Die Geschäftslage der heimischen Unternehmen ist so schlecht wie schon lange nicht. Die Auftragslage ist bestenfalls Durchschnitt. Investments sind kein Thema. Das geht aus einer aktuellen KSV1870 Umfrage hervor. Umso mehr braucht es jetzt ein positives Momentum und Leuchtturmprojekte, die der Startschuss für eine neue Heldenreise sein können.
Text: Markus Hinterberger
„Österreich kann, wenn es will“, mit diesen Worten schwor SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer die Alpenrepublik im Rahmen seiner Rede zum Doppelbudget 2025/26 auf „ein paar harte Jahre“ ein, wie er es weiter formulierte. Die Ausgangslage sei aber alles andere als rosig, denn „Österreich hat sich seit 2022 auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern schlecht geschlagen“, so Marterbauer. Dabei verwies der frühere Chefökonom der Arbeiterkammer auf die lahmende Wirtschaft bei einem gleichzeitig hohen Kostenniveau: „Die Ausgangslage ist extrem schwierig. Der Zustand des österreichischen Staatshaushalts ist besorgniserregend.“ In eine ähnliche Kerbe schlagen mehrere Wirtschaftsumfragen, die jüngst veröffentlicht wurden. Laut Austrian Business Check des KSV1870 vom März 2025 befindet sich die Geschäftslage der heimischen Unternehmen im freien Fall. Demnach wird diese nur noch von 43 % der Betriebe mit „sehr gut“ oder „gut“ bewertet – das sind um sieben Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Ein schlechteres Ergebnis gab es im Rahmen der Umfrage nur zu Beginn der Corona-Krise im Jahr 2020.
Als Hauptgrund für die jahrelange Misere wird das insgesamt hohe Kostenniveau angesehen: Steigende Personal- und Energiekosten sowie Preissteigerungen seitens Lieferanten führen dazu, dass viele Unternehmen den Sparstift ansetzen müssen. Zudem klagt jeder zweite Betrieb über fehlendes Personal, was in Kombination mit der anhaltenden Inflation dazu führt, dass die Finanzlage vieler Unternehmen zu Beginn des dritten Rezessionsjahres in Folge alles andere als zufriedenstellend aussieht. Mit dieser Einschätzung ist der Austrian Business Check des KSV1870 nicht allein, denn das Deloitte Radar 2025 zeigt ein sehr ähnliches Ergebnis: „Der Wirtschaftsstandort Österreich befindet sich in einem steilen Sinkflug. Ein Weiter-wie-bisher ist nicht mehr möglich“, bringen es die Studienautoren von Deloitte auf den Punkt.
Industrie als großer Verlierer.
Wie aus dem Austrian Business Check weiters hervorgeht, gibt es große Branchenunterschiede: Der Dienstleistungssektor weist mit 49 % das beste Ergebnis auf, der Handel (29 %) befindet sich hingegen anhaltend im Krisenmodus: „Der Handel ist aktuell das größte Sorgenkind der heimischen Wirtschaft. Einem Großteil der Betriebe bleibt kaum Luft zum Atmen. Das belegen auch die hohen Insolvenzzahlen im ersten Quartal 2025“, erklärt Ricardo-José Vybiral, CEO der KSV1870 Holding AG. Darüber hinaus zeigt die Geschäftslage in der Industrie (32 %) deutlich nach unten – gegenüber dem Vorjahr steht ein Minus von 24 Prozentpunkten zu Buche. Damit zählt die Industrie zu den großen Verlierern im Jahresvergleich: „Das hohe Maß an Bürokratie setzt der heimischen Industrie ganz besonders zu. In Kombination mit den hohen Kosten, der Inflation und internationalen handelspolitischen Risiken ist das ein Mix, der das Leben der Industriebetriebe massiv erschwert“, so Vybiral.
Kostenplage lässt Umsatzplus verpuffen.
Dass die wirtschaftliche Situation vielerorts dermaßen angespannt ist, liegt vor allem auch am hohen Kostenniveau, das in Österreich vorherrscht. Zwar haben sich im Vorjahr die Umsätze bei 41 % der befragten Unternehmen verbessert, gleichzeitig haben aber lieferantenseitige Preissteigerungen ebenso wie die hohen Energiekosten dafür gesorgt, dass viele Betriebe ihre finanzielle Gesamtsituation nicht entscheidend verbessern konnten – trotz höherer Umsätze. Weiters haben sich bei 31 % die Umsätze im Vorjahr sogar verschlechtert. Insbesondere im Handel spitzt sich die Lage weiter zu: 40 % der Betriebe verbuchten im vergangenen Jahr Umsatzeinbußen.
Auftragslage ist zwiegespalten.
Eine recht ähnliche Situation zeigt sich in puncto Auftragslage. Während 34 % der befragten Unternehmen laut eigenen Angaben einen Anstieg zu verzeichnen hatten, sprachen 32 % von einer gleichbleibenden Entwicklung. Bei weiteren 34 % stand am Jahresende sogar eine rückläufige Tendenz zu Buche. Immerhin: Einen Lichtblick am Horizont liefert die aktuelle Auftragslage der Unternehmen. Zum Zeitpunkt der Umfrage im März dieses Jahres waren immerhin 41 % mit dieser zufrieden. Weitere 37 % gaben eine durchschnittliche Bewertung ab, 22 % sprachen von einer rückläufigen Tendenz. Besonders positiv zeigt sich hierbei die Situation im Bereich der Finanz-/Versicherungsdienstleistungen (78 %), der Information und Kommunikation (50 %), im Gesundheits-/Sozialwesen und in der Bauwirtschaft (jeweils 43 %). Der Handel hinkt mit 27 % hingegen weiterhin zurück. „Eine gute Auftragslage ist ein wichtiger Indikator für die Wirtschaftsentwicklung, doch ob sie sich angesichts der hohen Kosten in einer positiven Geschäftsentwicklung niederschlägt, bleibt abzuwarten, denn schon jetzt wird gespart, wo es nur möglich ist“, so Vybiral.
Sparstift im Dauereinsatz.
Angesichts der schlechten Geschäftslage […] sind gezielte Sparmaßnahmen für viele Betriebe so etwas wie einer der letzten Strohhalme, doch noch den Turnaround zu schaffen.
Die seit Jahren sinkende Geschäftslage hat mittlerweile auch dazu geführt, dass acht von zehn Unternehmen teils umfangreiche Sparmaßnahmen implementieren mussten, um die wirtschaftlichen Herausforderungen zu stemmen. 13 % haben ein „offizielles“ Sparprogramm ins Leben gerufen, um in ihren Finanzen für ein Mindestmaß an Stabilität zu sorgen, weitere 67 % sparen „im laufenden Betrieb“. Sie alle haben de facto dem Thema Kosten alles untergeordnet und den Gürtel deutlich enger geschnallt. „Angesichts der schlechten Geschäftslage und des mehrheitlich negativen Ausblicks sind gezielte Sparmaßnahmen für viele Betriebe so etwas wie einer der letzten Strohhalme, doch noch den Turnaround zu schaffen“, analysiert Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH. Am häufigsten wird in den Bereichen Einkauf und in der Verwaltung gespart. Am wenigsten betroffen von Kürzungen sind die Branchen Information und Kommunikation (33 %), das Gesundheits-/Sozialwesen (30 %) und Finanz-/Versicherungsdienstleister (29 %).
Investitionsbereitschaft auf niedrigem Niveau.
Bereits in den vergangenen Jahren fanden umfassende Investments kaum Platz auf der Agenda. Dieser Trend scheint sich 2025 fortzusetzen. Laut KSV1870 Umfrage dürfte die Investitionsbereitschaft der Unternehmen im heurigen Jahr auf niedrigem Niveau stagnieren. Demnach wollen 2025 nur 16 % (2024: 17 %) der Unternehmen Investments tätigen, für weitere 40 % (2024: 41 %) ist dies eine Frage der wirtschaftlichen Machbarkeit, sprich: Sie wollen zuwarten. „Finanzdisziplin ist kein leeres Wort, denn dass auch heuer fast die Hälfte der Betriebe auf Investitionen verzichtet, zeigt, wie sehr sie sich einem restriktiven Kosten- und Risikomanagement unterworfen haben“, erläutert Wagner.
Diejenigen, die tatsächlich bereit sind, Investitionen zu tätigen, machen das größtenteils (59 %) in einem moderaten Ausmaß – lediglich 10 % sind zu (für die jeweiligen Verhältnisse) höheren Investments bereit. Insgesamt werden 42 % der Investitionen dazu verwendet, den Betrieb aufrechtzuerhalten. 38 % fließen in Innovation und Weiterentwicklung, 16 % werden für „Investments in Mitarbeiter“ aufgebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei unter anderem die Digitalisierung sowie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit, aber auch der Aufbau neuer Geschäftsfelder und Vertriebskanäle. Im Gegensatz dazu spielen gerade in Krisenzeiten Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeit, Umweltmanagement und CSR nur eine untergeordnete Rolle. „Strategische Weitsprünge auf Ebene der Investitionen sind damit eine Seltenheit geworden, doch das kann kein Modell auf Jahre sein“, so Wagner.
Investments vorrangig aus Eigenmitteln.
Gleichzeitig hält die deutliche Mehrheit der Unternehmen daran fest, ihre Investitionen vorrangig aus Eigenmitteln (71 %) zu finanzieren. Mit deutlichem Abstand folgen der Cashflow (37 %) und Bankkredite (25 %) als optionale Finanzierungsquellen. Angesichts der aktuell noch guten Eigenkapitalausstattung vieler Betriebe – 53 % (2024: 57 %) bewerten ihre aktuelle Eigenkapitalausstattung mit „sehr gut“ oder „gut“ – ist das ein durchaus nachvollziehbarer Schritt. Wenngleich der 3-Jahres-Trend im Vergleich zum Vorjahr nach unten zeigt.
Während 2024 noch 42 % der Unternehmen die Entwicklung ihres Eigenkapitals in den vorangegangenen drei Jahren positiv bewertet haben, sind es heuer nur noch 37 %. Gleichzeitig ist der Anteil jener, die eine negative Einschätzung abgegeben haben, von 21 auf 29 % angestiegen. „Die anhaltend schwierige wirtschaftliche Situation spüren die Unternehmen nun auch immer häufiger auf ihrem Festgeldkonto. Die Lage spitzt sich zu, und es hat den Anschein, dass die Betriebe ihre eisernen Reserven anzapfen müssen, ganz besonders, wenn es um die Finanzierung von Investitionsvorhaben geht“, so Wagner. Besonders massiv zeigt sich die Entwicklung im Bereich Gastronomie/Beherbergung: Hier weisen nur 17 % (2024: 28 %) der Betriebe eine positive Eigenkapitalentwicklung innerhalb der vergangenen drei Jahre auf, 52 % sprechen von einer negativen Tendenz. Doch auch der Handel verlor gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozentpunkte – derzeit können nur 33 % eine positive 3-Jahres-Entwicklung vorweisen.
Leuchtturmprojekte als Weg aus der Krise.
Die Ergebnisse des aktuellen Austrian Business Check sorgen insgesamt für wenig Euphorie – nur in einzelnen Punkten zeigt sich ein Aufwärtstrend. Doch selbst dieser steht angesichts unverändert großer Einflüsse von außen, wie etwa das hohe Kostenniveau oder geopolitische Differenzen, auf wackeligen Beinen. Eine deutliche Verbesserung auf breiter Basis scheint in der zweiten Jahreshälfte 2025 aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich. Gerade einmal jedes fünfte Unternehmen rechnet mit einer wesentlichen Verbesserung noch in diesem Jahr. Am positivsten sind die Branchen Information und Kommunikation (37 %), das Gesundheits-/Sozialwesen und die „Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen“ (jeweils 27 %) eingestellt. Der Großteil (49 %) erwartet eine gleichbleibende Entwicklung, 32 % gehen von einer Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Gesamtlage aus. Hier ist unter anderem die Warenproduktion (43 %), der Handel (40 %) oder die Bauwirtschaft (31 %) zu nennen. „Wenn diese Prognose tatsächlich eintritt, wäre das für die heimische Wirtschaft fatal“, so Vybiral. Laut Umfrage werden steigende Personalkosten, steigende Energiekosten und Preiserhöhungen seitens der Lieferanten als jene Faktoren mit dem größten Gefahrenpotenzial für das eigene Geschäft eingestuft. „Die Lage ist alles andere als rosig, umso dringender braucht es ein positives Momentum, etwa in Form definierter Leuchtturmprojekte. Sie können eine Initialzündung sein, um auf die Siegerstraße abzubiegen“, so Vybiral.
Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 02/2025.