Nichtzahlung einer titulierten Forderung und Zahlungs(un)fähigkeit

Wann liegt tatsächlich Zahlungsunfähigkeit vor – und wann nicht? Warum selbst eine titulierte, nicht bezahlte Forderung noch keine Insolvenzeröffnung rechtfertigt.

Im Insolvenzverfahren ist schon mit dem Eröffnungsantrag eine „erste Glaubhaftmachung“ der zu bescheinigenden Umstände vorzunehmen. Sie muss mit dem Antrag bereits erbracht sein (OLG Wien 28 R 256/07h, 28 R 99/12b, 28 R 134/16f, 6 R 182/20h, 6 R 22/22g uva), sodass die hierzu erforderlichen Bescheinigungsmittel bereits mit dem Insolvenzeröffnungsantrag vorzulegen sind. Dadurch soll dem Insolvenzgericht die im Gesetz geforderte unverzügliche Beurteilung ermöglicht werden, ob der Antrag nicht offenbar unbegründet ist. Ein bloßes Anbieten von erst aufzunehmenden Beweisen, insbesondere das Anbot einer Parteien- oder Zeugenvernehmung, reicht dafür nicht aus. Fehlt es an einer wenigstens dem ersten Anschein nach ausreichenden Glaubhaftmachung auch nur einer der Eröffnungsvoraussetzungen, so ist der Insolvenzantrag schon aufgrund der ersten Antragsprüfung sofort, also ohne Verbesserungsverfahren, abzuweisen. Amtswegige Erhebungen oder die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens kommen erst bei positivem Ausgang der ersten Antragsprüfung in Betracht (OLG Wien 28 R 202/02k, 28 R 20/08d, 28 R 134/16f, 6 R 182/20h, 6 R 22/22g uva). 

Sobald ein Gläubiger aber – selbst ohne Bescheinigung der Konkurseröffnungsvoraussetzungen – amtswegige Erhebungen eingeleitet und eine Vernehmungstagsatzung anberaumt hat bzw dem Schuldner auf schriftlichem Weg Gehör gewährte bzw zu gewähren beabsichtigte, sind ab diesem Zeitpunkt die Konkurseröffnungsvoraussetzungen im zweiseitigen Verfahren von Amts wegen zu prüfen (OLG Wien 28 R 2/04a ZIK 2004/171, 6 R 114/19g, 6 R 159/20a, 6 R 124/21f uva). 

Durch die Vorlage eines vollstreckbaren Zahlungsbefehls kann die Forderung des Antragstellers problemlos bescheinigt werden. Die erste Bescheinigung dieser Insolvenzvoraussetzung ist damit gelungen. Auch im Fall eines Insolvenzantrags, der auf einer titulierten Forderung beruht, ist eine Gegenbescheinigung, den Bestand der behaupteten und bescheinigten Forderung betreffend, durch den Schuldner nicht jedenfalls ausgeschlossen und kommt in Ausnahmefällen in Betracht. 

Im Insolvenzeröffnungsverfahren obliegt dem Antragsteller die Behauptung und Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit. Dafür ist die Behauptung und Bescheinigung von Indizien notwendig, die einen hinreichend sicheren Schluss auf das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit erlauben. Die Nichtzahlung einer – wenn auch titulierten – Forderung stellt noch keinen ausreichenden Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dar. Dafür genügt auch die Behauptung einer gegen den Schuldner erwirkten Exekutionsbewilligung nicht, weil diese auch Folge einer bloßen Zahlungsunwilligkeit des Schuldners sein kann. Für eine Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten bedarf es vielmehr weiterer Hinweise. Sie kann etwa dann indiziert sein, wenn mehrere Exekutionen über einen längeren Zeitraum ergebnislos verfolgt wurden. Als Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit wird etwa ein am Fehlen pfändbarer Gegenstände gescheiterter Vollzugsversuch angesehen; ebenso der wiederholte Vollzug von Fahrnispfändungen, weil in der Regel nicht angenommen werden kann, dass ein Schuldner gerichtliche Zwangsvollstreckungen ohne Not an sich herankommen lässt. Außerhalb dieser Fälle reicht das Vorbringen einer erfolglos geführten Exekution für die Behauptung der Zahlungsunfähigkeit nicht aus, weil – wie häufig zu beobachten ist – der Vollzug einer Pfändung auch an der Unauffindbarkeit des Schuldners an der vom Gläubiger angegebenen Adresse scheitern kann. Dies lässt aber nur auf das Fehlen eines Vollzugsortes an jener Adresse schließen (OLG Wien 6 R 281/17p, 6 R 281/17p, 6 R 114/20h, 6 R 199/21k uva). Für das Vorliegen „mehrerer“ Exekutionsverfahren gegen den Schuldner reicht das Vorliegen zweier Exekutionsverfahren allein noch nicht aus (vgl OLG Wien 6 R 160/22a). 

 

ZIK 2024/26 
IO: §§ 66, 70, 254 Abs 5  
OLG Wien 1.6.2023, 6 R 189/23t  

 

Aus dem Magazin forum.ksv - Ausgabe 01/2025.