Österreichs Wirtschaft stagniert, notwendige Maßnahmen, die für finanzielle Entspannung sorgen sollten, kommen nur langsam ins Rollen. Einer der Hauptgründe für die wirtschaftlich prekäre Situation liegt im anhaltenden Arbeitskräftemangel. Gesucht: Ein Ausweg aus der Misere. Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG, im Gespräch.
Interview: Markus Hinterberger
Trotz hoher Arbeitslosenzahlen sind laut aktueller KSV1870 Analyse 54 Prozent der heimischen Unternehmen von Personalknappheit betroffen. Warum stehen so viele Betriebe bei der Personalsuche auf der Bremse, obwohl Bedarf bestünde?
Für die Unternehmen sind die Kosten gegenwärtig der größte Schmerzpunkt. Gleichzeitig wissen wir, dass Personalkosten zumeist der größte Kostenfaktor in den Budgets sind. Im Vergleich zu den Energiekosten, wo den Unternehmen mehr oder weniger die Hände gebunden sind, haben sie beim Thema Personalkosten etwas mehr Handlungsspielraum. Das bedeutet: Gerade in Zeiten, in denen sich alles ums Sparen dreht, möchten Betriebe möglichst lange mit bestehenden Ressourcen auskommen und zusätzliche Personalkosten so gut es geht vermeiden. Kurzum: Die Unternehmen können oder wollen sich zusätzliche Ausgaben für neue Mitarbeiter nicht leisten. Das ist ein Grund, warum wenig nachbesetzt oder neu eingestellt wird. Denn derzeit besetzt lediglich ein Drittel der Betriebe offene Stellen vollständig nach.
Weniger Personal bedeutet auch weniger Aufträge und weniger Umsatz. Wie lässt sich die Abwärtsspirale stoppen?
Die traurige Wahrheit ist, dass wir uns in vielen Bereichen seit Jahren im Kreis drehen und dadurch der Wirtschaftsstandort großen Schaden nimmt. Dazu zählt auch die Frage, wie es am Arbeitsmarkt weitergeht. Wenn es seitens der Politik gewünscht wird, mehr Beschäftigung und niedrigere Arbeitslosenzahlen zu erzielen, dann muss der Kostendruck sinken. Andernfalls wird sich an der aktuellen Situation einer stagnierenden Auftragslage und maximal durchschnittlichen Umsätzen so schnell nichts entscheidend ändern.
Bei den Investments herrscht momentan große Zurückhaltung und Sparen scheint das Mittel der Stunde. Wie soll das weitergehen?
Sparen ist definitiv kein Konzept für die Ewigkeit. Ein rigoroser Sparkurs ist notwendig, um Krisenzeiten zu überstehen, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es Investitionen braucht, um dem Unternehmen auch die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft zu geben. Denn wer über Jahre hinweg ausschließlich den Sparstift ansetzt, der verliert den Anschluss. Sprich, die Wettbewerbsfähigkeit bleibt auf der Strecke. Es braucht also gezielte Investments und finanzielle Entlastung, um neues Wachstum zu ermöglichen. Noch ist es nicht zu spät, dass der Turnaround gelingt.
Das Thema Entlastung hat schon mehrere Regierungen beschäftigt, so auch die aktuelle. Wo sehen Sie Möglichkeiten, anzusetzen, um Österreich wieder auf Vordermann zu bekommen?
Als Staat müssen wir dort ansetzen, wo der größte Effekt möglichst rasch erzielt werden kann. Das ist in der Industrie, das ist im Bereich der Entbürokratisierung und das ist in der Gestaltung eines positiven Zukunftsbildes. Die Industrie macht rund 20 Prozent der Wertschöpfung des Landes aus und ist ein riesiger Arbeitgeber. Einzelne Betriebe halten dabei ganze Regionen über Wasser, siehe am Beispiel KTM. Ich erwarte mir, dass gezielt Impulse gesetzt werden, damit die Betriebe in den Standort Österreich investieren. Dann werden auch wieder mehr Arbeitsplätze geschaffen und Mitarbeiter eingestellt. Wenn die Industrie die Möglichkeit hat, zu investieren, ist schon vieles erreicht. Zudem wird es notwendig sein, Förderungen selektiver und gezielter umzusetzen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Große Zukunftsthemen sollten strategisch über Jahre hinweg gefördert werden, damit die Auswirkung maximal groß ist.
Sie haben auch das Thema Entbürokratisierung angesprochen. Hat es Österreich in den vergangenen Jahrzehnten zu weit getrieben?
In vielen Bereichen beantworte ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja, wenngleich auch einiges aus Brüssel kommt Wenn man sich ansieht, wieviel Zeit Genehmigungsverfahren in Anspruch nehmen, ist das verheerend. Und nachdem der Staat aktuell kein Geld hat, gilt es umso mehr die Bürokratie abzubauen. Dadurch kann eine Menge Geld eingespart werden. Bedeutet: Auflagen müssen reduziert werden, Bewilligungen und Genehmigungen müssen schneller kommen. Es braucht weniger Dokumentation. Hier erwarte ich mir seitens der Bundesregierung konkrete Lösungen, die mehr als bloße Kosmetik sind. Die Anfang September angekündigten Maßnahmen, wie etwa die Verdoppelung des Investitionsfreibetrages auf 20 Prozent oder die Unterstützung energieintensiver Betriebe sind begrüßenswert, können jedoch nur der Beginn einer langfristig angelegten Entlastungsoffensive sein. Auch, weil Maßnahmen gegen die Teuerung, wie etwa die Kennzeichnungspflicht von versteckten Preiserhöhungen, aus Transparenzgründen zwar löblich sind, aber unmittelbar keine finanzielle Entspannung bringen.
Gerade in Krisenzeiten brauchen die Menschen ein Ziel vor Augen. Wie kann es gelingen, die Motivation trotz aller Unwegsamkeiten hochzuhalten?
Aus meiner Sicht ist die Zeit sogenannter Leuchtturmprojekte spätestens jetzt gekommen – sowohl was die Bundesregierung betrifft wie auch die Unternehmen. Ich glaube, dass es gut und sinnvoll wäre, sich bis zu fünf Projekte herauszupicken und diese – neben den Sparplänen – auf einer „Fastlane“ umzusetzen. Die Menschen brauchen zwar auch das „Big picture“ in Form einer langfristigen Vision, wo es hingehen soll – um Motivation & Co hochzuhalten, sind aber Zwischenziele, sogenannte Quick Wins, unbedingt notwendig. Sie sollten allerdings auch ein gewisse Dimension haben. Gelingt es nicht, auch kurzfristig Erfolge einzufahren, ist die Gefahr relativ hoch, die Menschen am Weg zu verlieren.
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 03/2025.