Lonesome Rider oder effizienter Teamplayer?

Während des Lockdowns hat sich gezeigt, wie smart Teams funktionieren können, auch wenn sie getrennt voneinander werkeln. Holacracy als Organisationsform beweist, dass jeder Einzelne den Unternehmenserfolg aktiv mitgestalten kann.  

Text: Christina Mothwurf

Lonesome Rider oder effizienter Teamplayer?

Homeoffice, Kurzarbeit, Timeslots im Unternehmen: Durch Covid-19 mussten viele Mitarbeiter ihre gewohnten Arbeitsprozesse an den Nagel hängen. Anpassung und Flexibilität stehen an der Tagesordnung – und Post-Corona-Modernismen hin oder her: Die moderne Arbeitswelt muss ohnehin agiler werden, und zwar ganz unabhängig von der so oft zitierten aktuellen Situation, in der sich Unternehmen befinden. Durch Holacracy (dt.: Holokratie) als dezentrales Organisationssystem haben heimische Betriebe jetzt die Chance, neue Potenziale durch adaptierte Strukturen zu schaffen.

Im Kreis gedacht.

Der relativ junge Holokratie-Ansatz wurde vom Unternehmer Brian Robertson entwickelt. Sein Ziel war es, Entscheidungsfindungsprozesse in Unternehmen und Netzwerken deutlich schneller und effizienter zu gestalten. Was uns als Lean Management schon seit Jahren in Jobbeschreibungen und Unternehmensprofilen vermittelt wird, bekommt durch Holacracy eine noch stärkere Prägnanz: Denn genau genommen gibt es hier gar keine Hierarchie mehr. Stattdessen wird jedem Mitarbeiter eine Rolle zugewiesen und damit gleichzeitig klassische – und oftmals verkrustete – Hierarchiepositionen abgebaut.

Der Vorteil: Wenn eine Rolle in einem Kreis nicht mehr gebraucht wird, ist deshalb noch lange nicht der Job futsch.

Die jeweiligen Rollen, die ein Mitarbeiter innehat, werden in einem weiteren Schritt in Kreisen zusammengefasst. Dabei kann man natürlich auch unterschiedlichen Kreisen angehören – je nachdem, wo die eigenen Kompetenzen liegen. Der Vorteil: Wenn eine Rolle in einem Kreis nicht mehr gebraucht wird, ist deshalb noch lange nicht der Job futsch. Ganz im Gegenteil: Die Kompetenz kommt durch ihre Flexibilität in einem anderen Kreis zum Einsatz. So hat jeder Mitarbeiter maximale Entscheidungsfreiheit, arbeitet gemeinsam auf projektbezogener Basis und ist damit dem Kunden in der Regel näher als dem Management. Plus: Veränderungsschritte lassen sich durch Holacracy kontinuierlich in kleineren Schritten realisieren – was in der Regel zeitliche und personelle Ressourcen schont und so langfristig stabilere Veränderungen ermöglicht.

Solide Basis.

Bei so viel Selbstverantwortung, Basisdemokratie und Agilität braucht es aber auch in holokratisch angelegten Unternehmensstrukturen Personen, die das Ruder in die Hand nehmen. Wie das funktionieren kann, zeigen die vier Säulen der Holokratie:

  1. Double Linking. Damit alle Stimmen in den Kreisen untereinander auch gehört werden, gibt es Vertreter, die den Austausch zwischen den Kreisen gewährleisten. So werden alle Interessen gewahrt.

  2. Klare Regeln. Operative und Steuerungstreffen werden strikt getrennt. Damit wird das Tagesgeschäft in der Umsetzung reibungslos erledigt, während bei Steuerungstreffen genügend Raum für Ideen und Strategien bleibt.

  3. Rollenverteilung. Jeder Mitarbeiter weiß ganz genau, wo sein Aufgabenbereich liegt und was man von den Kollegen erwarten kann. Der Satz „Das gehört aber nicht zu meinem Aufgabenbereich“ wird somit passé.

  4. Dynamische Steuerung. Entscheidungen werden immer von allen Beteiligten innerhalb eines Kreises getroffen – auch integrative Entscheidungsfindung genannt. Im Fokus steht dabei nicht die perfekte Lösung, sondern die, die in der Praxis am besten umgesetzt werden kann.
     

On- und offline.

Durch die stetige Weiterentwicklung beweist der Ansatz, dass er vor allem in Krisen Unternehmen stabiler und langfristig flexibler machen kann. Dazu gehört auch, dass Meetings zwar immer noch notwendig, dafür aber deutlich klarer geplant sind. Bei operativen Meetings geht es beispielsweise um das Daily Business und die Frage, wie die Effizienz einzelner Produkte gesteigert werden kann, während bei strategischen Meetings die wichtigsten Fragestellungen diskutiert werden. In den Steuerungsmeetings geht es in weiterer Folge darum, wie Strukturen sinnvoll weiterentwickelt oder adaptiert werden können. Und da enorm viele Unternehmen in Zeiten des Lockdowns gelernt haben, mit Skype, Zoom, Microsoft Teams und Co. umzugehen, steht damit auch diesen Kommunikationsstrategien für die einzelnen Mitarbeiter nichts im Wege. Holacracy zeigt in Sachen Kommunikation und Strategie, dass ein offenes Mindset mit viel Selbstorganisation Unternehmen zum Erfolg führen kann. Vorausgesetzt, sie sind bereit, ihre Strukturen langfristig zu ändern. Vielleicht ist gerade jetzt die beste Zeit dafür?

 

Warum Holacracy Sinn macht – und Sinn stiftet:

  • Mitarbeiter, die mitreden: Jeder Einzelne trägt maximal zum Prozessergebnis bei.
  • Smart und schnell: Die agile Struktur schaltet in Entscheidungsprozessen den Turbo ein.
  • Glasklar: Die hohe Transparenz macht für alle erkennbar, worum es geht.
  • Mein Aufgabenbereich, dein Aufgabenbereich: Die klare Rollenvergabe schafft ein effizientes Arbeitsumfeld und beugt Missverständnissen vor.
  • Synergien mit Sinn: Die doppelte Verbindung der Kreise verbessert die Kommunikation untereinander.
  • Immer die gleiche To-do-Liste? Von wegen: Dynamische Arbeitsprozesse lassen mit Sicherheit keine Langeweile aufkommen.
  • My home is my office: Gerade in Post-Corona-Zeiten bietet Holacracy mehr Möglichkeiten zur Entfaltung für Unternehmen und Mitarbeiter.