Von hier nach dort

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„Wie viele Container passen auf ein Containerschiff?“ Interessanterweise verschätzen sich bei dieser Frage die meisten Menschen ganz ordentlich – die Leserinnen und Leser mögen es einmal im Bekanntenkreis ausprobieren. Tatsächlich transportieren aktuelle Ozeanriesen weit mehr als 14.000 standardisierte 20-Fuß-ISO-Container. Die größten haben sogar bereits eine Kapazität von fast 20.000 Containern. Neben dem vertrauten Hang zu technologischer Gigantomanie zeigen diese Zahlen vor allem eines: Die globalen Warenströme nehmen zu. Logistik, unspektakulär als die Summe jener Tätigkeiten definiert, die dem Transport von Gütern aller Art von einem Ort zum anderen dienen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an sie. Schnell, sicher und kostengünstig soll der Transport sein. Auch Nachhaltigkeit wird immer öfter – seitens der Gesetzgeber ebenso wie von den Corporate Responsibilities der Unternehmen – gefordert. Nicht zuletzt verlangt die vielzitierte „Industrie 4.0“ mit ihrer Individualisierung, Vernetzung und Datengetriebenheit ein Umdenken von den Logistikern: Kurze Reaktionszeiten, kleinteilige Sendungsgrößen und Prognostizierbarkeit auf Datenbasis sind daraus folgende Rahmenbedingungen.
 
Wachsender Markt. Als eine Konsequenz dieser Entwicklungen ist ein Großteil der logistischen Tätigkeiten heute bereits ausgelagert. Neben dem reinen Transport werden auch Planung der Logistik, Abwicklung des Warenumschlags und sogar der Betrieb des Lagers immer öfter in die Hände externer Dienstleister gelegt. Die seit 21 Jahren jährlich erscheinende „Annual Third-Party Logistics Study“ von Capgemini Consulting gibt in ihrer aktuellen Ausgabe den Outsourcing-Grad verschiedener Dienstleistungen an (jeweils bezogen auf den Weltmarkt). Demnach sind 86 % der Binnen- und 60 % der internationalen Transporte ausgelagert. Weiters 66 % der Lagerhaltung, 44 % der Speditionsaufgaben und 42 % aller Aktivitäten, die mit dem Verzollen zu tun haben. Die größten heimischen Transportunternehmen sind Rail Cargo, LKW Walter, DB Schenker, Gebrüder Weiss und Kühne + Nagel. Die letzten drei übernehmen als Kontraktpartner auch Lagerhaltung und weitere logistische Dienstleistungen. Der Markt für Logistik-Dienstleister ist im vergangenen Jahrzehnt jährlich um rund 10 % gewachsen, was neue Marktteilnehmer auf den Plan ruft. Die Logistik-Dienstleister stehen dadurch unter großem Kostendruck, der wohl nicht abnehmen wird. Laut der „Mobilitätsstudie 2016 – Der vernetzte Truck“ des Automobilzulieferers Continental rechnen 90 % aller Logistiker mit einer weiteren Zunahme des Kostendrucks. Ihr Vorteil ist, dass sie dank vorhandener Infrastruktur und Personal Skalierungseffekte nutzen können. Beispielsweise oft schneller auf kurzfristige Nachfragehochs bei ihren Kunden reagieren können als diese selbst.
 
Autonome Shuttles. Eine weitere Strategie ist Automatisierung. Automatische Kleinteilelager und Packstationen, mannlose Regalbediengeräte, Roboter oder fahrerlose Transportsysteme gehören heute bereits fast zur Standardausstattung eines modernen Lagers. Ein komplexes Lagerleitsystem steuert sämtliche Abläufe, selbstverständlich eng an die Unternehmenssoftware wie zum Beispiel SAP angebunden. Ein Beispiel für moderne Lagertechnik made in Austria ist die Shuttle-Technologie des steirischen Unternehmens Knapp, die in unterschiedlichen Automatisierungsgraden und für unterschiedliche Lagergrößen angeboten wird. Sie dient zum Ein- und Auslagern sowie zum Beliefern von manuellen Kommissionierplätzen. Die Highend-Variante besteht aus frei fahrenden Shuttles, die Hindernisse erkennen und selbstständig Ausweichrouten planen können. Nach Angaben von Knapp sind weltweit bereits mehr als 16.000 Shuttles im Einsatz. Ein anderes heimisches Beispiel ist das Transportsystem der Vorarlberger Firma Servus Intralogistics. Es besteht aus einer beliebig großen Menge an Roboterfahrzeugen, die bis zu 50 Kilogramm schwere Waren auf Schienen durchs Lager bewegen. Anwender können die Schienen wie bei einem Baukasten selbst zusammenstellen und so eine optimal an die räumlichen Gegebenheiten angepasste Transportstrecke schaffen: etwa direkt unter der Decke oder in mehreren Ebenen übereinander. Die Transportroboter arbeiten ihre Aufträge autonom ab und wählen dabei selbstständig, also ohne übergeordnete Steuerung, den kürzesten Weg.
 
Kurz vor der Zustellung. Ein nach wie vor heißes Thema in der Zustelllogistik ist die sogenannte „letzte Meile“, also der letzte Routenabschnitt einer Lieferung zum Endkunden. Insbesondere in Ballungsräumen stellt sich das Problem so dar, dass lokal nahe beieinander gelegene Zustelladressen nach Möglichkeit mit nur einer einzigen Fahrt beliefert werden sollen. Ist ein Empfänger nicht anwesend, muss das Paket wieder mitgenommen werden und verursacht so zusätzlichen Aufwand (und Kosten). Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunden immer „selbstbewusster“ werden. Sie verlangen Lieferung innerhalb kürzester Zeit bei gleichzeitiger größtmöglicher Flexibilität, also zum Beispiel kurzfristiger Änderung von Zustelladresse oder Zustellzeit. Nicht zuletzt dank E-Commerce erfreuen sich Paketzusteller wie Post, DHL, DPD oder GLS seit Jahren über ein steigendes Zustellvolumen. Branchenprimus Post etwa stellte 2016 in Österreich 81,5 Mio. Pakete zu – 1,5 Mio. mehr als im Jahr davor. Die Zulieferunternehmen stehen somit vor der Aufgabe, eine ständig wachsende Paketmenge in immer kürzerer Zeit und zu immer individuelleren Zustellbedingungen ausliefern zu müssen – und dabei kostendeckend zu bleiben. Fast alle Zustelldienste bieten deshalb bereits die Samstagszustellung an. Zudem setzen sie auf Paketshops, an denen zu den Geschäftszeiten Pakete abgeholt und auch aufgegeben werden können. Viele setzen auch auf fest installierte Abgabeboxen. Dort können Empfänger, die beim Zustellversuch nicht anwesend waren, rund um die Uhr ihre Sendung abholen.
 
Skepsis gegenüber Drohnen. Immer wieder liest man von Drohnen als Ideallösung für die letzte Meile. Die Idee ist verlockend: Lokale, stadtnahe Depots werden von LKW mit Paketen versorgt. Von dort erfolgt die Zustellung zum Kunden dann mittels der kleinen Flugroboter. Auch für besonders abgelegene oder mit dem Auto schwer erreichbare Zustelladressen wären Drohnen eine kostengünstige Option. Allerdings sind sie in der Logistik bis heute noch nicht über den Status des Testbetriebs hinausgekommen. Zu unklar ist, welche Flug- und Orientierungstechnologien verwendet werden sollen, wie Abstürze zuverlässig verhindert werden können oder ob Drohnen überhaupt rechtlich mit der Luftraumsicherheit vereinbar sind. Zudem zeigen Studien, dass Drohnen von der Bevölkerung mit Skepsis betrachtet werden. Eine Alternative könnten bodengebundene Zustellroboter sein. Auch damit experimentieren die großen Zulieferunternehmen bereits.

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