Zahlungsmoral: Jeder Vierte zahlt Rechnungen zu spät

88 % der Betriebe sind von der Covid-19-Krise betroffen. Einzig die Privaten zahlen pünktlich. Deutliche Verschlechterung der Zahlungsmoral für 2021 erwartet.

KSV1870 Austrian Business Check Zahlungsmoral 2020

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Wien, 14.10.2020 – Der aktuelle Austrian Business Check zeigt massive Auswirkungen der globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrise auf die finanzielle Stabilität österreichischer Unternehmen: 9 von 10 Firmen haben mit den Folgen zu kämpfen – 41 % sind sehr stark bzw. eher stark betroffen. Zudem hat sich die Geschäftslage der Betriebe eingetrübt: Vor der Corona-Krise sprachen zwei Drittel von einer positiven Situation. Aktuell sind es nur noch 44 %, die die eigene Lage mit sehr gut bzw. gut bewerten – gleichzeitig sind Einschätzungen mit Mangelhaft oder Ungenügend von 6 % auf 21 % gestiegen. Kleine Überraschung: Die heimische Zahlungsmoral ist von der Krise bislang noch relativ wenig betroffen: Österreichweit begleichen 23 % (2019: 16 %) ihre offenen Rechnungen zu spät. Dieses Minus geht vor allem auf das Konto der Bundesbehörden und die vielerorts späte Auszahlung etwaiger Förderungen. Für 2021 zeichnen die Unternehmer ein deutlich düsteres Bild und erwarten eine gravierende Verschlechterung des heimischen Zahlungsverhaltens. 

„Die Corona-Krise hat wenig überraschend massive wirtschaftliche Auswirkungen für die Unternehmen gebracht. Wir sprechen aktuell von einer deutlich verschlechterten Geschäftslage, die zum einen den teils gravierenden Einschränkungen geschuldet, andererseits auch eine Folge der ungewissen Zukunftsperspektive ist“, erklärt Mag. Ricardo-José Vybiral, MBA, CEO der KSV1870 Holding AG. Die Pandemie hat viele Branchen ganz besonders hart getroffen: dazu zählen etwa die Bereiche Verkehr/Nachrichtenübermittlung, das Gastgewerbe und der Freizeitsektor. Im Vergleich dazu sind vor allem die Branchen Land/Tiere/Forstwirtschaft oder auch die IT bzw. elektronische Datenverarbeitung einigermaßen verschont geblieben. Zudem ist laut aktueller KSV1870 Umfrage klar: Je kleiner das Unternehmen, desto größer die finanzielle Betroffenheit. 43 % der Kleinstunternehmen (bis € 1 Mio. Umsatz) antworteten mit sehr stark bzw. stark betroffen; bei den Kleinunternehmen (bis € 9,99 Mio.) sind es 42 %; bei den mittleren Unternehmen (bis € 49,99 Mio.) 22 % und bei den Großunternehmen (über € 50 Mio.) 15 %. 

Rückläufige Umsätze und weniger Investments 
Darüber hinaus sind Covid-19-bedingte Entwicklungen auch bei den Umsätzen erkennbar: Quer durch alle Branchen und Unternehmensgrößen verzeichnen 36 % der Betriebe (2019: 14 %) niedrigere Umsätze als im Vorjahr. Parallel dazu ist die Zahl jener Betriebe mit steigenden Umsätzen von 46 % auf 34 % gesunken. Gleichzeitig hat auch die Investitionsstimmung gelitten: Anfang des Jahres wollten 80 % der Betriebe ihr Investitionsniveau von 2019 zumindest halten bzw. rund ein Viertel davon sogar erhöhen. Aufgrund der Corona-Krise mussten jedoch viele Investments gestoppt werden. Trotzdem möchten 30 % der Unternehmen geplante Investments in vollem Umfang umsetzen; weitere 15 % zumindest teilweise. 10 % der Betriebe können keine geplanten Investitionen tätigen. 

Zahlungsmoral: noch wenig Covid-19-bedingte Auswirkungen
So sehr die Pandemie viele in finanzielle Schieflage gebracht hat, so überschaubare Auswirkungen hat sie bislang auf die heimische Zahlungsmoral. Zwar begleichen 23 % (+7 % gegenüber 2019) offene Forderungen nicht fristgerecht, parallel dazu erkennen 66 % der Befragten allerdings keine wesentlichen Veränderungen im aktuellen Zahlungsverhalten. Weitere 27 % sehen eine leichte Verschlechterung, 7 % sprechen von einer Verbesserung seit Ausbruch der Corona-Krise.  

Private zahlen pünktlich – der Bund deutlich verspätet
Vergleicht man die Umfrage-Ergebnisse zwischen Firmen-, Privatkunden und der Öffentlichen Hand, so zeigt sich, dass offene Rechnungen einzig von den Privatkunden fristgerecht beglichen werden – und zwar im Schnitt innerhalb von 13 Tagen (2019: 15 Tage). „90 % der Privaten zahlen trotz Corona-Krise pünktlich und sollten für alle anderen als Vorbild dienen“, erklärt Walter Koch, Geschäftsführer der KSV1870 Forderungsmanagement GmbH. Gleichzeitig haben sich auch die Firmenkunden in punkto Zahlungsdauer (24 Tage) im Vergleich zu 2019 um 5 Tage verbessert – trotz verkürzter Zahlungsziele und einem um einen Tag erhöhten Zahlungsverzug. Während Länder (36 Tage) und Gemeinden (29 Tage) bei der tatsächlichen Zahlungsdauer auf dem Vorjahresniveau stagnieren, gibt es auf Bundesebene eine deutliche Verschlechterung zu vermelden: Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahlungsdauer der Bundesbehörden um 13 Tage verschlechtert. Sie benötigen 49 Tage, um offene Rechnungen zu begleichen. „Diese immense Verschlechterung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Unternehmen unterschiedlichste Covid-19-Fördermittel beantragt haben, auf die sie gefühlt lange warten mussten“, so Koch.  

Regionale Unterschiede: Vorarlberg top
Sowohl bei den Firmen- als auch bei den Privatkunden weist Vorarlberg die jeweils kürzeste Zahlungsdauer auf. Das westlichste Bundesland hat bei den Firmenkunden seine langjährige Spitzenposition zurückerobert und weist mit 16 Tagen (-14 Tage gegenüber 2019) die deutlich kürzeste Zahlungsdauer auf. Steiermark und Kärnten benötigen mit jeweils 28 Tagen am längsten. Im Bereich der Privaten zahlen die Vorarlberger mit 9 Tagen sogar innerhalb des Zahlungsziels von 10 Tagen und liegen damit an der Spitze. Wien und Niederösterreich (jeweils 17 Tage) rangieren auf den letzten beiden Plätzen. 

6 von 10 Betrieben müssen offenen Forderungen nachlaufen
Aktuellen Umfrage-Ergebnissen zufolge müssen 60 % der Unternehmen (2019: 78 %) ausstehenden Rechnungen nachlaufen. Hier bedarf es eines professionellen Forderungsmanagements. „Zuletzt haben wir gemerkt, dass die telefonische Mahnung wieder an Bedeutung gewonnen und den schriftlichen Prozess leicht überholt hat. Gleichzeitig stellen wir fest, dass das Gesprächsklima am Telefon konstruktiver ist und viele an einer für beide Seiten sinnvollen Lösung interessiert sind“, erklärt Koch. In 94 % (2019: 95%) der Fälle beläuft sich der monetäre Schaden auf bis zu 50.000 Euro.

Zukunft: bereinigter Markt und sinkende Zahlungsmoral 
„Österreichs Wirtschaft steht nicht erst seit Ausbruch der Corona-Krise vor großen Herausforderungen. Viele Unternehmen sind aktuell sehr stark mit der Krisenbewältigung beschäftigt, trotzdem dürfen wir auf langfristige Projekte nicht vergessen“, erklärt Vybiral. Laut Austrian Business Check gehen die Unternehmer von einem stark bereinigten Markt aus, auf dem langfristig gesehen nur die finanzstärksten Unternehmen reüssieren werden. Dazu erwarten sie weiterhin hohe Arbeitslosenzahlen, eine noch schneller voranschreitende Digitalisierung und auch, dass sich die Zahlungsmoral deutlich negativ entwickeln wird. 41 % der Befragten gehen davon aus, dass diese bereits 2021 auf die Wirtschaft zukommen wird. 

Im Rahmen des Austrian Business Checks befragt der KSV1870 zwei Mal jährlich Unternehmen in Österreich zu aktuellen Themen. An der Umfrage im August haben rund 1.200 österreichische Unternehmen teilgenommen.