelingt rund einem Drittel aller insolventen Unternehmen dank der professionellen Unterstützung der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände (bei den EPU sind es sogar 40 %) eine erfolgreiche Sanierung – das ist international unerreicht. Es ist somit in keinster Weise nachvollziehbar, in einem „vorinsolvenzlichen“ Restrukturierungsverfahren von diesem Erfolgsmodell abzuweichen. „Die erfolgreiche Sanierung von Unternehmen steht für den KSV1870 im Fokus. Wir sind Ermöglicher und keine Verhinderer“, so Vybiral. Kurzum: Ein aktives ‚Involvement‘ der bevorrechteten Gläubigerschützer stärkt die ReO. Dieses als „geheimes Verfahren“ zu konzipieren und den Gläubigerschützern von der Akteneinsicht im Restrukturierungsverfahren auszunehmen, ist kontraproduktiv. 

Erfolgsmodell: Verhandlung von Sanierungsplanquoten mit Gläubigerschützern 
Seit Jahrzehnten haben sich bevorrechtete Gläubigerschutzverbände als  Beratungs- und Kommunikationsdrehscheibe in Insolvenzverfahren etabliert. So sorgt etwa der KSV1870 nicht nur für gut vorbereitete Gerichtstagsatzungen, sondern aufgrund der Bündelung von Gläubigerinteressen auch für eine rasche, erfolgreiche und kostengünstige Abwicklung der Insolvenzverfahren. Die Gläubigerschutzverbände reduzieren den Verwaltungsaufwand für Gerichte und geben ihnen „Luft zum Atmen“. Ein erfolgreiches Modell: Denn Gläubiger, die ihre Rechte organisiert wahrnehmen, haben mehr und nachhaltigeren Erfolg. Zudem haben Schuldner den Vorteil, dass Sanierungsplanquoten mit professionellen Gläubigervertretern ausverhandelt werden. 

Fragwürdig: Entschuldungsdauer von 3 Jahren für Privatpersonen 
Als weiteren Kritikpunkt am vorliegenden Gesetzesentwurf sieht der KSV1870 die Gleichstellung von gescheiterten Unternehmern und Verbrauchern – wenn auch nur auf fünf Jahre befristet, wie aus dem Gesetzesentwurf hervorgeht. Dabei sorgt insbesondere die neuerliche Verkürzung der Entschuldungsdauer von Privatpersonen auf drei Jahre für Unverständnis. Vor allem deshalb, weil diese erst im Rahmen des IRÄG 2017 von sieben auf fünf Jahre reduziert wurde und eine weitere Reduktion auf objektiven und vollständigen Erkenntnissen fußen sollte. Schon jetzt zeigt sich jedoch, dass durch die Abschaffung der Mindestquote im Abschöpfungsverfahren, die durchschnittliche Rückzahlungsquote vermutlich weit unter 10 % liegen wird. Durch die neuerliche Verkürzung werden viele Schuldner keinen Antrieb mehr haben, überhaupt Zahlungsplanquoten anzubieten und den Gläubigern lediglich einen „Nullzahlungsplan“ vorlegen. Dies obwohl sie durchaus über die finanziellen Mittel verfügen würden, einen Teil ihrer Schulden zurückzuzahlen.

Einkommenslage der nächsten zwei Jahre für Zahlungsplanquote zu kurz gegriffen
Die Tatsache, dass der Schuldner zukünftig den Gläubigern lediglich eine Quote anbieten muss, welche seiner Einkommenslage in den folgenden zwei anstatt der bisher fünf Jahre entspricht, ist für den KSV1870 völlig inakzeptabel. Diese Bestimmung hat zur Folge, dass die Anzahl erfolgreich abgeschlossener Zahlungspläne erheblich zurückgehen wird und es in weiterer Konsequenz zu deutlichen Quotenreduktionen insbesondere bei den nicht besicherten Gläubigern kommen wird. Die sich in der Praxis bewährte Subsidiarität der Abschöpfung erst nach Ablehnung eines zulässigen Zahlungsplans, welche ein wesentliches Erfolgsgeheimnis des österreichischen Insolvenzverfahrens darstellt, wird dadurch faktisch ausgehebelt. „Das in der Vergangenheit erfolgreich praktizierte System der Zahlungspläne wird damit quasi eingestampft“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz. Der KSV1870 plädiert dafür, den Betrachtungszeitraum von Schuldnern auf zumindest drei Jahre anzuheben und mit jenem der zukünftig angedachten Entschuldungsdauer gleichzusetzen. Auch, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass Schuldner erst ab dem dritten Jahr zu spürbar höheren Leistungen fähig sind und somit erst dann ein deutlicher Anstieg der abgeschöpften Beträge zu verzeichnen ist. 

Schuldenursache als springender Punkt
„Der KSV1870 setzt sich seit Jahren dafür ein, Unternehmen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die Chance einer schnelleren Entschuldung zu ermöglichen. Bei Privatpersonen sehen wir diesen Bedarf nicht“, so Götze. Dabei bedarf es einer differenzierten Betrachtungsweise zwischen den Schuldenursachen: Unternehmen sorgen im Unterschied zu Privatpersonen für Wirtschaftswachstum, schaffen Arbeitsplätze und gehen ein gesellschaftlich erwünschtes Unternehmensrisiko ein, ohne dem die heimische Wertschöpfungskette nicht funktionieren würde. Im Gegensatz zu den Privatschuldnern, die zu knapp einem Drittel auf „persönliches Verschulden“ zurückzuführen sind, wird hier aus volkswirtschaftlicher Sicht ein wertvoller Beitrag geleistet.

Schuldenfrei ohne Anstrengung? Nein! 
Letztlich nimmt die Novelle dem Schuldner nicht nur die Chance, sich bei seinen Gläubigern zumindest teilweise zu rehabilitieren, sondern es wird ihm auch suggeriert, sich ohne besondere Anstrengung zu entschulden: „Eine nochmalige Verkürzung der Entschuldungsdauer ist ein Angriff auf die Eigenverantwortung der Konsumenten“, so Vybiral. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer weiteren Konsumverschuldung, da Schuldner relativ leicht rehabilitiert wären. Schuldner benötigen Zeit, ihre Schulden zurückzuzahlen – das ist innerhalb von drei Jahren zumeist unmöglich. Denn dem Betroffenen muss es trotz Schuldenabbaus möglich sein, die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens begleichen zu können. Dazu kommt, dass der Maßstab „des redlichen privaten Schuldners“ nach dem jetzigen vorliegenden Entwurf äußerst niedrig ist, sodass viele Schuldner nahezu in die 3-jährige Entschuldung „gedrängt“ werden.

Verkleinerung des Kreditmarktes möglich
Als eine zusätzliche negative Auswirkung könnte sich auch die Verkleinerung des Kreditmarktes erweisen: Es ist davon auszugehen, dass bei einer verkürzten Entschuldungsdauer die Vergabe von neuen Krediten stark zurückgeht, was in weiterer Folge gravierende Auswirkungen auf den gesamten österreichischen Wirtschaftszyklus verursachen würde.