Wirtschaftsstandort steht auf wackeligen Beinen

Austrian Business Check-Umfrage: Digitalisierung größte Schwäche der österreichischen Wirtschaft. 

KSV1870 Infografik AB-Check Standort 2019

Wien, 21.05.2019 – 68 Prozent der Unternehmen haben aktuell keine digitale Agenda verankert und planen das auch nicht – obwohl 84 Prozent bereits erkennen, dass die digitale Transformation den eigenen Markt verändert. Am deutlichsten sind die Auswirkungen anhand eines beschleunigten Wettbewerbes (69 %), veränderten Kundenerwartungen (66 %) und neuen Verkaufs- und Distributionskanälen im Markt (53 %) spürbar. Befragt nach der größten Schwäche nennen die Unternehmen die Digitalisierung von Produkten/Prozessen/Services (27 %), gefolgt von mangelhaften Prozessen und Strukturen (24 %) und fehlenden neuen Geschäftsfeldern (23 %). Wenig überraschend schafft es die Digitalisierung laut den Befragten nicht in das Ranking der Top 5-Stärken des Wirtschaftsstandortes.

Der Megatrend der Digitalisierung ist in Österreich noch nicht angekommen, dennoch bewerten 72 Prozent der Unternehmen den Wirtschaftsstandort Österreich mit sehr gut oder gut. „Das mag aktuell noch zutreffen, aber wenn weiterhin die Digitalisierung als Erfolgsfaktor für unsere Wirtschaft vernachlässigt wird, dann wird Österreich massiv an Attraktivität einbüßen und international den Anschluss verlieren. Aus meiner Sicht ist bei den Unternehmen Feuer am Dach“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO des KSV1870. „Die Betriebe sind zu zögerlich und vergessen, digitale Akzente zu setzen.“ Und das, obwohl drei von vier Firmen (77 %), die bereits heute über eine „digitale Roadmap“ verfügen, angeben, positive Auswirkungen auf ihre Finanzen zu erkennen – rund ein Viertel davon sogar sehr deutliche. 

Kundenservice ist größte Stärke des Standortes
Aktuell setzen heimische Betriebe vor allem auf einen guten Service bzw. eine hohe Kundenzufriedenheit (79 %), einen modernen Führungsstil (44 %) und flexible Arbeitsbedingungen (32 %). Befragt nach den größten Handlungsfeldern haben die Unternehmen erkannt, dass der geringe Digitalisierungsgrad aktuell die größte Schwäche darstellt. Um den Anschluss nicht zu verlieren, sehen die Unternehmen den größten Handlungsbedarf bei der Implementierung digitaler Produkte/Prozesse/Services (27 %), gefolgt von klaren internen Prozessen und Stukturen (24 %). Vor allem in Kärnten (61 %) und Wien (46 %) haben Firmen die digitalen Zeichen der Zeit ebenso wie Industriebetriebe (48 %) erkannt und wissen um den Aufholbedarf. Damit die Betriebe fit für die Zukunft werden, bedarf es auch neuer Geschäftsfelder: 23 Prozent sehen darin aktuell die drittgrößte Schwäche. Immerhin: In Salzburg plant jedes zweite Unternehmen (54 %) seine Geschäftsfelder zu erweitern. 

Starker Mitbewerb als Top-Gefahr
Laut Austrian Business Check-Umfrage birgt für die Unternehmen ein verstärkter Mitbewerb (43 %) das größte Gefahrenpotenzial. Auch der akute Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften (40 %) - viele Unternehmen wirken diesem mit umfassenden, internen Ausbildungsprogrammen entgegen - sorgt neben der Abhängigkeit von einzelnen Großkunden (30 %) für Unsicherheit. Überaltete Produkte/Dienstleistungen werden ebenso wie der Brexit oder etwaige Zölle kaum als Risiken für das eigene Geschäft empfunden.

Österreich als Wissensstandort?
Die größten Chancen, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu erhöhen, orten die Befragten bei der Senkung der Lohnnebenkosten (74 %), der Vereinfachung politischer/rechtlicher Rahmenbedingungen (70 %) und einer modernen Verwaltung (59 %). Zudem werden die verstärkte Fachkräfteausbildung (53 %) sowie die Förderung von Innovationen bzw. Forschung und Entwicklung (48 %) als notwendig eingestuft. „Die Ausbildung von Fachkräften und die Entwicklung Österreichs hin zu einem Wissensstandort ist aus unserer Sicht eine große Chance für Österreichs Wirtschaft. Auch, um sich im internationalen Vergleich stärker abzugrenzen. Dafür ist wesentlich, dass sich das Ausbildungsangebot noch stärker als bisher am Bedarf der Wirtschaft orientiert“, so Vybiral.  

Digitalisierung: oft kein Bedarf
Die Unternehmen wissen zwar über die Dringlichkeit der Digitalisierung Bescheid, trotzdem sehen aktuell 39 Prozent der Befragten keinen Bedarf, aktiv zu werden. Als weitere Gründe werden unter anderem „nicht finanzierbar“ mit 17 Prozent und „Unternehmenstradition bremst digitale Projekte“ (16 %) angeführt. Für 9 Prozent der Betriebe scheitert es auch an einer fehlenden Vision. „Österreich kann zwar einige digitale Leuchtturm-Projekte vorweisen, trotzdem wird deutlich, dass es hierzulande keine ausgeprägte digitale Kultur gibt. Wir sind somit noch keine digitalen Gestalter“, erklärt Vybiral. 

Wenig Innovation: Fokus auf Prozessoptimierung
All jene, die sich inmitten der digitalen Transformation befinden bzw. bereits digitalisiert haben, fokussieren derzeit vor allem auf das elektronische Bankgeschäft (71 %), den elektronischen Amtsweg (50 %) und setzen verstärkt auf Social Media (49 %). Digitale Produkte/Services mit 28 Prozent und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder (14 %) befinden sich derzeit nicht im Spitzenfeld, sind aber immerhin bei den geplanten Projekten der Unternehmen ganz vorne mit dabei. „Die Unternehmen setzen auf Altbewährtes und konzentrieren sich wie im vergangenen Jahr auf Optimierungsprozesse. Es zeigt sich, dass Österreichs Betriebe mitunter der Mut fehlt, neue Wege zu beschreiten. ‚More of the same‘ lautet das Motto“, so Vybiral.

Im Rahmen des Austrian Business Checks (AB-Check) befragt der KSV1870 zwei Mal jährlich Unternehmen in Österreich zu aktuellen Themen. An der Umfrage im März haben rund 700 Unternehmen teilgenommen.

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