Insolvenzstatistik 1. Halbjahr 2022 final

Doppelt so viele Firmenpleiten wie im Vorjahr

Neben dem massiven Anstieg an Unternehmensinsolvenzen sind auch die geschätzten Passiva deutlich gestiegen. Daran wird sich bis Jahresende wohl nichts ändern.   


Wien, 20.07.2022 – Laut aktueller KSV1870 Analyse waren im ersten Halbjahr 2022 in Österreich 2.345 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Das sind um rund 121 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – und etwa 200 Insolvenzfälle weniger als im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor Ausbruch der Corona-Krise. Knapp die Hälfte aller Firmenpleiten betrifft den Handel, die Bauwirtschaft und die Tourismusbranche bzw. die Gastronomie. Parallel dazu sind auch die geschätzten Verbindlichkeiten* um 110 Prozent auf 823 Mio. Euro angewachsen. Darüber hinaus hat sich die Zahl der betroffenen Dienstnehmer auf 7.000 Personen nahezu verdoppelt und jene der Gläubiger auf 13.700 Betroffene (+ 61 %) erhöht.  

Teuerungswelle, Inflation, Lieferengpässe, Fachkräftemangel, Krieg in der Ukraine: Die Liste jener Herausforderungen, mit der sich Österreichs Wirtschaft auseinandersetzen muss, ist aktuell besonders lang. Dennoch ist der gravierende Anstieg (+ 121 %) an Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres nicht unmittelbar auf diese Faktoren zurückzuführen: „In der Entwicklung der vergangenen sechs Monate sehen wir vor allem die konsequente Fortsetzung einer Trendumkehr, die bereits im Herbst 2021 begonnen hat, und in erster Linie auf die Beendigung der meisten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zurückzuführen ist“, erklärt MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz, und ergänzt: „Aus Sicht des KSV1870 war es richtig, das flächendeckende Hilfsprogramm nach dem Gießkannenprinzip zu beenden, und stattdessen wieder auf volkswirtschaftlich saubere Prozesse zu setzen. So wird verhindert, dass Unternehmen gefördert werden, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Gesamtsituation eigentlich keinen Anspruch darauf haben – ganz unabhängig des Corona-Faktors.“ Dass es dafür höchste Zeit war, zeigt auch, dass im Vergleich zum Vorjahr die Quote an abgewiesenen Fällen von circa 30 Prozent auf rund 40 Prozent gestiegen ist – so wurden heuer bereits 959 Insolvenzen mangels Kostendeckung abgewiesen. Ohne dieser ausufernden Unterstützung hätten einige dieser Unternehmen bereits früher Insolvenz anmelden und mitunter noch saniert werden können. Jetzt müssen sie zur Gänze zusperren, wodurch auch Arbeitsplätze verloren gehen. 

Parallel dazu müssen sich die Betriebe im Moment verstärkt mit steigenden Kosten auseinandersetzen: Wie sehr sich die massiven Teuerungen etwa am Rohstoffsektor oder die Inflation auf das Insolvenzwesen auswirken werden, kann erst zu einem späteren Zeitpunkt faktenbasiert eingeschätzt werden – dass es zu Auswirkungen kommen wird, ist jedoch höchstwahrscheinlich. Das Ausmaß hängt auch ein Stück weit von der heimischen Wirtschaftsleistung ab, die im 2. Quartal 2022 immerhin besser als erwartet ausfallen dürfte. 

> Download: KSV1870 Analyse und Insolvenzstatistik Unternehmen 1. Halbjahr 2022 im Detail

 

Privatkonkurse um ein Drittel gestiegen

Trotz steigender Fallzahlen und höherer Passiva ist die Teuerungswelle aktuell kein Auslöser von Privatkonkursen.   

Wien, 20.07.2022 – Laut aktueller KSV1870 Analyse wurden im ersten Halbjahr 2022 in Österreich 4.322 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet – das ist rund ein Drittel mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gegenüber dem ersten Halbjahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Corona-Pandemie, sind das aber noch immer um etwa 700 Fälle weniger. Parallel zu den gestiegenen Privatkonkursen sind auch die vorläufigen Passiva* deutlich angewachsen – und zwar um 31 Prozent auf 480 Mio. Euro.  

„Das Vorkrisenniveau ist im Bereich des Privatkonkurses zwar noch nicht zur Gänze erreicht, dennoch zeigen die aktuellen Ergebnisse, dass die im vergangenen Herbst losgelöste Trendumkehr im heurigen Jahr ihre Fortsetzung gefunden hat. Ein Grund dafür ist auch die letztjährige Insolvenznovelle, die eine deutlich leichtere Entschuldungsmöglichkeit für Schuldner mit sich gebracht hat“, analysiert MMag. Karl-Heinz Götze, MBA, Leiter KSV1870 Insolvenz, die jüngsten Ergebnisse. Trotz der zuletzt teils stark gestiegenen Zahl an eröffneten Schuldenregulierungsverfahren sind die Inflation oder die momentane Teuerungswelle, die über Österreichs Haushalte hereinbricht, noch kein Grund für vermehrte Konkurse von Privatpersonen. „Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Pandemie. Ein Privatkonkurs baut sich im Regelfall über einen längeren Zeitraum auf und wird eher selten durch ein plötzlich eintretendes Ereignis ausgelöst“, so Götze. Zusätzlich zu den 4.322 eröffneten Schuldenregulierungsverfahren gab es im heurigen Jahr bislang 375 Fälle, die mangels Masse abgewiesen wurden – im Vorjahr waren es 210 Fälle. 

Sämtliche Bundesländer mit Pleiten-Zuwachs
Während im ersten Quartal 2022 einzelne Bundesländer noch ein Minus in Sachen Privatkonkursen vorzuweisen hatten, gibt es zum Halbjahr flächendeckend in ganz Österreich Zuwächse zu vermelden. Am massivsten fällt der Anstieg in Tirol mit 68 Prozent aus. Es folgen die Steiermark (+ 56 %), Niederösterreich (+ 47 %) und Oberösterreich (+ 46 %). Vergleichsweise überschaubar gestalten sich die Zuwächse im Burgenland (+ 4 %) und Vorarlberg (+ 4 %). In absoluten Zahlen gab es in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres in Wien (1.474 Fälle) die meisten Privatkonkurse, die einer Regulierung zugeführt wurden. 

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