Steuer: Einschränkungen bei Arbeitskräfteüberlassungen vom EU/EWR-Ausland nach Österreich

Der VwGH (Verwaltungsgerichtshof) hat entschieden, dass die Abzugsteuer bei Arbeitskräfteüberlassungen vom EU/EWR-Ausland nach Österreich nicht höher sein darf als die tarifmäßige Steuer auf die Nettoeinkünfte, die bei einem inländischen Überlasser zum Tragen kommen würde. Die Nettobesteuerung setzt (nur) die Bekanntgabe der Lohnaufwendungen für die gestellten Arbeitnehmer voraus.
 
Einkünfte, die Steuerausländer aus der Gestellung von Arbeitskräften zur inländischen Arbeitsausübung erzielen, unterliegen grundsätzlich einem 20%igen Steuerabzug (bemessen von der ungekürzten Gestellungsvergütung; vgl § 99 Abs 2 Z 1 EStG).
 
Da diese Abzugsteuer (auch) der steuerlichen Erfassung der in der Gestellungsvergütung enthaltenen Arbeitslöhne dient, ist der Zusammenhang mit der Lohnbesteuerung zu beachten:
 
Einerseits kann von der Abzugsbesteuerung nach der DBA-Entlastungsverordnung abgesehen werden, wenn die Bezüge der ins Inland überlassenen Arbeitskräfte einem freiwilligen Lohnsteuerabzug unterworfen werden und für den Überlasser eine Befreiungsbescheinigung bzw (bei konzerninterner Überlassung von Angestellten) eine Ansässigkeitsbescheinigung (ZS-QU2 bzw ZS-QU1) vorliegt.
 
Andererseits vertrat die Finanzverwaltung bisher die Auffassung, dass es im Falle der Arbeitskräfteüberlassung nicht möglich sei, die Abzugsteuer nur von den Nettoeinkünften (dh dem Saldo zwischen Gestellungsvergütung einerseits und unmittelbar zusammenhängenden Betriebsausgaben andererseits) zu bemessen. Die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit, die das Gesetz an sich allen in der EU oder im EWR ansässigen beschränkt Steuerpflichtigen einräumt (vgl § 99 Abs 2 Z 2 EStG im Gefolge der EuGH-Rs Scorpio), würde nämlich der gesetzgeberischen Intention der Sicherstellung der Besteuerung der in der Gestellungsvergütung enthaltenen Arbeitslöhne zuwiderlaufen (vgl zB EAS 3041).
 
Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 15. September 2016, 2013/15/0136, darf die Abzugsteuer für einen in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Überlasser aber nicht höher sein als die tarifmäßige Steuer auf die „Nettoeinkünfte“ (Überlassungsvergütung abzüglich der damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben), die bei einem inländischen Überlasser zum Tragen kommen würde. Einer darüber hinausgehenden Besteuerung steht die Dienstleistungsfreiheit entgegen. Wenn die Lohnaufwendungen für die gestellten Arbeitnehmer bekannt sind und Unterlagen betreffend diese Lohnaufwendungen vorliegen, besteht daher die Möglichkeit einer Nettobesteuerung
 
Fehlende Dokumentation bei Rückstellungsbildung: finanzstrafrechtliches Risiko
In der Praxis ist die richtige Abgrenzung steuerlich zulässiger Verbindlichkeitsrückstellungen von steuerlich nicht abzugsfähigen Pauschalrückstellungen oft schwierig. Wird eine Rückstellung im Zuge einer Betriebsprüfung als Pauschalrückstellung qualifiziert und damit nicht anerkannt, kann die daraus resultierende Abgabennachzahlung finanzstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein jüngst veröffentlichtes BFG-Erkenntnis setzt die bestehende Rechtsprechung des VwGH fort: Zu Unrecht steuerwirksam angesetzte Garantierückstellungen können bei fehlender Dokumentation den Vorwurf einer (vorsätzlichen) Abgabenhinterziehung begründen.
 
Einzelrückstellung – Pauschalrückstellung
Bei steuerlich unzulässigen Pauschalrückstellungen ist eine Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme durch Dritte gegeben, ohne dass bereits konkrete Umstände im jeweiligen Einzelfall eine Verbindlichkeit (Verpflichtung) erwarten lassen (zB pauschal gebildete Garantie- oder Gewährleistungsrückstellungen; EStR Rz 3319). Pauschalrückstellungen werden dem Grunde nach anhand von Erfahrungswerten gebildet. Eine steuerlich unzulässige Pauschalrückstellung liegt auch dann vor, wenn gleichartige Einzelrückstellungen dem Grunde nach gruppenweise aufgrund von Erfahrungswerten der Vergangenheit zusammengefasst werden (VwGH 20. Oktober 2010, 2007/13/0085; EStR Rz 3319). Auch wenn es im Einzelfall zu einer Verfeinerung der statistischen Erfassungsmethode der Rückstellung aufgrund von Erfahrungswerten kommt, führt dies für sich allein noch nicht zu einer steuerlich zulässigen Einzelrückstellung (VwGH 20. Oktober 2010, 2007/13/0085).
 
Vorsatz und Fahrlässigkeit im Finanzstrafrecht
Eine (vorsätzliche) Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 FinStrG wird mit einer bedeutend höheren Strafe geahndet als eine grob fahrlässige Abgabenverkürzung im Sinne des § 34 FinStrG: Die Abgabenhinterziehung kann mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des hinterzogenen Betrages und daneben mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden. Eine grob fahrlässige Abgabenverkürzung wird nur mit einer Geldstrafe bis zum einfachen Verkürzungsbetrag geahndet. Während über die grob fahrlässige Abgabenverkürzung stets vom Finanzamt als Finanzstrafbehörde zu entscheiden ist, sind für Abgabenhinterziehungen mit einem Hinterziehungsbetrag von mehr als EUR 100.000 die ordentlichen Gerichte zuständig (§ 53 FinStrG).
 
VwGH und BFG: unzulässige Rückstellungsbildung als Abgabenhinterziehung
Schon aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des VwGH konnte eine unzulässige Rückstellungsbildung einen Vorsatzvorwurf auslösen und damit eine Abgabenhinterziehung begründen: Werden von einem Wirtschaftstreuhänder „Rückstellungen für noch zu leistende Arbeiten“ ohne weitere Begründung gebildet, ist von einer rechtswidrigen Steuerminimierung auszugehen, die den Tatbestand der Abgabenhinterziehung erfüllt (VwGH 16. Juli 1996, 96/14/0013). Ein schuldloses oder bloß fahrlässiges Verhalten ist nach der Rechtsprechung des VwGH in einem solchen Fall ausgeschlossen.
 
Auch in einem jüngst durch das BFG entschiedenen Fall wurden Garantierückstellungen zu Unrecht mit steuerlicher Wirkung gebildet (BFG 29. September 2016, RV/1300006/2015). Da unzulässige Garantierückstellungen schon in einer Vorprüfung festgestellt wurden, ging das BFG davon aus, dass die unbegründete Bildung von Garantierückstellungen in den Folgejahren von einem Hinterziehungsvorsatz des Abgabepflichtigen getragen war. Der Abgabepflichtige konnte laut Feststellungen des BFG trotz mehrfacher Aufforderungen und Fristverlängerungen keinerlei schlüssige Unterlagen vorlegen, die die Bildung einer zulässigen Garantierückstellung begründen hätten können. Zu den von der Betriebsprüfung vorgelegten Beweismitteln konnte der Abgabepflichtige keinerlei Gegenbeweismittel beibringen.
 
Da bereits eine Vorprüfung Feststellungen im Zusammenhang mit unzulässigen Garantierückstellungen getroffen hatte, bevor der Abgabepflichtige die verfahrensgegenständlichen Steuererklärungen (wiederum) unrichtig einreichte, war Vorsatz gegeben. Aufgrund der Feststellungen der Vorprüfung wäre es aus Sicht des BFG für jeden Abgabepflichtigen eine Selbstverständlichkeit gewesen, mögliche Nachweise entsprechend aufzubereiten bzw bereitzuhalten. Dies wurde unterlassen.
 
Fazit: Dokumentation bereithalten

Da die praktisch schwierige Abgrenzung zwischen unzulässigen Pauschalrückstellungen und zulässigen Einzelrückstellungen zu Feststellungen in einer Betriebsprüfung führen kann, sind bei Rückstellungsbildungen die Risikoindikationen für den Einzelfall, zumindest aber die Erfahrungswerte der Vergangenheit, zu dokumentieren, um in einem allfälligen Finanzstrafverfahren zumindest den Vorwurf einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung entkräften zu können. Kann die Rückstellungsbildung in keiner Weise begründet werden, nimmt die Rechtsprechung des VwGH und des BFG Vorsatz an. Kann die Existenz eines zumindest betriebsbezogenen Risikos nachgewiesen werden, wird zumindest der Vorsatzvorwurf in der Regel entkräftet werden können.

KPMG-Kontakt:
Alfred Shubshizky
Mail: ashubshizky@kpmg.at

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