Belvedere

300 Jahre Belvedere: Das Interview zum Jubiläum

Wirtschaft trifft Kunst: Anlässlich des runden Geburtstages im Jahr 2023 sprechen Ricardo-José Vybiral vom KSV1870 und Wolfgang Bergmann, Wirtschaftlicher Geschäftsführer Belvedere, über Herausforderungen der Gegenwart.

Interview: Markus Hinterberger

Österreichs Wirtschaft war in den vergangenen Jahren von wirtschaftlichen Turbulenzen geprägt. Wie geht es der heimischen Kunstszene aktuell?

Eine Institution wie das Belvedere ist als historische Konstante auch ein Orientierungspunkt in einer unübersichtlichen Gegenwart und hat damit das Potenzial, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu sein.

Wolfgang Bergmann: Nach den schwierigen Zeiten der pandemiebedingten Lockdowns leidet der heimische Kulturbetrieb unter der aktuellen Teuerungswelle als Folge der Weltwirtschaftskrise, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde und deren Gesamtausmaß noch gar nicht abzuschätzen ist. Das Belvedere hat aber schon viele Krisen überstanden und wird auch diese überstehen. Das Belvedere ist als historische Konstante auch ein Orientierungspunkt in einer unübersichtlichen Gegenwart und hat das Potenzial, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu sein.

Wolfgang Bergmann spricht von den Folgen der Teuerungswelle und dem Krieg in der Ukraine, die auch für die heimische Kultur Folgen hat. Wo sehen Sie generell die größten Probleme der Gegenwart?

Ricardo-José Vybiral: Unsere jüngste Wirtschaftsumfrage hat gezeigt, dass die generelle Geschäftslage im Vergleich zum Vorjahr in Österreich rückläufig ist. Und jene Bereiche, wie etwa die Freizeitwirtschaft oder Branchen, die im unmittelbaren Alltag der Menschen mitunter nicht diese Präsenz haben, es nochmal eine Stufe schwieriger haben. Einfach deshalb, weil die Menschen aktuell jeden Euro doppelt umdrehen müssen. Damit haben im Moment viele zu kämpfen, leider auch die Kultur.

Was sind die größten Herausforderungen innerhalb der Kulturbranche?

WB: Eine Institution wie das Belvedere kommt nicht umhin, sich mit dem drängenden Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Das tun wir nicht erst seit gestern. Im Vorjahr wurde dem Belvedere das Österreichische Umweltzeichen verliehen, mit dem wir uns zu nachhaltigem Handeln in allen Tätigkeitsfeldern verpflichten.

Wo schlummert aus Ihrer Sicht großes Potenzial, damit Österreichs Kulturszene die vergangenen Jahre besser verkraften kann?

Österreichs kulturelles Erbe besitzt die Kraft, als Standortvorteil zu dienen. Gleichzeitig kann davon auch die heimische Exportwirtschaft profitieren. 

RJV: Österreich wird häufig als klassisches Tourismusland bezeichnet. Das stimmt, doch gibt es eine Vielzahl anderer Aspekte, die unser Land prägen. Dazu zählt die heimische Kultur, die auch international ein positives Image genießt. Dieses kann jedoch noch stärker zum eigenen Vorteil genutzt werden. Wir befinden uns mehr denn je in einem internationalen Wettstreit, wo es darum geht, die eigenen Vorzüge pausenlos zu trommeln. Ganz nach dem Motto „Stay on the message“. 

Das Belvedere feiert im Jahr 2023 sein 300-jähriges Jubiläum. Grund genug, die jüngere Vergangenheit Revue passieren zu lassen. Wie hat sich das Belvedere abseits von Corona & Co zuletzt entwickelt?

WB: Die Ausnahmejahre der Pandemie haben viel bewegt. Fragen nach der Bedeutung und der Rolle von Museen wurden neu gestellt. Wir haben die Zeit genutzt, um antizyklisch zu investieren, damit wir beim Aufschwung bestmöglich dastehen. Das Untere Belvedere wurde technisch aufgerüstet, die Sammlungsbestände werden in neuen und überraschenden Konstellationen präsentiert, wichtige Themenausstellungen konnten zu einem großen Teil durch Verschiebungen im Programm bleiben, etwa die große Schau „Klimt. Inspired by Rodin, Van Gogh, Matisse …“, die nun im Februar 2023 als erstes Highlight des Jubiläumsjahres gezeigt wird. Die Krise hat aber auch die Frage verstärkt, wie Kultur über die reine Vor-Ort-Präsenz hinausgehend vermittelt werden kann. Den Kontakt zum Publikum hielt das Belvedere überaus erfolgreich auch im Lockdown mit neuen Online-Angeboten und digitalen Formaten.

Stichwort Digitalisierung: Diese ist allgegenwärtig. Welche Spuren hat sie in der heimischen Kunstszene, insbesondere im Belvedere, hinterlassen?

WB: Das Belvedere ist eines der führenden Museen weltweit. Dieser Status spornt uns dazu an, auch bei aktuellen Entwicklungen Vorreiter zu sein. Dazu gehören die ständige Weiterentwicklung und Digitalisierung in allen Bereichen. Bereits jetzt ist etwa die Hälfte der Sammlung des Belvederes online verfügbar. Kunstinteressierte können die Bestände des Museums von überall aus recherchieren und durch 800 Jahre Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart flanieren. Mit „Der Kuss“ von Gustav Klimt haben wir als erstes Museum in Österreich erfolgreich ein innovatives NFT-Projekt umgesetzt, das nicht nur fast vier Millionen Euro Einnahmen generiert, sondern auch neue Zielgruppen erschlossen und für großes Medienecho gesorgt hat. Ich bin davon überzeugt, dass durch digitale Angebote der Wunsch, Wien und das Belvedere zu besuchen, nur noch größer wird.

Abseits des Belvederes: Muss in puncto Digitalisierung in Österreich nicht noch viel mehr passieren?

RJV: Wir haben im ersten Corona-Jahr gemerkt, wie intensiv sich viele Unternehmen mit der Digitalisierung auseinandergesetzt haben. Zum Teil zwangsläufig. Aber das war dringend notwendig, weil zuvor schlichtweg zu wenig passiert ist. Dieser Trend hat sich fortgesetzt, doch stagnierte er zuletzt. Jetzt, wo sich der Personalmangel weiter zuspitzt, sind gute digitale Prozesse hilfreich. Doch es ist ein Teufelskreis: Digitalisierung kostet Geld, und dieses ist, wie wir in Zeiten der Teuerungen wissen, häufig Mangelware. Aber ohne Investitionen wird es nicht funktionieren. Insofern ist es sinnvoll, auch über die Neueinführung einer Investitionsprämie für zweckgebundene Projekte zu diskutieren.

Abschließend: Worauf dürfen sich Besucher und Interessierte im Jubiläumsjahr ganz besonders freuen?

WB: 2023 feiern wir 300 Jahre Oberes Belvedere unter dem Motto „Goldener Frühling“. Das Gold steht für Tradition, der Frühling – in Anlehnung an ver sacrum, den „heiligen Frühling“ der Wiener Secessionisten – als Symbol für den Aufbruch zu Neuem. Was war Museum gestern, was kann es morgen sein? Neben großartigen Ausstellungen wird unser Skulpturenprojekt im barocken Schlosspark ein besonderer Kunstgenuss sein.